Berliner Hochschulen entwickeln Management-Tool zur Professionalisierung nachhaltigen Handelns im Facility Management

Nachhaltigkeitsmanagement im FM

Die Berliner Hochschulen Beuth Hochschule für Technik, Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) erforschen aktuell die Wirkungsweisen von Nachhaltigkeit im FM. Das Forschungsprojekt „Return on Sustainability System“ (RoSS) [1] stellt Untersuchungen in zwei Ausrichtungen an: Der intern orientierte Weg zu mehr unternehmerischer Nachhaltigkeit in der Branche auf der einen und die extern geforderten Nachhaltigkeitsnachweise der Kernprozessinhaber an die FM-Dienstleistungen auf der anderen Seite. Der erste Weg ist bereits beschritten und analysiert.

Nachhaltigkeitsberichte sind eine Antwort auf steigende Anforderun­gen von Stakeholdern an Informationstransparenz, Wertesysteme des Unternehmens und Biografie der Dienstleistungen/ Produkte. Unternehmen nutzen Nachhaltigkeitsberichte als Klammer über vorhan­dene Management- und Berichtssysteme wie Risikomanagement, Qualitätsmanagement- und Umweltmanagementsystem sowie soziokulturelle Berichtssysteme. Als Grundlagen dient dabei u.a. das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR), das die gesellschaftliche ­Verantwortung von Unternehmen betont. Gemäß der ISO 26000 soll unternehmerisches Handeln auf freiwilliger Basis sozia­le Belange und Umweltbelange einbeziehen. Außerdem ist mit Interessengruppen zu interagieren. Dieser Dialog zwischen den Anspruchsgruppen und den Unternehmen ist als entscheidender Erfolgsfaktor eines gelebten Nachhaltigkeitsmanagements anzusehen.

Ein anerkanntes Hilfsmittel beim Aufbau eines Nachhaltigkeitsmanagements ist die Global Reporting Initiative (GRI). Sie beinhaltet einen umfassenden Katalog von 70 Kriterien für die Beurteilung von nachhaltigem Handeln und die ­Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten. Der Katalog kann als Orientierungsrahmen verwendet oder aber auch vollständig umgesetzt werden. Der Großteil deutscher Unternehmen nutzt die GRI-Richtlinien als Checkliste, um sicher zu stellen, dass alle relevanten Aspekte berücksichtigt wurden. Ausgewählt werden hier vor allem Kriterien, die nach Abwägung und ggf. Aggregation zu Kennzahlen für das jeweilige Unternehmen und seine Anspruchsgruppen von Bedeutung sind. Die GRI bietet Unternehmen an, sich als Anwender sowohl bei Orientierung an den Richtlinien wie auch bei vollständiger Umsetzung dersel­ben registrieren zu lassen. Die Registrierung bei vollständiger Umsetzung erfolgt auf Basis eines externen Gutachtens.

Nachhaltiges Handeln von Unternehmen weckt Aufmerksamkeit und schafft Imagegewinn. So zeichnet z.B. der renommierte Deutsche Nachhaltigkeitspreis seit 2008 Unternehmen aus, die die Triple-Bottom-Line im Sinne von ökonomischem, ökologischem und soziokulturellem Handeln verbinden [2]. Im Fokus steht dabei konsequentes Nachhaltigkeitsmanagement. Einer Branchen­analyse der Preisträger zufolge, ist bisher keine FM-Organisation für ihr nachhaltiges Handeln ausgezeichnet worden.

 

Hat die FM-Branche den Anschluss verpasst?

Warum sich Facility Management-Organisationen im Nachhaltigkeitsmanagement nicht hervortun und Mover-bzw. First-to-Market-Funktion übernehmen, wurde in einer Studie des Forschungsprojekts RoSS untersucht. Laut einer aktuellen RoSS-Umfrage vom Mai 2011 erstellen nur 18% der Facility Management Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht. Nach Aussagen der befrag­ten Unternehmen planen nur weitere 37 % die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts. Sieht die Facility Management-Branche im Gegensatz zu allen anderen Branchen und den Vertretern des Deutschen Nachhaltigkeitspreises keine Korrelation zwischen nachhaltigem Handeln und daraus resultierenden Wachstum?

Das schwache Engagement der Branche in Sachen Nachhaltigkeit läuft auch anderen fach- und branchenübergreifenden Studien entgegen, die die Nachfrage nach Nachhaltigkeit nicht nur als eine Modeerscheinung in den Medien ansehen. Forderungen der Politik machen dies zusätzlich deutlich. So kam es im Bereich Klimaschutz und Energie bereits im Dezember 2008 zur Verankerung der „20 – 20 – 20“ Strategie in Europa. Die Zielsetzung, Treibhausgasemissionen um 20 % zu senken, 20 % des Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken und den Energieverbrauch durch bessere Ener­gieeffizienz, um 20 % zu ver­ringern, beweist ein hohes Maß an ökolo­gisch nachhaltigem Bewusstsein in der Politik, das von der Bevölkerung getragen wird.

