Frugal Real Estate

Weniger ist mehr: Vereinfachung, Verzicht – und große Chancen für die Immobilienwirtschaft

„Frugal Real Estate – das ist ein durchaus sperriger Begriff“. Mit dieser ehrlichen Aussage eröffnete Moderator Prof. Dr. Thomas Glatte – Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Fresenius Heidelberg und als Vorstandsmitglied von CoreNet Global (CNG) Central Europe für Aus- und Weiterbildung zuständig – den 38. Mastertalk von CNG. Und betonte gleichzeitig, was ihm am Veranstaltungstitel gefällt und eingängig wirkt: „Mit weniger mehr!“ Denn das Thema dahinter ist nicht nur hochaktuell, sondern für alle verständlich: Weniger Fläche, weniger Komplexität, weniger Material bei Immobilien – dafür mehr Zufriedenheit, Wirtschaftlichkeit und Gemeinwohl.

Prof. Dr. Marion Peyinghaus (Geschäftsführerin Competence Center Process Management Real Estate GmbH, CCPMRE, und Professorin für Immobilien Management und Projektentwicklung an der hochschule 21, Buxtehude) und Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner (ebenfalls Geschäftsführerin des CCPMRE und Professorin für Facility Management an der HTW Berlin) führten mit den Ergebnissen des aktuellen PMRE Monitors 2025 in das Thema ein. Er stand diesmal unter dem Titel „Frugal Real Estate – Mit weniger mehr! Vereinfachung von Immobilien und die Komplexitätsreduktion von Unternehmen der Immobilienwirtschaft.“ Begleitet wurden sie von dem Moderatoren-Duo – neben Glatte der Branchenkenner Peter Prischl.

Der Monitor basiert auf einer breit angelegten Befragung: 357 Fach- und Führungskräfte aus der Immobilienwirtschaft der DACH-Region, 132 Vertreter der Generation Z – sowie 23 Immobilienprofis aus China. Ein internationaler Blick auf das „Weniger“, der im Laufe des Talks noch für einige Aha-Momente sorgen sollte.

Die Suche nach dem Wesentlichen

Zeitner eröffnete die Erkundung des Frugalen mit einem markanten Vergleich: dem höhenverstellbaren Bürotisch mit Handkurbel. Weniger Technik, weniger Fehlerquellen – und mehr körperliche Betätigung. Ein Symbol für das, was der Immobilienbranche bevorsteht, möchte sie vom sinnbildlichen High-End-Tisch wegkommen, der sich per Elektromotor heben lässt, aber dafür auch aufgrund von Kabeln, Schaltern und Anschlüssen hohe Anschaffungskosten hat und störanfälliger ist. Was also bringt das Weniger? Zwei große Fragen standen im Zentrum der Untersuchung:

  1. Wie erzeugt ein Weniger in Immobilien mehr Ertrag und Wertstabilität?
  2. Wie sorgt ein Weniger in Unternehmen für mehr Effizienz, Zufriedenheit und Erfolg?
Peyinghaus übernahm sogleich die Vorstellung der Studienergebnisse. Immer im Blick: „Wie können wir Ballast abwerfen, um Werte aufzubauen“. Hierzu wurden 13 Gebäudemerkmale definiert, die in zwei Gruppen eingeteilt wurden: Reduktion und Maximierung. Die wesentlichen Aspekte sind:

  1. Fläche – weniger Wohn- oder Bürofläche pro Person
  2. Material – reduzierte Materialmengen, etwa durch modulare Bauweise
  3. Energie – geringer Energieverbrauch durch passive oder effiziente Technik
  4. Kosten – niedrigere Bau-, Betriebs- und Nutzungskosten
  5. Aufwand – minimaler Pflege- und Instandhaltungsbedarf
  6. Komplexität – einfache Systeme und reduzierte technische Ausstattung
Diese Merkmale stehen stellvertretend für das Prinzip „Weniger ist mehr“. Ziel ist, Raum, Ressourcen und Prozesse auf das Wesentliche zu reduzieren – ohne Verzicht auf Qualität oder Komfort.

