Nachhaltige Immobilien brauchen interdisziplinäres Handeln

Nachhaltigkeit ohne­ ­Renditeturbo

Der Klimawandel stellt uns vor große Herausforderungen – auch in der Immobilienwirtschaft, denn 40 % der weltweiten Emissionen werden von Gebäuden verursacht. Und besonders Bestandsimmobilien sollten in diesem Zusammenhang besonders im Fokus stehen, denn zwischen Klimaschutz und ESG sind gerade energetische Sanierungen im Bestand ein großer Hebel. Doch noch läuft die Umsetzung schleppend – warum?

Europa erlebt immer mehr Sommer, die von Trockenheit geprägt sind. In Frankreich, Italien und Spanien wurde Ende 2022 sogar von einer Winterdürre gesprochen. Klimawandel ist also kein Szenario kommender Generationen, er findet jetzt statt, er findet hier statt und er betrifft uns alle. Besonders in der Verantwortung: die großen Emittenten von Kohlendioxid und dazu gehört auch die Immobilienwirtschaft. Der Blick in die sozialen Business-Netzwerke lässt vermuten, dass die Akteure ihre nachhaltigen Ideen bereits ebenso kreativ umsetzen, wie sie sie präsentieren. Die Umsetzung sieht aber deutlich schwieriger aus. Im vergangenen Jahr hat die Immobilienberatung Savills exemplarisch die Assetklasse der Handelsimmobilien unter die Nachhaltigkeitslupe genommen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Obwohl das Bewusstsein für die Bedeutung von ESG aufgrund der Regulierung gestiegen sei, scheinen die Kapitalströme der Investoren in dieser Assetklasse noch nicht im großen Stil auf ESG-konforme Objekte umgelenkt worden zu sein. Ebenso wenig ließen sich umfangreiche energetische Bestandssanierungen beobachten oder gar beziffern.

Wie kommt es zu dieser Entwicklung, wenn doch Klimaschutz in aller Munde ist und so viele Akteure der Immobilienwirtschaft ihre Unternehmenskommunikation bereits auf nachhaltig gestellt haben? Die Antwort: Gut gedacht ist noch lange nicht gut gemacht. Aber zwingt uns der Klimawandel nicht zum sofortigen Handeln? Das Problem: Wir versuchen, mit unseren alten und teilweise zementierten Mustern auf neue Anforderungen zu reagieren und aus der größten Herausforderung für unseren Planeten ein Businessmodell mit guter Rendite zu machen. Nachhaltigkeit soll sich auszahlen. Die Wahrheit ist: Klimaschutz hat ein Preisschild, er lohnt sich, aber er ist kein Renditeturbo - zumindest jetzt noch nicht. Auch die Immobilienwirtschaft und damit auch die Immobilieninvestoren sind in der Pflicht, die Perspektive zu verändern. Wer sich heute ausrechnet, dass die Abschläge für eine „graue“ Immobilie geringer sind als die Investitionen in ein „grünes“ Gebäude und sich deshalb für grau entscheidet, läuft in eine Falle. Nicht zu handeln bedeutet, zukünftig immense Kosten für die Folgen des Klimawandels tragen zu müssen und diese Kosten werden garantiert unaufhaltsam steigen, ohne dass sie heute schon in einem Geschäftsmodell eingepreist sind. Es werden die Gemeinkosten sein, die nicht mehr zu bezahlen sind und die bisherigen Geschäftsmodelle früher oder später grundsätzlich straucheln lassen – ganz sicher! Daher benötigen wir den Mut und die Innovationskraft in neuen Geschäftsfeldern zu denken und in diese zu investieren.

 

Nicht einfach nachreden, sondern nachdenken

Wir müssen es anpacken, aber richtig. Dazu ist es wichtig zu wissen, wo wir derzeit stehen. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass 80 % der Gebäude im Jahr 2050 bereits heute existieren und 40 % aller weltweiten Emissionen verursachen, dann ist der Handlungsdruck hoch. Bestandsimmobilien rücken in den Fokus und ein Denken in Ressourcen und deren Kreisläufen wird zur Notwendigkeit.

