Qualitätsmerkmal eines FM-gerechten Bauprojektes

Gute Datenlage in Bau und Betrieb

Einen wichtigen Erfolgsfaktor für die Inbetriebnahme eines Gebäudes und den künftigen Gebäudebetrieb stellt eine vollständige und adressatenorientierte Bestandsdokumentation dar. Sie ist nicht nur ein Leistungsbestandteil von Planern und ausführenden Firmen, sondern vielmehr das Hilfsmittel, um von Betreiberseite aus die Inbetriebnahme fundiert begleiten zu können und ein Muss, um die Betreiberverantwortung zu übernehmen.

Darüber hinaus bildet die Bestandsdokumentation die Grundlage für die Erstellung einer notwendigen betrieblichen Dokumentation z.B. in Form eines Betriebs- und Objekthandbuches. Relevante Schritte zur Erreichung dieses Ziels werden im Folgenden aufgezeigt und eine Umsetzung am Beispiel des Bauvorhabens Opern Plaza von Aug. Prien Immobi­lien in Hamburg dargestellt.

Damit die FM-Leistungen in der Betriebsphase erfüllt werden können, ist es wichtig, dass Daten und Dokumente aus dem Bauprojekt aktuell und aussagekräftig zur Verfügung gestellt werden. Leider wird bis heute die Bestandsdokumentation wenig professionell behandelt und erst lange nach der Abnahme übergeben. Betreiber aber auch Nutzer tappen deshalb häufig im Dunkeln, wenn es um die Funktionalitäten, die Bedienung und die Steuerung des Gebäudes geht. Nicht selten fehlen gewerkeübergreifende Funktionsbeschreibungen ­völlig in den Revisionsunterlagen. Doch wie ist das Daten- und Dokumentenmanagement im Bauprozess zu organisieren? Welche Unterlagen sind für die ­Inbetriebnahmephase und für den ­Gebäudebetrieb wirklich relevant?

Entwicklung von Richtlinien zur Bestandsdokumentation

Der wichtigste Schritt zu einer anforderungsgerechten Bestandsdokumentation sind klare Vorgaben zu Form und Inhalt. Hierzu eignet sich eine Richtlinie, die Vertragsbestandteil mit Architekten und Fachplanern sowie ausführenden Firmen ist und durch den Bauherrn rechtzeitig vor Dokumentenerstellung geschult wird.

Zu definieren sind die Anforderungen an die Dokumentation der baulichen und technischen Gewerke in Bezug auf den planer- und gewerkespezifischen Umfang, die Art der Abgabe, z.B. Papier- und EDV-Form sowie formale Aspekte wie Dateibezeichnung und Register- bzw. Ordnerstrukturen.

Zusätzliche Regelungen sind für CAD-Pläne zu schaffen: Austauschformate, ­Layerstrukturen, Zeichenparameter sowie Inhalte von Raumstempeln um nur einige Aspekte zu nennen.

Diese Vorgaben sind umso wichtiger, wenn ein CAFM-System für die Unterstützung des Facility Managements zum Einsatz kommen soll. Ist der Nutzungsumfang des CAFM-Systems bereits bekannt, ist es sinnvoll Vorlagedateien z B. für Anlagen- und Türlisten mitzuliefern, um alphanumerische Daten direkt in das System importieren zu können. Ebenfalls betrieblich von großer Bedeutung ist die Umsetzung einheitlicher Anlagen-, Raum- und Türbezeichnungen. Die Anlagenkennzeichnung sollte identisch mit der GLT-Adressierung und damit durchgängig von der Anlage bis zum Sensor sein.

Es ist zu fordern, dass die Anwendung bereits ab der ­Planung erfolgt und somit auf allen Plänen, Schemata, Beschilderungen auf den Anlagen und als Darstellung auf der GLT mitgeführt wird. Raumbezeichnungen sind so zu wählen, dass Gebäudeteil, Stockwerk und Flächenart in der Bezeichnung ­abgebildet werden. Die Raumbezeichnung ist als Teil der ­Tür­bezeichnung mitzuführen.

