Eine Bank hat andere Wünsche an das FM als ein Verlag

Siegerbeitrag des ipv-Autorenpreises 2015

Facility Manager machen zwar die Erfahrung, dass sich die Anforderungen der Nutzer stark voneinander unterscheiden, nutzen diese Erkenntnis aber nicht. Das haben Corinna Prey und Ulrich Pieper beobachtet...

Wer eine effiziente FM-Leistung bieten will, muss über tiefgehende Kenntnisse der Nutzerprozesse verfügen. Unterschiedliche Mieter in einer Büroimmobilie weisen sicherlich auch unterschiedliche Nutzerverhalten auf. Aber zum einen sind meist die Vermieter die Bezieher einer FM-Leistung. Am Eingang zu den Mieterräumen endet in der Regel das Einsatzgebiet des Dienstleisters. Und zum anderen sind gerade Büroimmobilien weniger speziell, da sie ja für eine große Vielzahl von Mietern interessant sein sollen.

Tiefere Kenntnisse von Nutzerprozessen erstrecken sich deshalb oft nicht auf eine einzelne Immobilie, sondern auf die Immobilienanforderungen einer ganzen Kundenbranche, die diese in vielen oder allen ihren Immobilien stellt. Es ist z.B. unstrittig, dass das FM in Krankenhäusern sich von dem in Bankengebäuden drastisch unterscheidet. Unterscheiden sich aber auch FM-Leistungen in Büro­standorten von Banken und Ver­siche­rungen von denen in Verlagsgesell­schaften mit tagesaktuellen Medienprodukten? Durchaus. Denn allein die Bürostunden, die in einem solchen Gebäude abgebildet werden müssen, führen zu anderen Kapazitäten, Verbräuchen und Mitarbeiterbedürfnissen, die durch den Dienstleister bedient werden müssen. Zudem wird jeder Techniker zustimmen, dass ein Plus an Betriebsstunden, das ein Redaktionsbetrieb gegenüber einem Versicherungsbetrieb mit sich bringt, auch die Anzahl von Störereignissen an sonst möglicherweise vergleichbaren Anlagen und Einrichtungen steigen lässt und zu unterschiedlichen Arbeitsweisen und vor allem auch Budgetgrößen im FM führt.

Kapazitäten, Verbräuche und Mitarbeiterwünsche: All diese Anforderungen an ein Gebäude und dessen Betrieb unterscheiden sich je nach Nutzer. Viele Facility Manager nutzen dieses Spezialwissen bei der Auftragsvergabe aber nicht.

Und was interessiert den Auftraggeber am meisten, wenn er mit einem qualifizierten Dienstleister arbeitet? Die Kosten der Betriebsführung, die ihn erwarten, und die Frage, wie er diese optimieren kann, ohne seinen Nutzern weniger Verfügbarkeit, weniger Dienste und weniger Arbeitsfähigkeit zu liefern. In eine solche Betrachtung der Aufwendungen gehört neben den „normalen“ Bewirtschaftungskosten auch ein typisches Umzugs- und Umbauverhalten. Natürlich kann man hier nicht einfach den einen Kunden mit einem anderen gleichsetzen. Doch lassen typische Änderungsgeschwindigkeiten einer Branche auch hier Rückschlüsse zu, die der Dienstleister in sein Konzept und seine Prognose von Aufwendungen einbeziehen sollte. Denn jeder Dienstleister bringt seinem ganz speziellen Kunden einen Mehrwert, wenn er die typischen Verhaltensweisen und Aufwendungen branchen- und nutzungsgleicher Gebäude als Benchmark heranziehen und diese gezielt auf die etwas anderen Prozesse des aktuellen Kunden zuschneiden kann.

Aber dieses Beispiel innerhalb des Clusters Bürogebäude soll nur verdeutlichen, was gegenüber anderen Branchen und deren typischer Immobilien- und Standortstruktur noch viel augenfälliger wird. Jeder von uns kennt z.B. Shops und Einkaufszentren.

Aber die wenigsten machen sich die Unterschiede zwischen Shoppingcentern, Stand-alone-Standorten, Fachmarktagglomerationen und Fachmarktzentren bewusst. Die baulichen Gegebenheiten entsprechen in der Regel den typisch unterschiedlichen Anforderungen des jeweiligen Handelsimmobilientyps und mit diesen baulichen Unterschieden ergeben sich auch typische Unterschiede in den Betriebsprozessen und dem damit verbundenen Aufwand. Darüber hinaus sind auch die „begleitenden“ Maßnahmen für die Mieter in den Einrichtungen unterschiedlich intensiv. Die Aufenthalts- und Erlebnisqualität, die den Käufern geboten werden soll, unterscheidet sich deutlich und führt demzufolge zu voneinander abweichenden Aufgaben und Aufwendungen im jeweiligen Center.

Nun könnte man anmerken, der Auftraggeber werde dies ja in seiner Ausschreibung für die FM-Leistungen entsprechend differenziert beschreiben und sich der Dienstleister der Anfrage stellen. Im Vergleich einer repräsentativen Anzahl von Centern und deren Angeboten für die Komplettbewirtschaftung stellte sich jedoch heraus, dass sogar Dienstleister, die bis zur Neuausschreibung in Teilleistungen im Center aktiv waren, ihre vorhandenen Erfahrungen nicht in eine Angebotssituation eingebracht haben und dem Kunden somit einen Mehrwert in der Zusammenarbeit auch nicht erläutern konnten.

