zum Editorial des FACILITY MANAGEMENT-Newsletters vom 12. September 2017

Leserbrief

Sehr geehrter Herr Roggendorf,

als Mitarbeiter der Stadtverwaltung Erfurt und zuständiger Sachgebietsleiter für Vertragswesen / ext. Dienstleistungen im Amt für Grundstücks- und Gebäudeverwaltung, habe ich Ihre einleitenden Worte im o. g. Newsletter aufmerksam gelesen. Gleichwohl sind mir die Erkenntnisse der Lünendonk-Studien bekannt.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen aber wiedersprechen und dringend davon abraten, die „öffentliche Hand“ im Allgemeinen mit der „Geiz-ist-geil“-Mentalität des Kunden in Verbindung zu bringen.

Persönlich bin ich der Meinung, dass nicht nur die Stadtverwaltung Erfurt, auch andere Kommunen, die über ein professionelles Facility Management oder eine Abteilung Infrastrukturelles Gebäudemanagement verfügen, sich dessen bewusst sind, dass ein Preiskampf der Anbieter immer zu Lasten der Qualität ausgetragen wird. Darunter leidet nicht nur die Lebensdauer eines Objektes, sondern auch die Zufriedenheit des Nutzers. Damit einhergehend steigt das Arbeitsaufkommen zur Mangelbeseitigung (Telefonieren, Beschwichtigen, Termine abstimmen, Nachkontrolle, etc.). Dies hat wiederum zur Folge, dass die Arbeitsschritte zur Qualitätsmessung, Gestaltung von Ausschreibungen und Beauftragung von Sonderleistungen, in einem verminderten Zeitfenster abgearbeitet werden müssen. Letztlich ist dies ein Kreislauf, den die öffentliche Hand bereits mit Veröffentlichung / Durchführung von Ausschreibungen vermeiden kann und vielfach auch bereits vermeidet...

Werden im Rahmen der Ausschreibungen nun aber Eignungs- bzw. Zuschlagskriterien festgesetzt, die eine gesteigerte Qualität zur Folge haben (z. B. Leistungsoberwertgrenzen, auskömmliche Stundenverrechnungssätze, Qualitäts- und/oder Dokumentenmanagementsysteme, Nachhaltigkeitsaspekte, etc.), sind viele Dienstleister noch immer der Meinung, dass sie die Konkurrenz im Preisgefüge weiterhin unterbieten müssten um an Aufträge der öffentlichen Hand zu kommen.

  Bei Prüfung der Unterlagen und Kontrolle der Umsetzbarkeit werden unsererseits dann aber nicht selten Dienstleister ausgeschlossen, die sich bei Angebotsabgabe auf den Plätzen 1-3 wiederfinden müssten, die Leistungszahlen (z. B. in der Gebäudereinigung) aber so utopisch angesetzt werden und letztlich die Qualität im Objekt darunter leiden würde.

Der gesetzlich geregelte Werkvertrag und vertraglich vereinbarte Preisnachlässe tragen ebenso dazu bei. Selbst wenn ein Angebot aus Sicht des Auftraggebers als „angemessen“, „auskömmlich“ und „qualitativ hochwertig“ angesehen wird, versuchen viele Dienstleister noch zusätzlichen Gewinn aus den Aufträgen zu generieren, indem sie vom Werkvertragsrecht Gebrauch machen. Sie „schulden“ dem Auftraggeber nicht zuletzt z. B. das Werk „Gebäudereinigung“. Beispielhaft kann ich Ihnen mitteilen, dass ein kalkuliertes und bezuschlagtes Angebot mit neun Zeitstunden pro Reinigungstag noch lange nicht bedeutet, dass der Dienstleister den tätigen Arbeitskräften auch diese neun Zeitstunden zur Verfügung stellt. Meist sind es in der Praxis dann acht oder eher sieben Stunden. Gemäß Werkvertragsgesetz ist dies durchaus zulässig und der Auftraggeber hat ohne ein eigenes, lückenloses Qualitätsmanagementsystem nur selten die Chance, diese Zeitleistung auch zu rügen.

Die markt- und ausschreibungsüblichen Preisnachlässe tragen genauso dazu bei, dass ein Angebot auf den ersten Blick als angemessen bezeichnet werden kann. Bei einem pauschalen Preisnachlass zwischen 2 - 5% müssen sich die Auftraggeber aber auch darüber im Klaren sein, dass diese Prozentsätze letztlich wieder den Preis des Angebots reduzieren und somit die Leistungssätze des Objektes künstlich in die Höhe getrieben werden können. Das hat zur Folge, dass die Stunden nicht mehr ausreichen und das Angebot theoretisch nicht mehr als „angemessen“ bezeichnet werden müsste.

Als Auftraggeber hört man gelegentlich auch von Dienstleistern, die ihren Reinigungskräften einen „Objektlohn“ zahlen und dieser mit der Einhaltung einer bestimmten Stundenvorgabe verknüpft wird. Bei Nichteinhaltung und eigenständiger Mehrarbeit durch die Reinigungskräfte, kommt es auch vor, dass auf diese Weise versucht wird, das Mindestlohngesetz zu umgehen. Entsprechende Anzeigen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit blieben bisher ohne Konsequenzen für den Dienstleister, weil nicht zuletzt die Reinigungskräfte selbst um ihren Arbeitsplatz fürchten und sich zu diesem Geschäftsgebaren lieber nicht äußern.

Herr Roggendorf, die öffentliche Hand ist natürlich den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit unterlegen. Die Qualität muss aber rein theoretisch durch den Einsatz von den bereits beschriebenen Eignungs- und Zuschlagskriterien, nicht unter dieser Maßgabe leiden. Sie sehen aber auch, dass das Gebiet der Facility Services, insbesondere die Gebäudereinigung an vielen Stellen (rechtlich) angreifbar ist und einigen Dienstleistern Tür und Tor dafür öffnet, sich auf Kosten der Reinigungskräfte zu bereichern.

Glauben Sie mir, die sach- und fachkundigen Auftraggeber der öffentlichen Hand sind mehr als gewillt, die Qualität der zu erbringenden Leistung auch zu honorieren. Die Dienstleister müssen aber auch endlich aufhören mit dem bisherig geführten „Auf-Teufel-komm-raus“-Preiskampf, um Ausschreibungen und Aufträge an sich zu reißen, nur um Unternehmensvorgaben einhalten zu können. Das schadet nicht nur dem professionellen Auftraggeber/Auftragnehmer-Verhältnis, sondern auch der qualitativen Leistungserbringung und nicht zuletzt auch den Angestellten des Dienstleisters.

Qualität hat nun eben mal auch ihren Preis und das müssen beide Seiten gleichermaßen akzeptieren.

Mit freundlichen Grüßen

Arne Ott

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