Siegerbeitrag des ipv-Autorenpreises 2016

Baubegleitendes Facility Management

Axel Springer Services und Immobilien GmbH ist die Corporate Real Estate und Facility Management Tochter der Axel Springer SE. Neben Kaufmännisch- Technisch- und Infrastrukturellen Aufgaben, quasi die „Pflicht“ gibt es immer wieder spezielle Aufgaben – die „Kür“: Wenn neben den Bestandgebäuden auch Neubauten zu betreuen sind. Speziell das baubegleitende Facility Management stellt – angesichts der Größe der Investitionsvolumina- erhebliche Anforderungen an die Immobilienbetreuer von Unternehmen.

Es ist schon fast Allgemeinwissen, das sich die Gesamtkosten einer Immobilie aus den Kosten der Errichtung und den Kosten des Betriebes zusammensetzen.

Bei der Errichtung einer Immobilie ist allerdings häufig ein Zielkonflikt zu beobachten: Die Investoren eines Bauprojektes haben naturgemäß eine eher kurzfristige Sichtweise. Ihr Hauptaugenmerk richtet sich auf eine möglichst kostengünstige und zeitoptimierte Errichtung eines Gebäudes. Das fertige Produkt soll möglichst rasch veräußert werden.

Die Interessenlage der späteren Nutzer ist etwas differenzierter, neben optimierten Herstell- bzw. Anschaffungskostenkosten verfolgen sie ausserdem das Ziel möglichst geringer Betriebskosten über die gesamte Lebensdauer der Immobilie. Da der spätere Nutzer/Betreiber der Immobilie häufig nicht oder erst zu einem späten Zeitpunkt  in die Planung eingebunden wird, erfolgt die Planung oftmals einseitig zugunsten niedriger Investitionskosten.
Mögliches Optimierungspotenzial für die spätere Nutzungsphase wird nicht ausgeschöpft. Vereinigt der Bauherr die Rollen des Errichters einer Immobilien mit der Rolle des späteren Betreibers in sich, so ist anzuraten, bereits in der Planungsphase Erkenntnisse des Facility Managements einfließen zu lassen. Die Doppelrolle eines Investors und Betreibers ist typischerweise ein Kennzeichen eines Corporate Real Estate Management Unternehmens.

Die Sichtweise des Facility Managements auf eine Immobilie ist eine langfristige, sich über den gesamten Lebenszyklus erstreckende. Vermögenswerte wie die Bausubstanz, aber auch Anlagen und Einrichtungen sollen in Ihrer Substanz mindestens erhalten werden, der Umgang mit Ressourcen ist ein schonender. Die mittel- oder unmittelbare Folge davon ist unter anderem, ein vergleichbar niedrigerer finanzieller Aufwand über den gesamten Lebenszyklus. Der reicht von der Konzeption, über die Planung, Errichtung und Nutzung, bis hin zur Verwertung der Immobilie. Betrachtet man die Nutzungskosten über die gesamte Lebensdauer einer Immobilie, so zeigt sich, dass die Nutzungskosten die Errichtungskosten sogar um ein vielfaches übersteigen können.

Aufgrund dieser Tatsache ergibt sich die Überlegung, durch Einbeziehung der Nutzungskosten in die Planung deutlich höhere Sparpoten­tiale zu realisieren, denn eine Senkung der Erstellungskosten hat zum einen zur Folge, dass die Qualität des Bauwerks unter Umständen sinken könnte, zum anderen sind die Einsparpotentiale in der Errichtungsphase beschränkt.

Bauunternehmen und Investoren richten ihr Hauptaugen­merk aber auf die Errichtungskosten. Mangels Erfahrung und Kenntnis spielt die Optimierung der Nutzungskosten nur eine untergeordnete Rolle – wenn überhaupt.

Der optimale Zeitpunkt

Während der Konzeptions- und Planungsphase besteht das größte Potenzial zur Optimierung der Nutzungskosten. Zu Beginn dieser Phase ist noch eine fast uneingeschränkte Beeinflussbarkeit möglich. Mit fortlaufender Vertiefung der Planung nimmt der Grad der Kostenbeeinflussbarkeit schon stark ab. Während der Bauausführung nehmen die Möglichkeiten in dieser Hinsicht dann kontinuierlich bis auf ein Minimum ab.

In der Nutzungsphase selbst sind Korrekturen, zur Optimierung der Kosten kaum noch, oder nur beschränkt durchführbar. Andererseits kann es geschehen, dass Maßnahmen, die die Nutzungskosten senken zu einer Erhöhung der Investition führen – dann ist anhand der Konkretisierung der Nutzungskosten und der Investitionskosten abzuwägen, ob die durchgeführte Optimierung tatsächlich sinnvoll ist. Dennoch, der optimale Zeitpunkt für diese Erwägungen bleibt die Planungsphase.

