Recruiting in der Immobilienwirtschaft

11.12.2017 - Aus Arbeitgebern werden Bewerber – und die Nachwuchskräfte entscheiden. Zugegeben, das ist eine gewagte These. Das Grundprinzip ist aber klar: Um geeignete Nachwuchskräfte zu gewinnen, müssen sich Arbeitgeber heute mehr denn je ins Zeug legen. Wie groß die Nachwuchssorgen tatsächlich sind und welche Maßnahmen sich besonders lohnen, haben Personalverantwortliche im Rahmen des HR-Kongresses „Practice meets Campus“ an der HAWK in Holzminden verraten.

 

In ihrem Bericht „Our changing the world: Let‘s be ready“ formuliert die Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) sechs Trends, die die Immobilienwirtschaft in Zukunft prägen werden. Einer dieser Trends ist der „War for talents“, der Kampf um die besten Nachwuchskräfte. Und der wird bereits mit einem Blick auf die Gästeliste des HR-Kongresses „Practice meets Campus“ deutlich: 20 namhafte Arbeitgeber, plus Warteliste.

 

Die Grenze von 20 Plätzen ist dabei selbst gesetzt. Organisatorin Prof. Dr. Susanne Ertle-Straub und ihr Team möchten jedem Unternehmen die Möglichkeit geben, sich in einem eigenen Raum der Hochschule zu präsentieren und gezielt Gespräche zu führen. Das Interesse der Unternehmen sprengt diese Grenze mittlerweile merklich: „Beachtlich ist, dass wir das Anmeldeverfahren für die November-Veranstaltung schon im Frühjahr beenden mussten“, berichtet Ertle-Straub. Für das kommende Jahr müsse sich das Organisationsteam gegebenenfalls über ein Losverfahren Gedanken machen.

 

 

Bereits zum vierten Mal hat sich die ECE (ca. 3.600 Mitarbeiter) an dem Format beteiligt. Für HR Manager Alexander Bartelt sind Karriereveranstaltungen wie „Practice meets Campus“ einer der Schwerpunkte im Recruiting. Die Bewerberzahlen seien nach wie vor gut. Allerdings habe sich das Verhalten der Bewerberinnen und Bewerber verändert, so Bartelt. „Man merkt, dass die Bewerber viele gute Angebote haben und sich deshalb auch hohe Ansprüche an den Arbeitgeber leisten können.“

 

Mit einer klassischen Stellenausschreibung lasse sich da nicht mehr viel bewegen. Der persönliche Kontakt bringe dem gegenüber gleich zwei Chancen mit sich, erklärt Bartelt: Auf der einen Seite könne sich der Arbeitgeber gezielt einer großen Zahl an Nachwuchskräften vorstellen. Auf der anderen Seite biete sich auch die Gelegenheit, Anforderungen an die Nachwuchskräfte, wie zum Beispiel die als Center Manager erforderliche räumliche Flexibilität, klar zu formulieren. „So finden wir am Ende die ‚Perlen‘, die wirklich gut zu uns passen.“

 

Für kleinere Unternehmen scheint dieses Prinzip noch stärker zu gelten. Prof. Kurt Dorn, Geschäftsführender Gesellschafter der Soleo GmbH (ca. 30 Mitarbeiter), sieht den Gewinn solcher Karriereveranstaltungen im Erstkontakt. Für jüngere bzw. kleinere Unternehmen ginge es neben der Profilierung ganz grundlegend um Bekanntheit. Not bei der Besetzung offener Stellen habe er nicht, der Konkurrenzkampf um die besten Nachwuchskräfte sei aber spürbar. „In den vergangenen eineinhalb Jahren haben wir unsere Bemühungen deutlich verstärkt.“

 

Worauf Dorn und sein Team besonders setzen: Sie begleiten und fördern Karrieren von Anfang an. Es sei keine Seltenheit, erzählt Dorn, dass der Start ins Unternehmen mit einem Schülerpraktikum beginne, mit der Ausbildung weitergehe und in kontinuierlicher Weiterbildung münde.

 

Eine dritte Perspektive auf das Thema Nachwuchsgewinnung eröffnet HR Managerin Margareta Rust. Ihr Arbeitgeber BEOS (ca. 160 Mitarbeiter) hat es geschafft, sich mit seiner Unternehmenskultur und einem Fokus auf die Arbeitswelt der Zukunft branchenweit einen Namen zu machen. Das Recruiting von Nachwuchskräften sei Teil der Kultur, erklärt Rust. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sei involviert und nicht mehr ausschließlich das HR Management.

