Durchgängige Kommunikation von der Planung über den Bau bis zur Nutzung

DIN SPEC 9155 5:
BIM und CAFM verbinden

Der Betrieb eines Gebäudes rückt leider auch heute oftmals noch nicht in den Fokus der Planung. Dabei gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die für eben diesen enorm wichtig sind und die Basis von grundlegenden Prozessen im Facility Management bilden. Planung und Bau haben durch Building Information Modeling (BIM) in vielen Belangen Brücken gebaut und über das modellorientierte Arbeiten durchgängige Prozesse und Workflows geschaffen, die in der Praxis auch funktionieren.

Die Informationen, die über Bauelemente zur Verfügung stehen, sind für Wartung und Nutzung allerdings nicht immer ausreichend. „Es sind in der Regel einfache Dinge, wie etwa die Breite einer Tür, die die CAFM-Welt braucht, damit Informationen aus der BIM-Planung direkt in die Wartung und Nutzung einfließen können und echte Mehrwerte bringen“, weiß Dr. Christof Duvenbeck, Prokurist der RIB IMS GmbH.

Grundlage für den ­Informationstransfer

Mit der Idee, genau diese Informationen frühzeitig in der Planung aufzugreifen und diese unmittelbar für die CAFM-Welt vorzubereiten, initiierte Dr. Duvenbeck im Jahr 2024 die DIN SPEC 91555[1]. Ziel des Konsortiums ist es, konkrete Klassen für Bauelemente inklusive der für den Gebäudebetrieb wichtigen Attribute zu definieren, diese auf ein Minimum herunterzubrechen und sie mit den für die CAFM-Seite entscheidenden Merkmalen auszustatten. Auf diese Weise können IFC-Daten gewonnen werden, die sich unmittelbar auf die CAFM-Seite mit allen relevanten Branchenspezifika transferieren lassen. Die Informationen werden so für beide Seiten konkret und es gibt keinen Spielraum für Interpretationen mehr. Voraussetzung ist das offene, herstellerunabhängige BIM-Datenformat IFC.

Das Konsortium für die DIN SPEC 91555 setzt sich aus verschiedenen Unternehmen und Organisationen aus den Bereichen Planung und Bauwirtschaft, Beschaffung, Maschinen- und Anlagenbau sowie CAFM zusammen. Auch Hochschulen, IT- und Softwareanbieter sowie Klassifizierer aus dem CAFM-Bereich und der Industrie leisten ihre Beiträge. Beteiligt sind unter anderem buildingSMART, federführende Organisation für den Datenaustausch im Baubereich, der BVBS (Bundesverband Software und Digitalisierung im Bauwesen), die gefma (German Facility Management Association), der Branchenverband für Facility Management in Deutschland, der CAFM Ring e.V., Verband für die Digitalisierung im Immobilienbetrieb, der VDMA, Spitzenorganisation des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland sowie der Verein Deutsche Ingenieure e.V. (VDI).

Die Basis der neuen DIN SPEC 91555

Die DIN SPEC 91555 muss sich dabei auf elementare Informationen begrenzen, die in alphanumerischer Form bereitgestellt werden. Es gibt aktuell insgesamt neun Klassen. Alle sind mit dem jeweiligen Mindestmaß an Attributen versehen. Für mehr Spezifikationen wurden insgesamt vier Ebenen für eine weitere Detaillierung der Attribute festgelegt. Dies ist immer abhängig von den jeweiligen Wartungsmaßnahmen, die im späteren Gebäudebetrieb durchgeführt werden sollen. Entscheidend ist, bei einem Bauprojekt im Vorfeld exakt zu definieren, auf welchem dieser vier Levels die Informationen bereitgestellt werden sollen. Möglich ist es außerdem immer, weitere Inhalte im CAFM-System zu ergänzen, da beide Seiten, die BIM- genauso wie die CAFM-Welt, auf einer durchgängig objektorientierten Struktur basieren. Schließlich stehen Wartungsinformationen, wie beispielsweise Kostenstellen, Reinigungs- oder Mietflächen nicht immer schon in der Vorplanungs- bzw. Planungsphase in vollem Umfang zur Verfügung. So dient die DIN SPEC 91555 als konkreter Fahrplan, bestückt mit Inhalten, mit denen alle Projektbeteiligten – von der Planung über den Bau bis zur Nutzung – durchweg arbeiten können.

