So sorgt das Gebäudeautomationssystem für mehr Nachhaltigkeit, ­Wirtschaftlichkeit und Sicherheit

Gebäudeautomation im Berliner Humboldt Forum

Einer der größten CO2-Verursacher in Deutschland ist der Gebäudesektor vor allem durch seinen Energieverbrauch. Gebäudeautomationssysteme können einen enormen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten. Im Fall des im letzten Sommer eröffneten Humboldt Forums in Berlin trägt die Gebäudeautomation nicht nur zur Energieeffizienz der HLK-­Anlagen bei, sondern auch zur Erhaltung der wertvollen Ausstellungs­objekte sowie zur Sicherheit seiner Besucher und des Gebäudes.

Rund ein Drittel des deutschen Endenergieverbrauchs wird im Gebäudesektor benötigt. Dabei entfällt der größte Anteil – über 90 % – auf die Heizung und Trinkwarmwassererzeugung. Digitale Gebäudetechnologien, insbesondere Gebäudeautomation, können einen deutlichen Beitrag zur Senkung der CO2 -Emissionen im Gebäudesektor leisten: Laut einer Studie der bitkom e.V. können bis 2030 bis zu 14,7 Mio. t CO2 -Emissionen durch den Einsatz von Gebäu­deau­tomation eingespart werden, vor allem durch die effizientere Bereitstellung von Heizung und Warmwasser. Auch im neuen Universalmuseum auf der Spreeinsel, mitten im historischen Zentrum von Berlin, sorgt eine passende MSR (Mess-Steuer-Regel- und Leittechnik) für Energieeffizienz der 40.000 m² Nutzfläche.

 

Neues Zentrum für Kunst, Kultur und Wissenschaft

Acht Jahre Bauzeit und 640 Mio. Euro stecken in dem Jahrhundertbau, der als Wiedergeburt des 1950 gesprengten Berliner Stadtschlosses gilt. 2021 konnte das vom italienischen Architekten Franco Stella geplante außergewöhnliche ­Gebäude seine Eröffnung feiern. Seine Architektur sticht durch eine Mischung barocker und moderne Elemente hervor, insbesondere was die Außenfassaden und die Gestaltung des Schlüterhofs anbelangt. Das Universalmuseum vereint die Ausstellung Berlin Global sowie das Ethnologische Museum und ein Museum für Asiatische Kunst in seinen ­Mauern. Zu den Besonderheiten zählen außerdem das Humboldt Labor, ein Projekt der Humboldt-Universität zu Berlin und zahlreiche aktuelle Kunstwerke, die sich mit den dargestellten Objekten auseinandersetzen. Die Intention der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss – Bauherrin und Betreiberin – war es, einen Ort für Inspiration, Aktion und Austausch zu gestalten.

 

RLT-Anlagen und Raumautomation in Ausstellungsbereichen

In den verschiedenen Museen und Ausstellungen werden die unterschiedlichsten Objekte gezeigt. Diese haben häufig diverse Ansprüche an Raumtemperatur und Raumfeuchte. So benötigen beispielsweise die Wandgemälde der Kizil-Höhle aus dem 6. bis 7. Jahrhundert aus Xinjiang China andere Raumwerte als die Township Wall von António Ole (2001/2018). So ist die Konzeption und Installation der HLK-Technik und der dazu passenden Gebäudeautomation im Humboldt Forum nicht nur durch seine Größe (Bruttogeschossfläche: über 96.000 m³) eine Herausforderung. Auch die konsequente Herstellung und Erhaltung der verschiedenen konservatorischen Werte der Ausstellungsstücke sind höchst anspruchsvoll.

