Modernisierte Gebäudetechnik am Universitätsklinikum Tübingen sorgt für erhebliche Kostenreduktion

Einspar-Contracting für Labor-Bestandsgebäude

Das aus den 1980er Jahren stammende Gebäude des Zell- und molekularbiologischen Labors (ZMF) des Universitätsklinikums Tübingen sollte instandgesetzt und die für die aktuelle Nutzung nicht mehr zugeschnittene Anlagentechnik an neue Anforderungen angepasst werden. Zu diesem Zweck entschieden sich die Verantwortlichen, die Erstellung einer Gebäudeanalyse und eines Modernisierungskozepts sowie mit dessen Umsetzung auszuschreiben.

Die Analyse des Unternehmens Sauter FM, das die den Zuschlag erhielt, ergab bei den Energiekosten ein deutliches Einsparpotenzial von 27 % sowie von bis zu 172 t beim CO2-Verbrauch. Um diese Werte in der Praxis zu erzielen, starteten im Herbst 2016 die Umbaumaßnahmen, so dass die Heizungs-, Lüftungs- und Regelungstechnik mit der Inbetriebnahme im Frühjahr 2017 genau auf die jetzigen und zukünftigen Bedürfnisse des Labors zugeschnitten waren: Vorhandene Luft­kanäle wurden abgeändert, zusätzliche Komponenten für MSR-Technik installiert, nicht mehr benötigte Abluftanlagen stillgelegt sowie eine integrale Raum­automation nachgerüstet. Um die Sicherheit der Labornutzer zu verbessern, stattete Sauter die Laborabzüge mit einer visuellen sowie akustischen Alarmierung aus. Nach dem ersten Betriebsjahr wurde das Einsparziel bereits übertroffen, die Wärmebereitstellung erzielte ebenfalls deutliche Einsparungen, weitere Optimierungspotentiale werden derzeit ausgelotet.

Das ZMF ist ein an der Radiologischen Universitätsklinik Tübingen angesiedeltes Forschungslabor, das sich schwerpunktmäßig unter anderem mit dem Thema MR-Safety, also mit der Wirkung von Magnetfeldern und Hochfrequenz auf humane Zellen, auseinandersetzt. Die Einrichtung ist in einem Laborgebäude in der Waldhörnlestraße beheimatet, das bereits 1987 erbaut wurde und über die Zeit verschiedene Nutzungen erfahren hat. „Ursprünglich ist es von der CIBA Geigy GmbH aus Wehr/Baden als Pharmagebäude mit Laborräumen erbaut worden. Damals eingerichtete Teilbereiche wie Röntgen-, Isotopen- und Abklingräume werden in der vorgesehenen Form schon lange nicht mehr genutzt“, so Jörg Lichtenberger, Teamleiter Energiemanagement Technisches Betriebsamt (tba) Univer-sitätsklinikum Tübingen. „Die technischen Anlagen sind daran allerdings nicht angepasst worden, was einen erheblichen und unnötigen Mehrverbrauch an Energie zur Folge hatte.“ Um das Haus an steigende Anforderungen – auch hinsichtlich der Energieeffizienz – anzupassen, wurde ein Teil der Laborräume bereits 2006 modernisiert. Dabei wurde die Wärmeerzeugung durch die Installation eines neuen Brennwertkessels erneuert sowie die Regelung von Erzeugung und Wärmeverteiler an den aktuellen Stand der Technik angepasst.

Ende 2013 entschieden sich die Verantwortlichen, auch die Laborräume im Obergeschoss und die für diese Bereiche zuständige Raumlufttechnik umfassend zu sanieren. Dies war dringend notwendig, da beispielsweise die zentralen raumlufttechnischen Anlagen für die Büro-, Aufenthalts- und Sanitärbereiche technisch sehr veraltet waren. Sie verfügten unter anderem noch über Ventilatoren aus den 1980er-Jahren, deren Regelung sich auf Ein- und Ausschalten beschränkte und keinen Fernzugriff ermöglichte. Zudem war in den Labor- und Büroräumen keinerlei Regelungstechnik vorhanden, um die Umsetzung eines Absenkbetriebs realisieren zu können, so dass die Anlagen immer auf Volllast gefahren wurden oder ausgeschaltet waren. „Nur ein Teil der technischen Anlagen im Haus war mit der Modernisierung vor etwa zehn Jahren auf das übergeordnete Gebäudemanagement aufgeschaltet worden. Dies sollte nun für alle verbleibenden Anlagen nachgeholt werden“, ergänzt Lichtenberger. „Weitere wesentliche Ziele unseres Instandsetzungsprojekts waren neben einer deutlichen Reduktion des Energiebedarfs auch eine erhöhte Zuverlässigkeit der Anlagentechnik sowie deren bessere Bedienbarkeit für Nutzer und Betreiber mittels Fernzugriff, -diagnose und Alarmierung.“