Angesichts der vor uns liegenden Mammutaufgaben ist es an der Zeit, das Silodenken zwischen den handelnden Disziplinen in der Immobilienbranche nach und nach aufzubrechen und eine durchgehende Wertschöpfungskette zu bilden: Es ist notwendiger denn je, dass sich Investoren, Projektentwickler, Asset-, Property- und Facility-Manager als eine Branche verstehen, die nur gemeinschaftlich zum Ziel kommt. Es heißt, einen kontinuierlichen Dialog zu etablieren und eine Nachhaltigkeitsmannschaft zu bilden. Schön ist, dass die Diskussionen an diesem Punkt begonnen haben. Jetzt gilt es, einheitliche Ansätze zu finden, die schnell, kollaborativ und transparent weiterentwickelt werden, um die Signifikanz von ESG zu erhöhen. Dabei benötigen wir Unternehmen, die ihre kommunizierten Strategien und definierten Zielen mit den notwendigen Capex-Maßnahmen hinterlegen, um die individuellen Nachhaltigkeitsziele gemeinsam und gebäudespezifisch festzulegen. Effiziente Technik kann die Infrastruktur eines Gebäudes so gut bespielen. Ein entscheidender Schlüssel ist dabei der transparente Austausch von Daten, denn ein effizientes Daten- und Informationsmanagement durch kompatible IT-Schnittstellen und eine Technologieoffenheit ist wichtig, um den nachhaltigen Betrieb der Immobilie zu gewährleisten. So kann das Asset-Management beispielsweise Informationen über langfristige Investitionspläne bereitstellen, während das Property Management und das Facility  Management detaillierte Daten zur Nutzung der Immobilie, zum Energieverbrauch und zur Instandhaltung für einen gemeinsamen Daten-Pool liefern können. Diese Daten müssen dann in einem System intelligent miteinander vernetzt werden, um so eine spezifische ESG-Roadmap für die jeweilige Immobilie zu entwickeln.

Doch nicht nur der eigene Nachhaltigkeitspfad zwingt das Facility-, Property- und Asset-Management zur stärkeren Zusammenarbeit. Der Gesetzgeber fordert Transparenz über die klimaschützenden Maßnahmen eines Gebäudes. Diese Pflicht zum Reporting kommt auf die Eigentümer zu, die Daten für diese Verpflichtung liefert zu einem großen Teil das Facility-Management. Vernetzte, interdisziplinäre Zusammenarbeit ist also ein gesetzliches Pflichtprogramm mit Mehrwertcharakter.

Immobilien sind aber nicht nur Investitionsobjekte, sondern vor allem Lebensräume für Menschen. 90 Prozent unserer Lebenszeit verbringen wir in geschlossenen Räumen. Natürlich müssen sich nachhaltige Investitionsstrategien an Renditeaspekten und dem Shareholder-Value orientieren. Dabei darf aber der Buchstabe „S“ in ESG nicht aus dem Fokus geraten. Es herrscht dabei eine wechselseitige Abhängigkeit von E- und S Kriterien. Denn nachhaltige Umweltpraxis kann soziale Fortschritte erzielen sowie gleichzeitig eine positive soziale Performance dazu beitragen kann, Umweltprobleme anzugehen. Denn eine verantwortliche Immobilie berücksichtigt das Wohlbefinden der Nutzer z.B. durch den Einsatz von umweltfreundlichen Materialien und einer gut eingestellten Lüftung. Dabei wird klar - nur wer die Nutzer von Immobilien von der Nachhaltigkeitsstrategie überzeugt und sie zu Mitstreitern für die gemeinsame Sache macht, kann ein nachhaltiges Immobilieninvestment tatsächlich erfolgreich am Markt etablieren.   

Das Miteinander und der Dialog sind also entscheidende und leider oft vernachlässigte Aspekte. Dazu gehört auch die durchgängige Integration der Nachhaltigkeitsansätze in die Prozesse des Immobilienbetriebs, vom Assetmanagement bis zum technischen FM. Prozesse sollten durchgängig gedacht und nicht in Einzelteilprozesse zerlegt werden. Bei allen Entscheidungen sei es bei Investitionen, Vermietungen oder technischen FM-Prozessen, müssen Nachhaltigkeitsaspekte aufeinander abgestimmt sein und stets mit einer hohen Priorität wie selbstverständlich berücksichtigt werden.

Wir müssen jetzt die Versprechen einlösen, die viele von uns schon seit längerer Zeit in den Medien und in sozialen Netzwerken machen. Die Transformation nimmt schnell an Fahrt auf. Wir sollten nicht nur nachhaltig reden, sondern als interdisziplinäre Netzwerke nachhaltig und immobilienspezifisch handeln. Wir stehen vor einer Mammutaufgabe. Haben wir den Mut, Veränderungen zuzulassen, auch wenn sie manchmal schmerzlich sind. Nachhaltigkeit ist ein Auftrag, kein Apell.

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