„Nur wenn alle Bedarfsträger mit ins Boot geholt werden, geht keiner baden.“

Nachhaltiger CAFM-Systemeinsatz

Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die Einführung eines professionellen CAFM-Systems und damit für die Ablösung MS Excel- oder MS Access-basierter Behelfslösungen. Doch wie geht man sie an, die Einführung eines neuen Systems?

Initiale Gegebenheiten, wie eine fragmentierte Datenhaltung /-basis und hohe Implementierungsaufwendungen werden zwar immer noch als Einführungshemmnisse genannt, jedoch determinieren sie die Entscheidung über eine Systemeinführung nicht mehr signifikant. Der Wettbewerbsdruck, die zunehmende Innovationsgeschwindigkeit und -fähigkeit der Branche und die voranschreitende Konsolidierung des Marktes zwingen die Unternehmen zu systemischer Professionalisierung.

Häufig ist jedoch zu beobachten, dass im Rahmen der Systemeinführung die Aspekte Bedarfsorientierung und Zukunftsfähigkeit zu wenig Beachtung finden. Bedarfe innerhalb der eigenen Organisation, welche meist von heterogener Struktur sind, finden in unterschiedlichen Maßen Beachtung. Bedarfe und Interessen von externen Stakeholdern, wie Kunden, Partnern und Lieferanten werden jedoch oft gänzlich außen vor gelassen. Daneben ist weiterhin zu beobachten, dass sich die Unternehmen nicht ausreichend mit den aktuellen Trends im (CAFM-)Software Bereich auseinandersetzen. Hierzu zählen vor allem der Einsatz mobiler Lösungen (siehe u.a. GEFMA CAFM-Trendstudie 2013) oder innovative Vertragsformen (vgl. „Shareconomy“). Letztgenannter Trend, Leitthema der CEBIT 2013, wird hierbei vor allem durch den Einsatz von CAFM-Software als Software as a Service (SaaS) in der Praxis realisiert.

Eine konsequente Bedarfsorientierung sowie die Berücksichtigung von aktuellen und zukünftigen Bedürfnissen der Organisation müssen bereits vor der Einführung eines CAFM-Systems höchste Beachtung finden.

Um eine hohe Bedarfsorientierung des einzuführenden Systems zu gewährleisten, muss sich das Unternehmen im Wesentlichen mit folgenden Fragestellungen auseinandersetzen:

Wer wird das System später in welcher Art und Weise nutzen?

Welchen Nutzen ziehen die einzelnen Stakeholder aus dem System?

Was haben die Stakeholder für Interessen und Bedarfe?

Wie wirken sich diese auf die Auswahlentscheidung sowie den Prozess der Systemeinführung aus? 

Hierbei müssen, wie bereits erwähnt, auch externe Nutzergruppen in die Überlegungen einbezogen werden. Gibt es (webbasierte) Kundenportale? Müssen Lieferanten oder Subunternehmer ebenfalls Zugriff auf das System haben? Wie oft kommt es zu Veränderungen bei externen Nutzergruppen? Die Antworten auf diese Fragestellungen determinieren den Anspruch an das CAFM-System in erheblicher Weise. Beispielsweise kann es notwendig sein, das System oder einzelne Module webbasiert zu betreiben bzw. zumindest den webbasierten Zugriff zu ermöglichen. Daneben muss, vor allem bei einer Vielzahl externer Stakeholder, eine hohe Durchgängigkeit und Aktualität der Daten systemisch gewährleistet werden können. Gibt es häufige Wechsel im Bestand der betreuten Immobilien, ermöglichen aktuelle, konsistente Daten Vertragsrückgabe- und Übergabeprozesse ohne Reibungsverluste. Der Problematik der Erstdatenerfassung bei inkonsistenten und/oder fragmentierten Bestandsdaten kann man unter Umständen mit einer Fremdvergabe an spezialisierte Dienstleister begegnen. Hierdurch wird eine hohe Ergebnisqualität, vor allem im Hinblick auf die spätere Migration der Daten ins Neusystem, sichergestellt. Weiterhin werden die Abläufe im Tagesgeschäft nicht beeinträchtigt, es kann die hohe, initiale Prozessgeschwindigkeit aufrecht erhalten werden und man entgeht einer Demotivation der eigenen Mitarbeiter durch zu hohen, parallelen Arbeitsanfall.

Ein durch eine Systemeinführung bzw. einen Systemwechsel hervorgerufener Change-Prozess sollte immer auch mit einer kritischen Würdigung des Status quo verbunden werden. Es muss hierbei vor allem evaluiert werden, ob die Prozesse und Systeme den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind oder wie diesen begegnet werden kann. Einige allgemeine Software-Trends lassen sich ohne weiteres auch auf den speziellen Markt von CAFM-Software projizieren. Zwei vordergründige Trends, die zunehmende Standort- und Geräteunabhängigkeit sowie der Trend zu einer Flexibilisierung der IT-Kosten durch den Paradigmenwechsel vom Produktkauf zum Dienstleistungskauf, lassen sich hierbei gewinnbringend kombinieren. Zudem ist derzeit ein Wechsel von bei Migrationsprozessen problembehafteter relationaler Datenhaltung zur deutlich flexibleren objektorientierten Datenhaltung zu beobachten.