Modernisierungskonzept für Gebäudetechnik

Um dies optimal umzusetzen, wurde Sauter FM zunächst damit beauftragt, ein umfassendes Modernisierungskonzept zu erstellen. „Wir haben zu diesem Zweck zuerst den Energieverbrauch der Vergangenheit, die aktuelle Nutzung und die vorhandene Gebäudetechnik analysiert“, erklärt Claudius Reiser, Produktmanager Energieeffizienzmaßnahmen bei Sauter. Ausgehend von einer Nutzerumfrage und den Anforderungen des ZMF an die Klimatisierung und die Einsatzmöglichkeiten moderner Anlagen- und Regelungstechnik wurde der zukünftige Energieverbrauch abgeschätzt und daraus die Einsparung ermittelt. „Die Analyse ergab, dass Investitionen in die Heizungs-, Lüftungs- und Regelungstechnik eine Verbrauchsreduktion in Höhe von 27 % sowie von bis zu 172 t weniger an CO2 ergeben würden“, erläutert Reiser. „Eine Investition in die Kältetechnik war laut unserer Untersuchung nicht erforderlich.“

Die Einsparungen sollten gemäß der Analyse durch die Anpassung der Technik an den tatsächlichen Bedarf erzielt werden, kombiniert mit einer variablen benutzerfreundlichen Regelung. Diese schließt auch ein, dass sich Änderungen am Betrieb zukünftig mit der Regelung einfach nachführen lassen. Die für das ZMF zur Verfügung stehende Technik wäre somit variabler und flexibler für mögliche Umnutzungen oder bauliche Veränderungen einsetzbar. Dieses Konzept überzeugte die Verantwortlichen des Universitätsklinikums Tübingen: Nach eingehender Überprüfung sollte der Vorschlag umgesetzt werden - mit einer kleinen Anpassung. „Die Luftführung in den Kühlschrankräumen sollte derart geändert werden, dass die Wärmeabführung strömungstechnisch verbessert wird. Ansonsten konnte das Konzept im Rahmen eines Einspar-Contractings wie vorgeschlagen realisiert werden“, bestätigt Reiser. So wurden in der Umsetzungsphase beispielsweise deutliche Änderungen an der Luftversorgung im Erd- und Untergeschoss vorgenommen. Kanalführung und Luftmengen wurden an die aktuellen Bedürfnisse angepasst und in der Zwischendecke neu verlegt. In Kombination mit variablen Ventilatoren ließ sich allein dabei ein deutlicher Einspareffekt erzielen. „Dabei wurden sowohl zusätzliche Regelungsanlagen installiert als auch nicht mehr benötigte Anlagen – etwa für die Abluft – in großem Umfang stillgelegt“, so Reiser weiter.

Akustische und visuelle Alarmierung am Laborabzug

„Ein uns besonders wichtiges Anliegen war die Modernisierung der Laborabzüge im ZMF. Sie war notwendig, da es zuvor bei zu geringer Luftleistung am Abzug weder einen akustischen noch einen visuellen Alarm gegeben hatte“, erklärt Lichtenberger. Mit der eingesetzten Technik bestehend aus Laborabzugs-Funktionsanzeige und -Überwachung, ASV215-Antrieb, Volumenstromregler und verlinkten ecos500-Einheiten ändert sich das nun: Sobald mit der neuen Technik die durch den offenen Querschnitt des Laborabzugs eintretende Luft eine Geschwindigkeit von 0,3 m/s unterschreitet, erklingt ein Warnton. Dies ist der Fall, wenn das Fenster sehr weit geöffnet wird. Der Alarm kann vom Nutzer eigenverantwortlich quittiert werden, sofern vom Abzug keine Gefahr ausgeht und dieser nur vorbereitet wird, was ein weiteres Öffnen erlaubt.