Die Einhaltung der Vorgaben aus der Richtlinie zur Bestandsdokumentation ist bereits frühzeitig durch begleitende Kontrollen zu prüfen. Für ausführende Gewer­ke hat sich beispielsweise die Einforderung einer Musterdokumentation bewährt. Auch die Einbindung des künftigen Betreibers in den Prüfablauf stellt ­sicher, dass aus betrieblicher Sicht alle Dokumente vollständig ­abgeliefert werden.

Die Abgabe relevanter Teile der Bestandsdokumentation sollten bereits zur Inbetriebnahme des Gebäudes terminiert ­werden. ­Bereits zum Probebetrieb sind Dokumente wie Schaltpläne, Funktions- und Anlagenbeschreibungen, Zulassungsbescheide und Funktionsprüfungsprotokolle einzufordern. Zwingend ist die vollständige Übergabe der Bestandsdokumentation vor Abnahme des Gebäudes.

Bewirtschaftungsgerechte Dokumentation

In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Betreiber die umfangreiche Bestandsdokumentation nicht ausreichend nutzen können und eine adressatengerechte Aufbereitung der Informationen fehlt. Aus Betreibersicht werden zum einen Dokumente, die für die Übernahme und Umsetzung der Betreiberverantwor­tung und zum anderen Informatio­nen, die für die Einregelung und effiziente Steuerung des Gebäudes erforderlich sind, benötigt.

Einen ersten Ansatz definiert GEFMA, die in der Richtlinie 190 „Betreiber­verantwortung“ die Erstellung eines ­Betriebs- und Objekthandbuches ­vorschlägt. Neben Betriebs-, Inspektions- und ­Wartungsanweisungen, Flucht- und ­Rettungsplänen, etc. muss im Objekthandbuch die einzubindende Bestandsdokumentation beispielsweise darüber Aufschluss geben, welche prüf- und überwachungsbedürftigen Einrichtungen und Anlagen im Gebäude vorhanden sind. Im Betriebshandbuch sind organisationsbezogene Unterlagen durch den Betreiber zu ergänzen. Dies sind beispielsweise Aufbauorganisation und Prozessabläufe, aber auch fortlaufende Aufzeichnungen, wann welche Gefährdungsbeurteilungen und Prüfungen mit welchem Ergebnis durchgeführt wurden (GEFMA 190). Detaillierte Inhalte können der GEFMA 190, Anhang C.2 Checkliste für die Übernahme einer Betreiberverantwortung und C.3 Betriebs-/Objekthandbuch entnommen werden.

 

Daten- und Dokumentenmanagement beim Bauvorhaben Opern Plaza

Die Aug. Prien Immobilien realisiert an der Dammtorstraße ein Büro- und Geschäftshaus mit rund 19.000 m² oberirdischer Bruttogeschossfläche in einem hochwertigen städtischen Umfeld. Das Gebäude wird 2012 fertiggestellt sein. Generalunternehmer ist Aug. Prien ­Bauunternehmung. Mit dem Ziel einer Zertifizierung nach dem Gütesiegel der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) in Gold sollen Flächen entstehen, die einem überdurchschnittlichen Stand in puncto Gesundheit und Komfort sowie ökologischer und öko­nomischer Nachhaltigkeit entsprechen.

„Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Zertifizierung ist für uns die Prozessqualität“, sagt Bernd Saar, Projektleiter von Aug. Prien Immobi­lien. „Wir wollen nicht nur für die Planungs- und Bauphase, sondern auch für den künftigen Betrieb die notwendigen Voraussetzungen schaffen, dass Daten und Dokumente anforderungsgerecht zur Verfügung stehen.“

Zur Erreichung dieses Ziels wird der Datenaustausch über eine Projektplattform abgewickelt. Die Anforderungen an die Planungsdokumente sowie die Bestandsdokumentation hinsichtlich Struktur, Umfang, Format und Bezeichnung sind in einer Richtlinie geregelt, die Vertragsbestandteil aller Beteiligten ist. Bezüglich CAD, Anlagen- und Raumkennzeichnung wurden die Rahmenbedingungen festgelegt, nach denen die Planenden projektspezifische Vorgaben erarbeiteten, die Maßgabe für die Ausführung sind.