Daher wird jeder Ausstellungsbereich des Humboldt Forums durch eine eigene Vollklimaanlage (41 RLT-Anlagen insgesamt) versorgt. Temperatur- und Feuchtefühler messen die Ist-Werte in den Räumen und übertragen diese an die DDCs (Direct Digital Controll), die als Herzstücke einer jeden Gebäudeautomation fungieren. Die DDCs sammeln die Informationen aller Feldgeräte wie beispielsweise Lüftungsklappen oder eben Temperaturfühler über Ein- und Ausgangsmodule ein und sorgen dadurch für die Objektsicherheit, hohe ­Synergieeffekte, mehr Komfort und eine ökonomische Betriebsführung. Entsprechend der Regelabweichung regelt die DDC die Raumwerte: Spezielle Register erwärmen, kühlen oder entfeuchten dann die Zuluft. Die Befeuchtung der Raumluft erfolgt über externe Befeuchter. CO2-Fühler messen die Belastung der Abluft, demzufolge wird der Außenluftanteil der RLT-Anlage geregelt. Da die vorgegebenen konservatorischen Werte nur geringfügigen Schwankungen überliegen dürfen, könnte notfalls sogar der Zuschauerstrom gedrosselt werden.

In den Konferenz-, Sozial- und Nebenräumen sind Teilklimaanlagen für frische und wohl temperierte Luft zuständig. Dabei ist eine zeitliche Steuerung über das BMS möglich.

 

Vielseitig und anwenderfreundlich: das BMS und die DDC

Die im Humboldt Forum verbauten DDC, die DDC4000, bieten dem Facility Management-Team des Universalmuseums auf die speziellen Anforderungen des Gebäudes zugeschnittene Funktionen in Bezug auf Regelung, Steuerung, Überwachung und Optimierung der Anlagen. Sie kommunizieren über das Bussystem BACnet und können zusätzlich über einen intuitiv bedienbaren Farbtouchscreen manuell bedient werden. Die DDCs sind an insgesamt 46 Automationsschwerpunkten (ASP) installiert. Diese laufen im Hochleistungs-BMS (Gebäudemanagementsystem) ­
von Kieback&Peter zusammen, das die Informationen der DDCs sammelt, ­visualisiert und steuerbar macht.

Die Software GLT-SW5000N befindet sich auf zwei Servern in einem 19-Zoll-Netzwerkschrank im Keller des öffentlichen Gebäudes. Mitarbeiter des Facility Managements können jedoch über das Netzwerk und mobile Endgeräte von überall im Humboldt Forum bei Bedarf auf das BMS zugreifen. Die Gebäudeautomation ist durch ihre Echtzeit-, ­Multiuser- und Multitaskfähigkeit sehr anwenderfreundlich. Die vollgrafische Bedienoberfläche bietet zudem eine ­hohe Anlagentransparenz bei der Bedienung, Änderung und Beobachtung von Zuständen, Werten und Ereignissen. Mit den Informationen und Daten des BMS können die zuständigen Mitarbeiter des Humboldt Forums energie- und kostensparende Maßnahmen ableiten, Prozesse optimieren sowie eventuelle Stör- und Alarmmeldungen bearbeiten und Fehler beheben.

 

Durchdachtes Konzept für Wärme und Kälte

Die Kälte- als auch die Wärmeerzeugung zur Versorgung des Humboldt Forums ist multivalent und vielschichtig. Allein sechs Kälteerzeuger sind für die Kühlung des großen Gebäudes zuständig: jeweils zwei Kälteverdichtermaschinen für die Nieder- und Hochtemperaturkälte sowie zwei Wärmepumpen für die Kühlung (aber auch Heizung) des Museums.