Über die ebenfalls nachgerüstete integrale Raumautomation und elektrische Heizkörper-Stellantriebe kann das Klima vom Labornutzer komfortabel eingestellt werden. Besonderes Feature dabei ist, dass der erhöhte Luftwechsel im Laborbereich vom Nutzer angefragt und auch reduziert werden kann. „In Laborräumen allgemein aber speziell am Laborabzug ist ein hoher Luftwechsel Basis für ein sicheres Arbeiten. Im ZMF wird der Abzug aber häufig nicht benötigt, da viele Arbeiten am PC oder am Labortisch verrichtet werden“, so Reiser. „Die Luftmenge lässt sich während diesen Zeiten problemlos halbieren, wodurch gleichzeitig auch der Energieverbrauch um ein Viertel zurückgeht und Strömungsgeräusche sowie unnötiger Luftzug vermieden werden.“ Durch Präsenztaster, die sich sowohl auf die Lüftung als auch die Heizung auswirken, kann sich der Nutzer zudem abmelden, sobald er den Laborbereich vorzeitig verlässt. Das System wechselt dann deutlich früher in den Absenkbetrieb. Über die Präsenztaster kann auch am Wochenende Luft je nach Bedarf angefordert werden. Auf diese Weise sind die Anlagen nur dann in Betrieb, wenn sie tatsächlich benötigt werden.

Anbindung an die Universitätsklinikumsleitwarte

Darüber hinaus wurde die Regeltechnik der Heizungs- und Lüftungsanlagen mit dem Kontrollzentrum des Universitätsklinikums Tübingen verbunden. „Das ZMF-Gebäude liegt rund 6 km von der Leitwarte entfernt, abgeschieden in einem Gewerbegebiet. Ohne Fernzugriff musste das Personal bei jedem Anruf durch Nutzer oder den Hausmeister direkt vor Ort überprüfen, worin das technische Problem bestand“, so Reiser. Das bedeutete häufige Fahrten und einen hohen Zeitaufwand für die Behebung von Störungen.

Durch die remote-Anbindung kann das technische Problem nun vom Kontrollzentrum aus erfasst und eingegrenzt sowie zeitnah eine Lösung veranlasst werden. Zudem lassen sich Notwendigkeit und Dringlichkeit eines Einsatzes besser beurteilen.

Ende März 2018 war das erste Betriebsjahr nach der Modernisierung der Gebäudetechnik abgeschlossen, die geplante Verringerung der Energiekosten konnte erreicht werden, die Reduktion der CO2 – Emissionen belief sich auf 130 t. Eine detaillierte Auswertung der Ergebnisse zeigte jedoch auf, dass weitere Einsparungen möglich sind; vor allem im Bereich der Wärmeerzeugung und -bereitstellung. Um diese zu optimieren, wurden im Juli 2018 mobile Energiezähler installiert, deren Monitoringdaten als Basis für weitere Maßnahmen dienen sollen. „Die prognostizierte Laufzeit des Einspar-Contractings liegt bei 7,2 Jahren – in Abhängigkeit von den Fortschritten bei der Zielerreichung. Das gute Ergebnis für das Jahr 2017 zeigt, dass wir dafür auf einem guten Kurs sind“, resümiert Reiser.

Universitätsklinikum Tübingen

Das 1805 gegründete Universitätsklinikum Tübingen gehört zu den Zentren der Hochschulmedizin in Deutschland und umfasst 17 Kliniken, 12 Institute der mittelbaren Krankenversorgung sowie 15 fächerübergreifende Zentren. Als Haus der Maximalversorgung fungiert es nicht nur als Kreiskrankenhaus für Stadt und Landkreis Tübingen, sondern hat ein Einzugsgebiet vom Ballungsraum Mittlerer Neckar bis an den Bodensee. Das Universitätsklinikum verfügt über 1577 Betten (einschließlich der Tagesklinikplätze) und nimmt jährlich etwa 73.969 voll- und teilstationäre sowie circa 366.751 ambulante Patienten auf. Das Zell- und molekularbiologische Labor (ZMF) ist ein an der Radiologischen Universitätsklinik Tübingen angesiedeltes Forschungslabor mit folgenden Schwerpunkten:

– Auswirkungen der Beladungen mit eisenhaltigen MR-Kontrastmitteln auf die Funk-tionalität humaner adulter mesenchymaler Stammzellen

– Wirkung von MR-Kontrastmitteln auf das Wachstumsverhalten humaner Fibroblasten und Nabelschnur-Endothelzellen in vitro

– Kernspintomographische Visualisierung der Adhäsion eisenmarkierter endothelialer Progenitorzellen im in-vitro-Gefäßmodell

– MR-Safety: Wirkung von Magnetfeldern und Hochfrequenz auf humane Zellen

– Strategien zur selektiven Darstellung magnetisch markierter Zellen mittels MRT in verschiedenen Geweben

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