Fraunhofer ISE

So können energieintensive Industrien Energiesparpotenziale aufdecken

Deutsche Industrieunternehmen leiden derzeit unter den stark gestiegenen Kosten für fossile Brennstoffe und Strom. Die massiven Erhöhungen können für besonders energieintensive Branchen existenzbedrohende Ausmaße annehmen. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE unterstützt Unternehmen dabei, den Energieverbrauch ihrer Standorte und damit sowohl Kosten als auch Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das Institut nutzt dafür eine interdisziplinäre Methode, bei der Produktionsprozesse und Energieflüsse ganzheitlich betrachtet werden, wie ein Projekt mit einem Unternehmen aus der Wellpappenindustrie zeigt.

Aktuell ist die Industrie mit einem Anteil von 35 % der Sektor mit dem höchsten Erdgas-Verbrauch in Deutschland. „Vor dem Hintergrund der stark gestiegenen Preise und sogar eines drohenden Erdgas-Ausfalls suchen viele Industriebranchen derzeit nach Alternativen und effizienteren Produktionsprozessen. Zudem sind grünere Produkte und eine erfolgreiche Zertifizierung nach ESG-Ratingkriterien auch Wettbewerbsvorteile“, erklärt Dr. Thomas Fluri, Gruppenleiter Klimaneutrale Industrieprozesse und Hochtemperaturspeicher am Fraunhofer ISE. „Mit unserem interdisziplinären Ansatz unterstützen wir energieintensive Unternehmen dabei, den Energieverbrauch ihrer Standorte zu reduzieren.“

Dabei werden die Prozesse ganzheitlich betrachtet, wofür das Fraunhofer ISE seine breite Expertise von der Komponentenentwicklung über die Energiedatenanalyse bis hin zur Umsetzung von Konzepten zur Dekarbonisierung von Industrieprozessen einsetzt. Dabei bezieht es seine umfassende Kenntnis zu Techniken zur Nutzung ­erneuerbarer Energien wie Solarthermie, Photovoltaik und Speichersysteme mit ein. Im ersten Schritt erfasst das Projektteam umfassende Energiedaten und entwickelt dafür innovative Monitoringkonzepte. Die gemessenen Daten werden anschließend evaluiert und Maßnahmen zur Energieeinsparung abgeleitet.

 

Potenzialstudie in Zusammen­arbeit mit BHS Corrugated

Wellpappe ist eines der wichtigsten Verpackungsmaterialien der Welt. Einer der größten Lösungsanbieter in der Wellpappenbranche ist die BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH aus Weiherhammer, Deutschland. Über 50.000 Fußballfelder könnten mit der jährlich produzierten Wellpappe einer Anlage von BHS Corrugated bedeckt werden. Im Auftrag von BHS Corrugated erarbeitete das Fraunhofer ISE Energiesparmaßnahmen mit dem Ziel, den Wärme- und Stromverbrauch zu reduzieren.

Analyse und Einsparpotenzial

Ein Energie-Monitoring System wurde an einer Wellpappenanlage an einem Kundenstandort installiert, um die Energiedaten der unterschiedlichen Anlagenkomponenten und Prozessschritte zu ermitteln. Auf Basis der gewonnenen Daten analysierte das Forschungsteam die bestehenden Systeme auf ihr Energiesparpotenzial hin. Fokus der Betrachtung wurde die eingesetzt Dampfbeheizung, die als primäre Energiequelle für die Wellpappenanlage fungiert. Hierfür wurden alternative Heizsysteme aufgezeigt und hinsichtlich ihrer Energieeffizienz sowie den daraus resultierenden Kosteneinsparungen bewertet. Prozessintegration und Umsetzbarkeit wurden ebenso berücksichtigt. Auch der Einsatz von Photovoltaik und Speichern zur Reduktion der CO2-Emissionen wurde überprüft.

Für die untersuchten Standorte konnte allein durch die verschiedenen Maßnahmen zur Energiebereitstellung ein Einsparpotenzial von 4,5 kg CO2 pro 1000 m² produzierte Wellpappe ermittelt werden. Angesichts der Produktionskapazität der Anlage von ca. 160 Millionen m² ergibt dies ein Potenzial von 720 t CO2-Einsparung jährlich. Zum Vergleich: Die Weltproduktion an Wellpappe wird auf 260 Milliarden m² jährlich geschätzt. Die Installation einer Photovoltaik-Anlage (820 kW) könnte die Stromrechnung der untersuchten Fertigung jährlich um knapp 150.000 Euro senken und den Strombedarf zu 14 % decken. Die PV-Anlage hilft dem Betreiber auch, zukünftige Strompreissteigerungen abzufedern. Zur Spitzenlastkappung könnten Batteriespeicher eingesetzt werden. Neben einem höheren Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung tragen auch Maßnahmen in der Wärmeversorgung, wie der Einsatz von Solarthermie, zur Dekarbonisierung bei.

„Oft gehen die Ziele einer höheren Anlagenproduktivität und eines verantwortungsvollen Ressourcenumgangs Hand in Hand. Ein Beispiel ist die Senkung der Energiekosten durch die Reduzierung des Papiereinsatzes – ein Synergieeffekt, der sich kosten- sowie emissionssenkend auswirkt. Das Projekt mit dem Forschungsteam des Fraunhofer ISE hat dafür ein zukunftsträchtiges Fundament gelegt und Möglichkeiten aufgezeigt, um auch in Zukunft Produktivität und Nachhaltigkeit mit dem Einsatz von Wellpappenanlagen von BHS Corrugated zu ermöglichen“, so Dr. Berthold ­Aumüller, Manager Innovation Management& Research bei BHS Corrugated.

 

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