Zwei Wärmepumpen erzeugen die Niedertemperaturkälte für das Musemsgebäude. Bei Bedarf können zusätzlich zwei Kältemaschinen in Betrieb genommen werden. Um die klimatischen Anforderungen im Hinblick auf Raumlufttemperatur und -feuchtigkeit zu sichern, versorgen sie die RLT-Anlagen mit der notwendigen Kälte. Fallen die Außentemperaturen unter den Gefrierpunkt kann die nachhaltige Freie Kühlung eingesetzt werden. Besonders smart: im Sommer kann ein Eisspeicher während der täglichen Hitzepeaks aufgetaut werden, um den Stromverbrauch im Bereich der Spitzlastabdeckung zu reduzieren. Zwei weitere Kältemaschinen produzieren die über 15 Grad Celsius liegende Hochtemperaturkälte. Mit ihr werden die Konvektoren zur Nachtemperierung von Ausstellungsflächen, Büroräumen oder Treppenhallen versorgt. Rückkühler auf dem Dach führen überschüssige Wärme aus dem Gebäude nach draußen ab und kommen bei der Betriebsart „Freie Kühlung“ zum Einsatz. Eine weitere ökonomische Kühlungsvariante ist die Kältenutzung über die Wärmepumpen in Verbindung mit der Geothermie. Außerdem können auch die Fußbodenheizungen zur Kühlung eingesetzt ­werden.

Grundsätzlich deckt das Humboldt Forum den größten Teil seines Heiz- und Trinkwarmwasserbedarfs über einen Fernwärmeanschluss, vor allem die Heizkreise mit einer Vorlauftemperatur von über 45 Grad Celsius. Die Ausstellungsbereiche werden über die RLT-Anlagen und z.T. anschließend über nachgeschaltete Konvektoren temperiert. Die in den Vollklimaanlagen verbauten Heizregister sind vor allem im Sommer nach dem Entfeuchtungsprozess in ­Betrieb. Im Atrium sind Fußbodenheizungen verlegt, die in den kalten Jahreszeiten über die in der Geothermie eingespeisten Abwärme der Wärmepumpen beheizt werden.

Sichere Entrauchung

Nicht nur die Gebäudeautomation der HLK-Anlagen stammt von Kieback&Peter, auch das Entrauchungssystem hat das Berliner Familienunternehmen installiert. Vorgabe war, dass die Entrauchungsklappen mit SIL2 zer­tifizierten ASi-Controllern verbunden sind. Die SIL-Kennzeichnung (Sicherheits-Integritätslevel) bestimmt gemäß der Sicherheitsnorm EN 61508 die ­Sicherheitsanforderungsstufe. Eine ­weitere Sicherheitsmaßnahme stellt die ­Unabhängigkeit der Kanäle des ­Entrauchungssystems mit den Entrauchungsklappen vom Lüftungssystem dar. Um eine Kommunikation zwischen den im Modbus-Protokoll kommunizierenden Asi-Reglern und den DDCs mit ihrem BACnet-Bussystem zu ermöglichen, haben die Gebäudeautomations-Experten im Gateway ein spezielles ­Programm geschrieben. Entdeckt die Brandmeldezentrale (BMZ) ein Feuer im Gebäude, übergibt sie die Informa­tionen an die ASi-Controller, welche die Entrauchungsklappen und die  Entrauchungslüfter ansteuern. Das Gebäude ist in ­unterschiedliche Entrauchungsbereiche aufgeteilt. Über ein spezielles ­Entrauchungstableau kann die Feuerwehr zusätzlich jeden einzelnen Entrauchungsbereich und benachbarte ­Bereiche manuell ansteuern. Über die DDCs werden zeitgleich die Brandschutzklappen geschlossen und Klima- sowie Lüftungsgeräte ausgeschaltet.

Fazit

Im Gebäudesektor stellen Gebäudeautomationssysteme neben baulichen Maßnahmen sowie der Dekarbonisierung von Energieträgern und Energieerzeugung die dritte wichtige Säule der Energiewende dar. Dabei garantiert der Einsatz eines intelligenten BMS nicht nur einen energieeffizienten, nachhaltigen und ökonomischen Betrieb der technischen Gebäudeausrüstung. Im neu gebauten Humboldt Forum gewährleistet die Gebäudeautomation auch die Sicherheit von Besuchern, Mitarbeitern und Ausstellungsobjekten im Brandfall.

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