Und innerhalb der Planungsphase? Teilt man ein Vorhaben analog der HOAI Planungsphasen auf, so zeigt sich, dass mit Ende der HOAI-Leistungsphase 3 die wesentlichen Parameter festgelegt sind. Die vorher entwickelten Nutzerbedarfsprogramme, Kriterien wie Nutzflächen und deren Art, Bruttorauminhalt, konstruktive Merkmale und das Design in ihrer Entwicklung sind weitestgehend abgeschlossen. Die dann beginnende Ausführungsplanung basiert auf diesen Festlegungen. Die Möglichkeiten der Kostenbeeinflussung in den anschließenden Phasen, liegen dann lediglich noch im Bereich konstruktiver oder gestalterischer Details und der Auswahl von Baumaterialien. Daneben führen spätere Änderungen oftmals zu nachträglichen – und damit teuren – Eingriffen in die Grund­lagen der Planung.

Die Werkzeuge

Die Antwort klingt trivial – ist es aber nicht: Das geeignete Werkzeug für die Abwägung der Folgen ist die Wirtschaftlichkeitsrechnung. Das Nicht-triviale an der Wirtschaftlichkeitsbe­rechnung ist, das jeder darunter etwas anderes verstehen kann.

Diejenigen, die sich nur mit der Baukonstruktion befassen, werden in Ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung eher Investitionsalternativen abwägen. Ähnlich sieht es auch derjenige dessen Fokus hauptsächlich auf der Finanzierungsseite liegt. Die Gesichtspunkte des späteren Gebäudebetriebs spielen eine eher untergeordnete Rolle. Der spätere Nutzer wird sein Augenmerkt wiederum auf einem langlebigen und kostenoptimierten Betrieb legen.

Daher ist es zweckmäßiger, eine gesamtheitliche Wirtschaftlichkeitsbetrachtung zu erstellen, in diese müssen sowohl die Investitionskosten als auch die späteren Nutzungsaufwendungen und natürlich die Finanzierungskosten einfließen.

Die während der Planungsphase genutzte HOAI ist hier keine Hilfe, denn Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen sind zum einen keine Grundleistungen, sondern eine besondere Leistung des Architekten, zum anderen spricht die HOAI in den besonderen Leistungen auch nur unspezifisch von „Analysen von Alternativen/Varianten mit Kostenuntersuchung“ – die Kosten der Nutzung sind nicht erwähnt. Weiterhelfen kann die DIN 18960, die der wirtschaftlichen und kostentransparenten Planung, Herstellung, Nutzung und Optimierung von Bauwerken dienen soll, sie enthält zumindest alle wesentlichen Begriffe.

Natürlich ist die Genauigkeit der Wirtschaftlichkeitsberechnung in einer frühen Phase der Planung deutlich geringer als zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme oder gar des Betriebs. Dennoch solle der vorausschauende Bauherr schon in der Planungsphase Kostenobergrenzen, Nutzungsdauer und auch Kosten für den Abbruch bzw. die Entsorgung der Immobilie vorgeben respektive kalkulieren, und parallel zur Vertiefung der Kostenberechnung des Baus vertiefen. Und – ein Aspekt der immer mehr an Bedeutung gewinnen wird – die Nachhaltigkeit des Projektes im Sinne von ökonomischer, ökologischer und sozialer Sicht ist nicht zu vernachlässigen. Auch hier gilt, dass ein höheres oder niedrigeres Anfangsinvest deutliche Konsequenzen für die Nutzungskosten und -arten in dem Gebäude haben wird.

Das Projektteam

Architekten und Ingenieure haben nachgewiesen eine sehr hohe Planungs- und Errichtungskompetenz, die Kompetenz der Spezialisten aus dem Facility Ma­nage­ment liegt im Betrieb bzw. der Nutzung des Gebäudes. Aus Corporate Real Estate Sicht ist es wünschenswert, ein integrales Team aus „Errichtern“ und „Betreibern“ zu bilden. Es vernetzt die beteiligten Fachgebiete und schafft offene dynamische Strukturen. Auf dieser Basis erfolgt in der fortschreitenden Planung eine ganzheitliche und vollständige ­Betrachtung aller Planungsaspekte und ­ihrer fachübergreifenden Zusammen­hänge. Anforderungen und Probleme werden dadurch nicht fachbereichsisoliert, sondern in Form einer Gesamtschau betrachtet, bearbeitet und gelöst.