Dabei ist es doch eigentlich gar nicht so schwer zu erkennen, dass der eingesetzte Mitarbeiter, der morgens das Center öffnet, auch gleichzeitig technische Sach­verhalte verantworten kann, weil seine „Sicherheitsleistung Schließgang“ ja nun einmal nur zehn Minuten braucht und er dann seiner eigentlichen Aufgabe als Haustechniker im Objekt nachkommen kann. Es braucht auch keine Doktorarbeit, um zu erkennen, dass man ein Angebot zu erforderlichem Aufwand nicht qualifiziert abgeben kann, wenn der Auftraggeber keine Anlageninformationen oder -mengen liefern kann. Wenn er es aber qualifiziert liefert, dann sollten die erforderlichen Arbeiten dazu auch plausibel sein, und wenn der Dienstleister das Objekt bereits bewirtschaftet hat, dann sollte er die Anlagen unter Umständen besser kennen als sein Kunde.

Stattdessen stellen sich Fragen, wie:

Hätten Sie den Kunden nicht darauf aufmerksam machen können, dass dieser einen Aufzug in der Ausschreibung vergessen hat? Liegt das an schlechter Vertriebsarbeit, Spartendenken oder an einem formalen Herangehen an Kalkulationen?

Wenn der Dienstleister dagegen noch Erfahrungen aus weiteren vergleichbaren Immobilienbetreuungen heranziehen kann, kann er hiermit gesicherte Ansätze für Entwicklungspotenzial glaubhaft anbieten und sich im Wett­bewerb qualifizieren.

Es ist ein Grundsatz-Problem der FM-Branche, in jedem Angebot für den Kunden das Rad neu zu erfinden. Und es ist eine Grundsatz-Schwäche der Branche, nach Benchmark-Reports zu schreien und die eigenen Erfahrungen (Benchmarks) nicht selbst systematisch wahrzunehmen, zu bewerten und somit dem Kunden zugänglich zu machen. Schließlich ist es ein Organisationsproblem der FM-Dienstleister, in Sparten oder regional gebunden ihr Fachwissen zu führen, es aber nicht beim Kunden prozessual zu bündeln. Die Kunden fordern dies aber nachdrücklich – sie nennen das Optimierung oder Innovation im Auftrag. Kunden erwarten diese systematische Übermittlung von Erfahrungswerten aus anderen, vergleichbaren Projekten, die der Dienstleister betreut. Und diese Übertragung von Erfahrungswerten ist ja auch eigentlich der Motivator arbeitsteiliger Prozesse in der Wirtschaft und kann in diesem Zusammenhang aus der geschilderten Situation heraus ein Alleinstellungsmerkmal für den Auftragnehmer darstellen.

Nun wird keiner der Dienstleister, auch nicht die ganz großen, in der Lage sein, für jedweden Anwendungsfall dieses Tiefen-Know-how in den Kundenprozessen mit der systematischen Aufarbeitung der eigenen Aufgaben, Rahmenbedingungen und Arbeitsweisen bei allen Kunden so zu verbinden, dass er für jedwede Branche im Markt eine zugeschnittene und optimierte Arbeitsweise anbieten kann. Doch genau darin liegt eigentlich auch wieder die Chance für den FM-Markt. Wirkliche Kompetenz und spezielle Lösungen kauft man eben auch nicht in der Ramschkiste. Wer nachhaltigen Mehrwert für seine Unterstützungsprozesse einkaufen will, sollte sich an Spezialisten halten. Die kosten dann zwar etwas mehr, bringen aber auch mehr Effekt. Beim Dienstleister findet ein Forschungs- und Entwicklungsprozess statt, der finanziert und mit Ressourcen bestückt werden muss, um für den nächsten Auftrag im gleichen Leistungsumfeld das gesammelte Firmenwissen zur Verfügung zu haben und dem Kunden in seinem ganz speziellen Standort anbieten zu können.

Leider steht bei den Kunden der Preiswettbewerb noch vor dem Mehrwert-Wettbewerb. Auch bei den Dienstleistern ist noch kein breites „Spezialistentum“ erkennbar. Erste Bewegungen in diese Richtung lassen aber hoffen, dass der Markt zumindest in den Gebäuden, die einen Wertbeitrag zum Kerngeschäft des Kunden leisten, immer mehr „wissende Dienstleister“ fordert, die auch in der Lage sind, ihre Erfahrungswerte gezielt in den jeweiligen Auftrag einzubringen. Dienstleister befassen sich verstärkt mit der Produktentwicklung, also der systematischen Aufarbeitung von Branchenerfahrungen an der Schnittstelle zum Kerngeschäft. Und das wird unweigerlich dazu führen, dass die Schnittstellen in der Arbeitsteilung noch näher an das Kerngeschäft des Kunden heranreichen. Denn je weiter weg vom eigentlichen Nutzerprozess die Facility Management-Leistungen erbracht werden, umso austauschbarer und weniger speziell sind sie. Und dann wäre FM doch gleich FM, egal ob im Krankenhaus, im Center oder im Verlagsgebäude.

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