In der branchenspezifischen Betrachtung bildet die Immobilien- und Facility Management-Branche bislang das Schlusslicht in der Nachhaltigkeitsdebatte. Ganz vorne hingegen stehen aktuell Unternehmen aus dem Bereich der „Urban Technologies“ und Großkonzerne [3].

 

Heilen „Green Buildings“ die Nachhaltigkeitslücke im FM?

Die Nachfrage nach nachhaltigkeitszerti­fizierten Gebäuden steigt bei Unternehmen deutlich an. 74 % der Unternehmensvertreter, die einen Nachhaltigkeitsbericht planen, beabsichtigen innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre zertifizierte Gebäude zu nutzen, um ihre Nachhaltig­keitsstrategie über die Unternehmensgren­zen hinaus kommunizieren zu können.

Aber können „Green Buildings“ die Nachhaltigkeitslücke im FM schließen?

Mit Zertifikaten wie dem BNB des BMVBS, DGNB, LEED, BREEAM, etc. wird der Zustand einer Immobilie hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte widergespiegelt. Dabei werden über­wiegend feststehende Parameter wie die Beschaffenheit der Gebäudehülle und der technischen Anlagen im Hinblick auf die Triple-Bottom-Line bewertet. Allen Bewertungssystemen ist zu eigen, dass sie das Produkt „Immo­bilie“ zu einem bestimmten Zeitpunkt be­werten [4].

Eine Nachhaltigkeitsperformance des Produkts Immobilie kann jedoch langfristig nur dann erreicht und aufrechterhalten werden, wenn die Aufgaben des Facility Managements unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten durchgeführt werden. Hierzu ist es aus Authentizitätsgründen notwendig, dass eine Facility Management-Organisation die Konformität mit Nachhaltigkeitsanforderungen nachweisen kann und wenn möglich proaktiv kommuniziert [5]. FM-Organisationen sind heute in Ausschreibungen zunehmend aufgefordert, ihre Fähigkeiten zu nachhaltigem Handeln nachzuweisen, auch wenn in den Ausschreibungstexten das Wort Nachhaltigkeit nicht explizit erwähnt wird. Auftrag­geber von FM-Leistungen erstellen zunehmend Nachhaltigkeitsrankings ihrer aktuellen und potentiellen Lieferanten. Wachstum und Wettbewerbsvorteile ­ergeben sich für die FM-Unternehmen, die die besten Nachhaltigkeits-Settings aus ökonomischen, ökologischen und soziokulturellen Gesichtspunkten anbieten und diese kommunizieren. Insofern muss Nachhaltigkeit im Facility Manage­ment immer einen Business Case haben.

Wie können FM-Unternehmen ihr Nachhaltigkeits-Setting professionalisieren?

FM-Unternehmen wenden bereits mehrere effiziente Managementmethoden an, die einzelne Bereiche der Nachhaltigkeit berühren. Häufig anzutreffen sind QM-Systeme (QMS) nach DIN EN ISO 9001:2008, mit denen beherrschte Prozesse nachgewiesen werden und die beim Auftraggeber Vertrauen in die Leistungsfähigkeit schaffen. Prozess­beherrschung wirkt dabei auf alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und soziokulturelle Kriterien. Verbreitet sind zwischenzeitlich auch Umweltmanagementsysteme (UMS) nach DIN EN ISO 14001 bzw. EMAS. Daraus generierte Kriterien und Kennzahlen können für die Nachweisführung der ökologischen Qualitäten eines unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements verwendet werden. Aus der Kosten- und Leistungsrechnung und aus den verbreiteten ERP-Systemen können ohne wesentlichen Mehraufwand ökonomische Qualitäten abgeleitet werden. Schließlich sind Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitssysteme wie SCC ein Quell für den Nachweis eines Teils der soziokulturellen Kriterien.

Die Einführung eines Nachhaltigkeitsbe­richtswesens heißt also für die Mehrzahl der Facility Management-Unternehmen nicht bei Null anzufangen. Bestehende Berichtsnachweise, Management- und Kennzahlensysteme können genutzt werden. In einem von dem Forscherteam begleiteten Pilotprojekt hat sich folgendes vierstufiges Modell zur Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung bewährt.