Mapping zwischen IFC- und ­CAFM-Welt

Ein einfaches Beispiel: In einem CAFM-System soll die Reinigung von Fenstern in einem Gebäude erfasst werden. Der vorausgegangene Fassadenplan kennt zwar jegliche Fenster und Türen des Gebäudes, jedoch nicht die einzelnen Räume, zu denen die jeweiligen Fenster zugehörig sind. Für die Glasreinigung der Fensterflächen braucht es im CAFM genau solche Attribute wie die entsprechende Raumzuordnung. Diese und ähnliche Informationen können zu einem späteren Zeitpunkt im CAFM-System hinzugefügt werden. Über die DIN SPEC 91555 lässt sich die Verbindung zwischen BIM- bzw. IFC- und CAFM-Welt und vice versa jederzeit über ein Mapping herstellen. Mit immerzu eindeutigen Informationen.

Standardkataloge aus Bau und Industrie

CAFM-seitig werden Klassifizierungen vielerlei Organisationen berücksichtigt. Darunter CAFM-Connect, DBD BIM, ECLASS, Omniclass sowie Uni­class und VDI 3805. Einige, wie DBD BIM von der Dr. Schiller und Partner GmbH waren immer schon in der Bauwelt angesiedelt. Andere, wie etwa ECLASS, sind aus Beschaffungskatalogen der Industrie hervorgegangen. Sie enthalten eine Vielzahl wichtiger Attributdaten für Wartungsmaßnahmen im Industriebau, etwa für die Automobil-, Elektro- oder chemische oder petrochemische Industrie. „Bis hin zu Entsorgungsinformationen für spezifische Schadstoffe sind in diesen Spezialkatalogen sämtliche Attribute und außerdem Preisinformationen enthalten“, erklärt Konsortialführer Dr. Duvenbeck. Eine Besonderheit von DBD BIM: Hierfür existieren bereits Plugins zu im Baubereich gängigen Autorensystemen. Anwender können außerdem ihre eigenen, im Unternehmen etablierten Informationen für Wartung und Nutzung ergänzen. Eine Möglichkeit offeriert hier die ebenfalls im Bausektor ansässige Organisation buildingSMART mit dem building­SMART Data Dictionary (bSDD). Via Browser können die eigenen Kataloge hochgeladen und anschließend eine IFC-Datei für das CAFM-Mapping erzeugt werden.

Zentrale Daten

Die NAMUR, Internationaler Verband der Anwender von Automatisierung und Digitalisierung der Prozessindustrie, setzt sich im Arbeitskreis 1.7 Prozessnahe Gebäudeautomation intensiv mit dem Thema Daten im Hochbau- und TGA-Bereich (Technische Gebäudeausstattung) auseinander. „Die Pharma- und Prozessindustrie baut nicht nur prozesstechnische Anlagen, sondern auch zahlreiche Labore und Reinräume. Deshalb ist es entscheidend, dass Informationen aus diesen Fachbereichen fester Bestandteil der NAMUR sind“, konstatiert Michael Göbel, Principal Expert Building Utilities bei der Bayer AG und Leiter des Arbeitskreises Prozessnahe Gebäudeautomation[2]. Eine Möglichkeit für eine komplett neue und vollkommen durchgängige sowie zentrale Datenhaltung im Bausektor liefert die NE 196 der NAMUR auf Grundlage der Industrie-4.0-Verwaltungsschale. Die NE 196 (NAMUR-Empfehlung) ist eine Grundlage, die aufgrund ihrer Möglichkeit zur Zusammenfassung (Zentralisierung) aller in der DIN SPEC 91555 aufgeführten Klassifikationen eine ideale Ergänzung darstellt.