Theorie & Praxis

Die Theorie sagt uns also, dass es sinnvoll ist die Anforderungen des Facility Managements bereits in einer sehr frühen Projektphase zu berücksichtigen, um die optimale „Investitins-Betriebskostenbalance“ zu erreichen. Geeignete Instrumente werden durch DIN Normen oder betriebswirtschaftliche Standardverfahren bereitgestellt – und auch durch eine entsprechende Zusammenstellung des Projektteams. Wie kann so etwas in der Praxis aussehen? Hier die Erfahrungen der Axel Springer Services & Immobilien GmbH, der Corportae Real Estate und Facility Management Tochtergesellschaft der Axel Springer SE:

Die 2004 fertiggestellte Axel Springer Passage in Berlin wurde von einem Projektteam begleitet. Bei der Axel-Springer-Passage handelt es sich um ein Gebäude, das durch Standardbüroflächen geprägt ist. Die Anforderungen zukünftiger Nutzer waren bekannt, somit konnte das Nutzerbedarfsprogramm idealerweise klar definiert werden. Das Gebäude wurde im Vorhinein auf Fremdvermietbarkeit von Standardbüroflächen ausgelegt.  Die Planung des Ge­bäudes wurde durch Architekten erbracht, die Umsetzung des Bauprojektes erfolgte durch einen externen Projektsteuerer, der u. A. auch die Koordination der handelnden Parteien übernahm. Der enge Zusammenschluss der Beteiligten führte dazu, dass die vorgegebenen Rahmenbedingen erreicht wurden, alle Zeit und Kostenbudgets wurde eingehalten. Im Betrieb zeigt sich, das die Erfahrungen der Betreiberseite dazu geführt haben, das die „richtige“ Technik eingebaut wurde: Stillstands- und Revisionszeiten sind minimiert, die gewählte Balance zwischen Investition und späteren Betriebsaufwendungen hat sich als vorteilhaft erwiesen. Die Axel Springer Passage ist aber – mit den Augen eines Unbeteiligten gesehen – gewissermaßen ein Standard-Bau, der in bestimmten Teilen an die Vorgaben seiner späteren Nutzer angepasst wurde.

Anders das aktuelle Vorhaben – der Axel Springer Neubau in Berlin. Bei diesem Vorhaben handelt es sich um das Ergebnis eines Architektenwettbewerbs, aus dem das in Rotterdam ansässige Architektenbüro OMA als planender Architekt hervorging. Interessant an diesem Wettbewerb war eine zentrale Frage die an die teilnehmenden Architekturbüros gestellt wurde: Zeigt uns die Zukunft des Arbeitens. Die gegebenen „Antworten“ auf diese Frage waren naturgemäß sehr vielfältig – keiner der vorgestellten Entwürfe entsprach einem „Standard-Bauvorhaben“.

Vision und Umsetzung

Zur Umsetzung außergewöhnliche Visionen bedarf es mehr als den gewöhn­lichen Mitteln bzw. standartmäßigen Strukturen im Planungs- und Realisierungsprozess. Insofern ist die Aufstellung des Projektteams für die Umsetzung dieses Vorhabens auch eine andere als die Aufstellung, die für die Umsetzung der Axel Springer Passage gewählt wurde: Die Axel Springer Services & Immobilien entschied sich für die Bildung eines Projektteams, in dem FM Fachleute nicht nur beratend, sondern auch direkt planprüfend und – optimierend eingreifen. Nur so ist bei diesem Vorhaben ein Zielkonflikt zwischen Architektur und Betrieb zu vermeiden. Bereits frühzeitig stellen FM Fachleute die richtigen Fragen, bereits frühzeitig zwingt die Architektur FM Fachleute zum Durchdenken ihrer (manchmal liebgewonnenen) Prozesse. Daraus resultierend werden für die unterschiedlichsten Fragestellungen im gemeinsamen Diskurs Lösungswege erarbeitet die manchmal abseits der auf beiden Seiten herkömm­lichen Standartvorgehensweisen liegen. Die Stärke der intensiven Zusammenarbeit zwischen Planern und Betreibern liegt darin, sich gegenseitig zu zwingen über den jeweiligen Tellerrand hinauszuschauen und die Stärken der jeweiligen Fachkompetenz zu bündeln.

Das Ergebnis wird sich erst nach der Fertigstellung zeigen – wir sind aber optimistisch hier einen Weg zu gehen, der den langfristigen Interessen der Beteiligten auch gerecht werden wird.

Fazit

Als Fazit, oder auch Zwischenfazit, lässt sich festhalten, das die theoretisch richtige, frühzeitige Einbindung der FM Fachleute in das Projektteam auch in der praktischen Umsetzung eines Bauvorhabens erfolgversprechend ist. In Abhängigkeit von der Komplexität der Planung ist dabei die Tiefe der Einbindung ein entscheidendes Erfolgskriterium.

Die engverzahnte Art der Zusammenarbeit zwischen Architekten, Planern und FM-Fachleuten stellt zum einen eine große Herausforderung bei allen Beteiligten dar, prallen doch mitunter die Welten unterschiedlichster Sichtweisen aufeinander. Auf der anderen Seite ebnet sie den Weg zur erfolgreichen Umsetzung einer Vision die durch außergewöhnliche Architektur geprägt ist und den Bedürfnissen der Nutzer und Betreiber entspricht kann.

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