Die Konzeptionsphase, in der die vorhandenen Berichtsquellen, Management- und Kennzahlensysteme auf Nachhaltigkeitsrelevanz untersucht sowie die Systemgrenzen der Nachhaltigkeitsberichterstattung festgelegt werden, endet mit der Formulierung einer Aufgaben­stel­lung, die von der obersten Leitung des Unternehmens freigegeben wird. In der sich daran anschließenden Aufbauphase der Nachhaltigkeitsberichterstattung werden entsprechend der identifizierten Anspruchsgruppen konkrete Nachhaltigkeitsziele definiert. Im Ergebnis wird eine Nachhaltigkeits-Checkliste erstellt, die mit Verantwortlichkeiten versehen ist und aus den unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens die Zulieferung von Nachhaltigkeitsdaten sicherstellt. In der dritten Phase, der Umsetzung, werden die relevanten Zahlen, Daten und Fakten gesammelt und die für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortliche Stelle formuliert den Bericht. Weil ein Nachhaltigkeitsbericht ein wesentliches Marketinginstrument darstellt, werden hier oft externe PR und Design-Agenturen eingeschaltet. Auch wenn es kaum Projekte gibt, die ohne die Implementierung eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses im Sinne der ständigen Optimierung und Weiterentwicklung auskommen, so ist diese vierte Phase für ein Nachhaltigkeitsprojekt von besonderer Bedeutung.

Welches ist das Muss-Kennzahlen-Set für das Nachhaltigkeitsmana­gement im FM?

Zur Beantwortung dieser Frage wurden vom RoSS Forscherteam eine Online-Umfrage sowie zwei Phasen von Expertengesprächen zur Fundierung der Erkenntnisse durchgeführt. Im Ergebnis dieser Analyseverfahren schlagen die Verantwortlichen des Forscherteams ­folgendes Kennzahlen-Set vor:
Im Bereich der Ökonomie, der wirtschaftlichen und geschäftspolitischen Aspekte des unternehmerischen Handelns nachhaltigkeitsüberprüft, sind zu erhebende Muss Kennzahlen die Eigenkapitalquote, EBIT, Kundenbeziehung und -reklamationen. Insbesondere das Thema Kundenbindung hat wesentliche Effekte auf die Nachhaltigkeit im Facility Management.

Im Bereich der Ökologie, die das umwelt- und klimagerechte Verhalten der Unternehmen untersucht, sind folgende Kennzahlen nachzuweisen: Heizenergieverbrauch, Stromverbrauch, Wasserverbrauch, Abfallaufkommen und Kraftstoffverbrauch des Fuhrparks. Gerade im Bereich der Ökologie bietet es sich an, für einzelne FM-Leistungen so genannte Carbon Footprints anzufertigen. Im Bereich der Abfallentsorgung wird von vielen Auftraggebern gefordert, einen derartigen CO2 Fußabdruck pro Abfallbehälter/ Tonne Abfallgut nachzuweisen. Bei der sozialen Dimension dominieren die Kennzahlen Unfallquote, Krankenstandsquote, Eigenpersonalquote und Mitarbeiterfluktuation.

[1] Das Forschungsprojekt RoSS verantworten Prof. Kai Kummert von der Beuth Hochschule für Technik Berlin, Prof. Dr. habil. Michael May von der HTW Berlin und Prof. Dr. Andrea Pelzeter von der HWR Berlin. Kooperierende Unternehmen sind Axentris Informationssysteme GmbH, HSG Zander Nordost GmbH, Piepenbrock Dienstleistungen GmbH + Co. KG, Remondis GmbH & Co. KG sowie Polis Immobilien AG. Die GEFMA wirkt an dem Projekt mit und ist assoziierter Partner. Damit unterstreicht GEFMA die große Bedeutung, die das Thema Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren im Verband haben wird.
[2] http://www.deutscher-nachhaltigkeitspreis.de
[3] Braun, S.; Doerner, U; Horst, D. W.; Loew, Th.: Unternehmerische Verantwortung praktisch umsetzen – Leitfaden zum Nachhaltigkeitsmanagement, PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), Frankfurt am Main 2010, 34 Seiten.
[4] Kummert, K., Dittmar, A.: Nachhaltigkeit im Facility Management – eine Verständniserweiterung im Sinne der Ganzheitlichkeit, in: Handbuch Facility Management, München 2010.
[5] Dittmar, A., Ponick, M., Kummert, K.: Nachhaltigkeit im Facility Management – Entwicklung eines Zertifizierungsprogramms, in: ExzellenzTandem – Wissenstransfer im Dialog III, S. 40-48, Berlin 2010.

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