Die Idee: Sämtliche, für Autorensysteme in Planung, Bau und Facility Management relevanten Informationen stehen in einer übergeordneten, standardisierten Verwaltungsschale für jedes Asset zur Verfügung. Unter anderem auch die Daten der DIN SPEC 91555 für die Autorensysteme des Facility Management. Die Daten werden in einem maschinenlesbaren Format bereitgestellt und stehen in Verbindung mit allen wichtigen Inhalten aus den unterschiedlichen Klassifizierungskatalogen, wie beispielsweise ECLASS und buildingSMART Data Dictionary (bsDD). Der Vorteil: Durch die Zentralisierung stehen die Informationen jederzeit bereit, auch für die Umnutzung von Gebäuden. Ein spannendes Konzept aus der Prozessindustrie, das sich vielleicht auch die Baubranche im Hinblick auf kreislaufgerechtes Bauen zunutze machen könnte.

Auf dem Weg zur Norm

Die Vorteile und konkreten Anwendungsfälle für die DIN SPEC 91555 hat das Konsortium im November 2024 im Zuge der BIM World Munich erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. „Auch in diesem Jahr wird es auf der internationalen Digitalisierungsplattform im Münchener ICM wieder interessante Neuerungen aus unseren Reihen zu entdecken geben“, berichtet Dr. Duvenbeck. „Die Tatsache, dass auch in der NAMUR-Empfehlung NE 196 die Zentralisierung, d.h. eine einheitliche und integrierte Verwaltung aller relevanter Daten in einem Gesamtsystem favorisiert wird, zeigt uns, dass der Zeitpunkt für einen übergreifenden Lösungsansatz gekommen ist. Gerade wegen der Möglichkeit, bestehende Klassifikationen mit einzubeziehen, hat die DIN SPEC 91555 das Zeug dazu, bald eine Norm zu werden und so eine echte Brücke zwischen der Planung und der Gebäudenutzung zu schlagen“, so Dr. Duvenbeck abschließend.

Nikita Kretschmar, Projektmanager BIM aus der Abteilung Strategische Themenentwicklung beim Deutschen Institut für Normung geht davon aus, dass eine entsprechende DIN-Norm bereits Ende 2026 stehen könnte, sofern das Konsortium in Kürze einen entsprechenden Normantrag stellt. „Die für gewöhnlich aufwändigen Prüfungen durch Expertinnen und Experten aus verschiedenen Gremien auf Bedarf und Sinnhaftigkeit könnten in diesem Fall deutlich verkürzt werden, denn die DIN SPEC 91555 existiert bereits. Gleichzeitig kann das Konsortium konkrete Anwendungsergebnisse vorweisen, die ebenfalls unmittelbar in die neue Norm einfließen würden. Im Fachbereich BIM gibt es insgesamt sechs Arbeitsausschüsse für das Thema digitales Planen und Bauen. Vermutlich wird der Arbeitsausschuss 6, Digitaler Zwilling, sich mit der Thematik einer durchgängigen, gemeinsamen Datenhaltung von der Planung über die Ausführung bis hin zur Nutzung und vice versa auseinandersetzen“, erklärt Kretschmar. Die BIM World Munich November wird zeigen, wie weit die Partner bis dahin sind und ob eine DIN 91555 mit ganz neuen Möglichkeiten für das Planen, Bauen und Betreiben bald Realität werde kann.

[1] https://www.din.de/de/forschung-und-innovation/din-spec/alle-geschaeftsplaene/­
wdc-beuth:din21:379168819
[2] https://www.namur.net/de/arbeitsfelder-und-projektgruppen/af-1-planung-und-errichtung/
ak-17-prozessnahe-gebaeudeautomation.html
x

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