 

Auch Rust plädiert für einen möglichst frühen Kontakt zu zukünftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: „Wir wissen, dass junge Talente es sich oft aussuchen können, welchen Arbeitgeber sie für ihren Berufseinstieg wählen.“ Wichtig sei deshalb zu schauen, wo die Talente herkommen und sich an den entsprechenden Hochschulen zu positionieren. Das Team von BEOS, so Rust, stelle sich unter anderem an den Hochschulen in Geislingen, Aschaffenburg und Holzminden sowie an der IREBS Immobilienakademie vor. Das IZ Karriereforum zähle ebenfalls zu den festen Terminen.

 

Mit der HAWK in Holzminden hat BEOS offensichtlich gute Erfahrungen gemacht. Zwei junge Kollegen, die beide an der HAWK Immobilienwirtschaft studiert haben, begleiten HR Managerin Rust zur Karriereveranstaltung. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den anderen Unternehmen. Insgesamt 15 Ehemalige sind als Botschafterinnen und Botschafter ihrer heutigen Arbeitgeber mitgereist.

 

 

Das Prinzip, die Nachwuchskräfte am Ort ihrer Ausbildung abzuholen und gezielt über Erwartungen und Wünsche beider Seiten zu sprechen, scheint also aufzugehen. Für HR Manager Alexander Bartelt (ECE) ist dies allerdings nicht der einzige Trend im Recruiting. Auch im Bewerbungsprozess müsse über Anpassungen nachgedacht werden. Bartelts Idee: „Vielleicht gibt es in der Arbeitswelt der Zukunft ja nur noch ein Formular, in dem man auf das persönliche Profil bei LinkedIn oder Xing verweist.“

 

Dass sich die Rollen von Arbeitgebern und Nachwuchskräften letzten Endes vollständig umkehren, ist damit nicht gesagt. „Augenhöhe“ könnte das passendere Stichwort sein. In diese Richtung argumentiert HR Managerin Rust: „Auch wir als Arbeitgeber müssen uns bewerben.“

Hintergrund:

Seit 1999 bietet die HAWK am Standort Holzminden immobilienwirtschaftliche Studiengänge an. Der Bachelor Immobilienwirtschaft und -management sowie der Master Immobilienmanagement zählen derzeit mehr als 550 Studierende. Der Personalmanagement-Kongress „Practice meets Campus“ bietet seit 2014 immer im November Unternehmensvertreterinnen und -vertretern sowie Studierenden die Gelegenheit, einander kennenzulernen und über Einstiegsmöglichkeiten zu sprechen. Den Auftakt des Kongresses bildet ein Vortrag zu einem aktuellen Thema der Immobilienwirtschaft. Zu Beginn der diesjährigen Veranstaltung gab Executive Coach Dr. Wolfgang Walter „Impulse zur nachhaltigen Selbstführung“.  
2017 haben sich vorgestellt: Aengevelt Immobilien, Alstria Office, BEOS, BNP Paribas Real Estate Holding, Cushman & Wakefield, Deka Immobilien, Deloitte Consulting, Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank, Deutsche Hypothekenbank, Deutsche Immobilien Gruppe, ECE Projektmanagement, Edeka, Jones Lang LaSalle, Kaufland Dienstleistung, Nord Project Immobilien und Beteiligungsgesellschaft, Soleo, SPIE, STRABAG, Union Asset Management Holding, Value AG sowie die Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung (gif) e.V. mit einem Infostand. Weitere Förderer waren: Immobilienzeitung, Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS), Westfalen Weser Energie.

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 06/2009

Immobilienwirtschaftliche Forschung

Dieser Band enthält 13 aktuelle Beiträge zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis. Hier werden die besten Abschlussarbeiten des CUREM Real Estate Masterstudienganges aus dem Jahre 2008...

mehr

IREBS Immobilienakademie: neuer Studiengang ‚Real Estate Transaction Management‘

Ab Mai können sich Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Investition, Finanzierung, Fondsmanagement, Projektentwicklung und Immobilienberatung sowie Quereinsteiger erstmals zum Real Estate...

mehr

GIG Unternehmensgruppe will integriertes Immobilienmanagement ausbauen

04.10.2017 - Die Berliner GIG Unternehmensgruppe will sich zum Innovationsführer für eine integrierte und digitale Immobilien-Management-Plattform entwickeln. Hierzu hat das Unternehmen die...

mehr
Ausgabe 03/2024 Whitepaper GEFMA 929

Wie Künstliche Intelligenz das Immobilien­management transformiert

Das neue Whitepaper GEFMA 929 „KI im Immobilienmanagement“ nimmt die aktuelle Bedeutung von KI in der Immobilienwirtschaft und dem FM unter die Lupe und bietet Hilfestellung dazu, wie sich die...

mehr
Ausgabe 04/2017 19. bis 20. September 2017 in Düsseldorf

SAP-Forum für die Immobilienwirtschaft

Neue Wohn- und Arbeitswelten, ein neues Nutzungsverhalten und die digitale Neuausrichtung in der Immobilienwirtschaft erfordern einen hohen Grad der Vernetzung zwischen Menschen, Gebäuden und...

mehr