Ein webbasiertes System arbeitet geräte- und standortunabhängig und eignet sich daher vor allem für dezentrale Unternehmen sowie für Unternehmen mit einer dezentralen Nutzerstruktur. Es ermöglicht einen Systemzugriff, unabhängig von der Art des Nutzers, dem Ort des Zugriffs, oder des Endgerätes (Desktop-PC, Notebook, Tablet, Smartphone). So können bspw. Hausmeister die Objektdaten direkt vor Ort in das System übertragen, Servicetechniker ortsunabhängig Arbeitsaufträge erhalten oder Vertriebsmitarbeiter Kundendaten im Home Office aktualisieren. Hier zeigt die Kombination von sich in der Cloud befindlichen Daten sowie Lösungen für mobile Endgeräte ihre große Stärke im Praxiseinsatz.

Bisher sah sich ein Großteil kleinerer, finanzschwächerer Anbieter aufgrund des hohen Investitionsbedarfs, welcher mit einem Software-Produktkauf verbunden ist, nicht in der Lage ein CAFM-System einzusetzen. Die Vertragsform SaaS, bei der der Liquiditätsbedarf weitaus geringer ist und Kosten variabilisiert werden können, ermöglicht nun auch diesen Unternehmen den Einsatz hochkomfortabler Softwareprodukte. Darüber hinaus sind CAFM-Systeme durch ihren modularen Aufbau (Flächenmanagement, Raumbuch, Schlüsselmanagement,…) mit klaren Abgrenzungen prädestiniert für eine bedarfsgerechte Anpassung im Rahmen einer SaaS-Vertragsbeziehung – dies sollte das Unternehmen nutzen.

Die Beachtung dieser Punkte vor Auftragsvergabe kann jedoch nur als notwendige, nicht jedoch als hinreichende Voraussetzung für eine erfolgreiche Systemeinführung gesehen werden. Erst durch ein konsequentes Implementierungsmanagement über alle Phasen bis hin zur eigentlichen Nutzungsphase lässt sich sicherstellen, dass etwaige Optimierungspotenziale direkt durch die spätere Systemlösung freigesetzt sowie Akzeptanzprobleme vermieden werden können. Hierbei sind die folgenden Aspekte von besonderer Bedeutung:

Über welche Prozessschnittstellen sind die Stakeholder miteinander verbunden?

Welche Stakeholder sollen in das Implementierungsprojekt eingebunden werden und wie? 

Eine auch auf zukünftige Gegebenheiten ausgerichtete Stakeholderanalyse stellt die Nachhaltigkeit des einzuführenden Systems sicher und erweist sich aus praktischer Sicht als unverzichtbar. Daneben müssen innerhalb der Implementierungsphase alle Prozessschnittstellen herausgearbeitet und auf Prozessbrüche hin untersucht werden, um die Durchgängigkeit der Wertschöpfungsketten zu garantieren. Im Rahmen der Einbindung der einzelnen Nutzergruppen in das Implementierungsprojekt muss sichergestellt werden, dass die späteren Hauptnutzer des Systems entsprechend stark an der Ausgestaltung der Detailanforderungen beteiligt werden. Hierfür hat sich der Einsatz einer Beteiligungsmatrix als zielführend erwiesen. Aus Sicht der Unternehmensleitung wiederum muss genau abgewogen werden, welche unternehmensspezifischen Anforderungen an das System, welche sich außerhalb der Standard-Funktionalitäten des jeweiligen Anbieters bewegen, wirklich umgesetzt werden sollen. Ein hohes Maß an Standardisierung ermöglicht es den Unternehmen unter anderem flexibler auf Veränderungsprozesse wie bspw. eine Integration von Akquisitionsobjekten zu reagieren. Demgegenüber steht die Nutzerakzeptanz bei einem höheren Customizing-Grad. Hier gilt es, durch die Unternehmens- und Projektleitung die richtige Balance zu finden.
Um den Erfolg eines solchen Change-Prozesses in der Organisation nicht zu gefährden, müssen die Erwartungen und Befürchtungen aller Involvierten bspw. im Rahmen von Workshops erfragt und diskutiert werden. Das dann vorliegende Ergebnis in Form einer vollständigen Umfeldanalyse versetzt das Projektmanagement in die Lage, mögliche Folgeaufwendungen in der Nutzungsphase zu minimieren. Die Charakteristik des modularen Aufbaus des CAFM-Systems ermöglicht es dem Projektteam darüber hinaus, einzelne Module zu priorisieren und schrittweise zu implementieren. Hierdurch kann der Einsatz interner Ressourcen über einen längeren Zeitraum gestreckt und damit Ressourcenengpässe vermieden werden.

Berücksichtigt man die dargestellten Aspekte vor allem im Rahmen der Konzeptions-, Ausschreibungs-  und Implementierungsphase, führt dies unweigerlich zu weniger Herausforderungen während der Nutzungsphase. Ein dediziertes Projektteam, ein meilensteinbasierter Zeit- und Maßnahmenplan, eine lückenlose Kapazitätsplanung (vor allem für die Implementierungsphase) der Projektbeteiligten sowie ein regelmäßiges Erfolgscontrolling bilden daneben den geeigneten Projektmanagementrahmen.

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