Wohnflächenreduktion löst Wohnungsnot

Während die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland bei 47,4 Quadratmeter liegt, halten Fachleute aus der Immobilienwirtschaft bereits 41,8 Quadratmeter für ausreichend – die GenZ kommt auf 43,2 Quadratmeter. Das entspricht einem Einsparpotenzial von mindestens 9 Prozent. Noch deutlicher fällt die freiwillige Reduktionsbereitschaft aus: 14 Prozent bei den Experten, 10 Prozent bei der jungen Generation. Würde dieses Potenzial ausgeschöpft, könnten rein rechnerisch mehr als 3,9 Millionen Wohnungen entstehen – ohne einen einzigen Neubau. Es ist ein Perspektivwechsel, den Peyinghaus mit einem Satz auf den Punkt bringt: „Wir haben kein Wohnungsproblem, sondern ein Wohnflächenverteilungsproblem.“

Ein Weg bei der Reduzierung von Flächen führe über das Teilen – aus verständlichen Gründen nicht jedoch bei Bad, Küche und Esszimmer. „Doch Garten, Gästezimmer oder Arbeitsfläche? Hier wird es interessant – gerade für neue Quartierskonzepte“, sagte Peyinghaus. Für intelligent gestalteten Wohnraum mit geringerem Aufwand, weniger Fläche und mehr Qualität sind die Menschen sogar bereit, bis zu 3,25 Prozent mehr Miete zu zahlen. Ein starkes Signal an Planer, Entwickler und Politik – und ein stilles Versprechen an die Städte: Es gibt Lösungen. Man muss sie nur nutzen und vor allem für Kommunikation und Transparenz sorgen.

Die stille Revolution im Büro

Ähnliche Effekte ließen sich bei Büroimmobilien erzielen. 41 Mio. m² Bürofläche könne man einsparen – doppelt so viel wie der gesamte Berliner Markt –, wenn man den realen Bedarf zugrunde legt. Die Mittel und Wege? Flexible Arbeitsmodelle, Homeoffice, KI. Der Trend sei unumkehrbar, die Auswirkungen massiv, so Peyinghaus. Für die Investoren bedeute das: Wer Büro neu denkt, hat Chancen. Gemeinschaftlich genutzte Räume, Services für alle Nutzer, hybride Konzepte – Frugalität schaffe nicht Verzicht, sondern neue Möglichkeiten, so die Kernbotschaft. Die Nutzer wünschen sich keine isolierten Lösungen mehr, stattdessen smarte Angebote, die sich übergreifend organisieren lassen – über Plattformen, Netzwerke und Systemlösungen. Das Büro wird so nicht kleiner, sondern vielfältiger nutzbar – und damit effizienter, nachhaltiger und attraktiver zugleich. Besonders überraschend: Die Zufriedenheit durch „frugale Arbeitsumgebungen“ steigt um 23 %.

Frugalität hat so auch Auswirkungen auf den Investmentansatz. Die Studie zeigte, dass Nutzer bereit sind, 1,2 % Renditeverzicht hinzunehmen, wenn das Gemeinwohl profitiert. Zudem betrage das Wertsteigerungspotenzial durchschnittlich 8,5 Prozent, bei ressourceneffizienten Gebäuden sind es sogar 12 %.

Hausgemachte Probleme

Später richtete sich der Blick auf den Arbeitsalltag der Immobilienunternehmen selbst – und auf ihre Blindstellen. Die Analyse zeigte: 14,7 % der Arbeitszeit gehen durch Komplexität verloren. Das entspricht 5,6 Stunden pro Woche.

Die größten Bremsklötze? Nicht externe Regularien, wie oft vermutet – sondern Verhinderungskultur, endlose Meetings und unklare Prozesse. Das Fazit: Das Problem ist hausgemacht. Das Gute daran: „Wir können es selbst lösen“, machte Peyinghaus Mut – etwa indem die Unternehmen frugale Managementprinzipien anwenden. Firmen, die diese umsetzen – Co-Innovation, modulare Abläufe, klare Entscheidungswege –, performen um 19 Prozent besser. Doch: Nur 1,4 % tun dies bislang.

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