„Bereits bei der Erstellung der Dokumentationsrichtlinie haben wir gemeinsam mit der Aug. Prien Bauunternehmung definiert, welche Dokumente für die Inbetriebnahme und den künftigen Betrieb notwendig sind“, erläutert Bernd Saar. Werner Austermann, Abteilungs­leiter Schlüsselfertiges Bauen bei Aug. Prien Bauunternehmung ergänzt: „Wir als Bauunternehmung haben häufig mit ungerechtfertigten Mängelmeldungen durch falsche Bedienung der Betreiber und Nutzer, Fehleinstellungen an der Gebäudeleittechnik und nicht durchgeführte Wartungen und Reinigungen zu tun. Uns schwebte die Erstellung einer Bedienungsanleitung für das Gebäude vor, so wie es Kunden beispielsweise bei einem Auto gewohnt sind.“

Gemeinsam wurde eine Struktur für die Dokumentation erarbeitet (siehe auch Abbildung), die für alle am Prozess Beteiligten die notwendigen Informationen beinhaltet. Der Eigentümer erhält eine gewerkeorientierte Bestandsdokumen­tation in EDV- und Papierform. Über­geordnete Informationen wie z.B. die Baugenehmigung werden ergänzend ­gebündelt. Die Bestandsdokumentation bildet die Grundlage für das Objekthandbuch, welches dem zukünftigen FM-Dienstleister zur Verfügung gestellt wird. Dieses beinhaltet neben einem Gebäudesteckbrief, handhabbaren Gebäudeübersichtsplänen und Flächen auch alle notwendigen Informationen zur Steuerungskonzeption der Haustechnik, Bedienung und Wartung sowie Sicherheit und Reinigung. Auch der Nutzer erhält eine „Bedienungsanleitung“ für die Nutzung des Gebäudes mit Schwerpunkt auf den Büroräumlichkeiten. Erläutert werden die Bedienung des Sonnenschut­zes, das Verhalten im Sommer und Winter sowie die Beleuchtungssteuerung. Zusätzlich bekommt der Nutzer Informa­tionen zum Zutritt, zu den Stellplätzen und zur Fluchtwegsituation. Der Mieter erhält je nach Verantwortungsschnittstelle zum Eigentümer und Betrei­ber ­zusätzlich Teile des Objekthandbu­ches.

„Aus unserer Sicht entsteht für alle Beteiligten eine Win-Win Situation bei einem durchgängigen Daten- und Dokumentenmanagement“, sagt Bernd Saar. „Für uns als Projektentwickler bestehen im Falle einer Veräußerung des Gebäudes klare Verkaufsargumente, der Eigentümer verfügt über eine strukturierte, vollständige Bestandsdokumentation und kann durch das Objekthandbuch von einer sehr gut begleiteten Inbetriebnahmephase durch den Betreiber ausgehen. Dieser hat die notwendigen Grundlagen zur Übernahme der Betreiberverantwortung und kann von Beginn an das Gebäude effizient betreiben. Mieter und Nutzer bekommen Hilfestellung zur Bedienung ihrer Räumlichkeiten, so dass Nutzerbeschwerden reduziert und Fehlbedienungen minimiert werden können. Dieser Punkt wird sich auf die Verminderung nicht gerechtfertigter Mängelmeldungen bei unserem ­Generalunternehmer auswirken.“

 

Ausblick

Ein durchgängiges und anforderungs­gerechtes Daten- und Dokumentenmanagement in Bauprojekten ist bis heute nicht selbstverständlich. Standards, welche die erforderlichen Dokumente für die Inbetriebnahme und den Betrieb strukturieren, bestehen bis heute nicht. Bei Bauprojekten mit einem baubegleitenden Facility Management werden meistens individuelle Lösungen erarbeitet. Dass in diesem Punkt Handlungsbedarf besteht, hat auch die IFMA Schweiz erkannt. Der Berufsverband wird noch in diesem Jahr das Projekt „Bewirtschaftungsgerechte Dokumentation“ starten. Das Ziel wird sein, Umfang, Inhalte und Formate zu definieren und dabei den Fokus insbesondere auf den Übergang zwischen Bau und Betrieb zu legen. Ein praxisorientierter Leitfaden kann voraussichtlich Ende 2012 erwartet werden.

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