Nachhaltigkeit verlangt auch Erneuerungen – Bedarf es auch einer ­Neudefinition des FM?

Betreiben nach Vorschrift?

Die wirtschaftliche Strategie der Nachhaltigkeit ist ein Ergebnis aktueller Krisenbewältigung. Im vergangenen Jahr wurde auf dem Uno-Weltgipfel „Rio+20“ die Green Economy zum internationalen Leitbild erklärt. Dass Deutschland  mit innovativen Erzeugnissen und Technologien hier zum Leading-Edge der Industrienationen gehört, ist bekannt. Bekannt ist auch, dass ca. 40 % des Energieverbrauchs durch die Nutzung von Gebäuden verursacht werden und dass deutsche Produkte und Systeme durch ihre energetische und ökologische Effizienz weltweit wettbewerbsfähig sind.

Weniger bekannt ist, dass dafür im Bestand ein unübersehbar großer Markt für Bauteil-Erneuerungen besteht – aber nur, wenn die dort aktiven Betreiber die Vorteilhaftigkeit von Ersatz-­Investitionen erkennen – und wenn die Eigentümer einen ausreichenden Return on Investment durch Energie- und Ressourcen-Einsparungen erzielen.

Auf der Höhe der Zeit?

Anders als in der Serienproduktion fehlt im Bauen das Endglied der Erfolgskontrolle – denn Bauwerke sind bekanntlich Unikate, umso mehr wenn, sie als Architektur künstlerischen Rang haben. Sie sind gleichsam versteinerte Prototypen, die nicht auf Teststrecken optimiert ­werden konnten. Als Anfang der 1990er Jahre das Facility Management versucht hat, die vorgelagerten Prozesse des Planens und Ausführens aus der Position der ­Betreiber und Nutzer neu auszurichten, erschien dieser Ansatz auch als Hoffnungsträger das alte Mängel-Pro­blem der Nur-Prototyp-Herstellung durch übergreifendes Qualitätsmanagement zu lösen. Dies gelingt bis heute leider nur selten. Denn das ursprüngliche Versprechen des FM ist noch immer kein Standard. Das tritt nun verschärft in den Blick, wenn von Bauwerken verlangt wird, dass sie den Anforderungen der Nachhaltigkeit genügen müssen. Anbieter von Facility Services betonen zwar ihr Engagement im „Nachhaltigen Betreiben“ und im Energiemanagement. Das sind aber oft nur ehrgeizige Absichtserklärungen.

Die Servicerealität sieht im Normalfall anders aus. Der Grund ist ein altes industrielles Leitbild, nach dem das Betreiben technischer Objekte, wie Bauwerke, Anlagen, Maschinen,  einer einfachen Grundforderung der Nutzer folgt: Störungen vermeiden oder, wenn Störungen unvermeidbar auftreten, schnell und kostengünstig beheben. Der Erfolg ­solch einer Dienstleistung ist ­also negativ bestimmt. Entsprechend ist die Anerkennung technischer Dienstleister dann am höchsten, wenn sie gar nicht benötigt werden. Das hat eine ­fatale Konsequenz für deren beruflichen Status. Ein störungsfreier Betrieb be­deutet, dass Be­treiber und insbesondere Instandhalter am besten nicht in Erscheinung treten, aber dann auch nicht wahrgenommen werden! Umgekehrt heißt der innere ­Appell für den Dienstleister: Tue alles,  damit sich nichts ­verändert! Wer Nachhaltigkeitsziele ­verfolgt, muss aber das Gegenteil wollen.

Das Nachhaltigkeitsgebot ­transformiert das Branchenmuster

Das Gebot nachhaltigen Wirtschaftens, das sich seit Anfang des letzten Jahrzehnts zu einem nicht mehr abweisbaren Leitprinzip entwickelte, hatte im Baugeschehen zunächst den Neubau ­erfasst. Zeitgleich mit der Krisenbewältigung ab 2008 haben Nachhaltigkeitsforderungen die Ziele des Investierens  beeinflusst – mit sich verändernden Prozessen des Planens und Errichtens. Ein mächtiger Hebel waren und sind die in den letzten Jahren national wie international eingeführten Bewertungssysteme zur Zertifizierung von Bauwerken und Bauprodukten. Dazu gehören Zertifizierungen durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB, durch das US-amerikanische LEED und das englische BREEAM (seit 2012 auch als deutsche Variante BREEAM DE). Erkennbar ist ein sich beschleunigender Paradigmenwandel, der aktuell auch den gesamten Bestand von Immobilien und Facilities erfasst. Deswegen ist die 2010 begonnene ­Umsetzung des DGNB-Systems in das öffentliche Bauen und Bewirtschaften durch das BNB „Bewertung Nachhaltiges Bauen“ von größter Bedeutung. Seit 2012 gehören zu diesem Bewertungssystem auch klare Anforderungen an das Nutzen und Betreiben (vgl. Leitfaden Nachhaltiges Bauen/www.nachhaltigesbauen.de). Das ist folgerichtig. Denn in dem Maße, wie sich das bauwirtschaftliche, immobilienwirtschaftliche und servicebezogene Wertsystem unter dem Nachhaltigkeitsgebot verändert, transformiert sich auch die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktentwicklung, Produktherstellung über projektbezogene Bauleistungen bis zur Nutzungs- und Betriebsphase.

Die in Europa, besonders in Deutschland wachsende Besorgnis über kata­strophale Langzeitfolgen des Klimawandels erzeugt politischen wie gesellschaftlichen Veränderungsdruck.  Gefordert werden deswegen in großem Maßstab Verbesserungen vorhandener Bausubstanz, vorhandener technischer Anlagen und die Optimierung der daran gebundenen Nutzungs- und Betriebsprozesse. Die Reduzierung von klimaschädlichen CO2-Emissionen – mit  einhergehenden Kostensenkungen des Energieverbrauchs  – hat in der Bestandsoptimierung  gegenüber dem Neubauvolumen das mit Abstand größte Potential – und betrifft damit das Kerngeschäft der Facility ­Services mit zugehöriger Führungsverantwortung im Facility Management.

Hindernisse – Eintrittsbarrieren – Aussichten

Die Forderung nach einer Veränderung von Bestandsobjekten und Betriebsprozessen für mehr Effizienz und erhöhte Nachhaltigkeit verlangt die Überbrückung  tiefer Gräben:

Eigentümer als Auftraggeber von FM-Diensten und Produkt-Anbietern müssen im Hinblick auf Kosten umdenken – und akzeptieren, dass sie nicht nur nach jährlich erzielbaren Kostenreduktionen für laufende Services, sondern zusätzlich nach Ersatzinvestitionen möglicher Verbesserungsmaßnahmen (auf der Basis von Amortisationszeiten) entscheiden.

Interne und externe FM-Dienstleister müssen umdenken. Routineprozesse ­rücken in den (selbstverständlichen) Hintergrund. Im Vordergrund steht ihre wachsende Kompetenz in Erneuerung und Optimierung.

Planer müssen umdenken. Ihr angestammtes Betätigungsfeld im Neubau erweitert sich durch Modernisierung und Sanierung. Zudem rücken Planer und Betreiber immer mehr zusammen – auf dem Weg zu gemeinsam getragener Langzeitverantwortung für den Betrieb errichteter Anlagen und Bauwerke.

Hersteller von Produkten und Systemen müssen umdenken. Sie liefern zukünftig schon in den Anfängen technologischer Ketten die Schlüssel zu Energie- und Ressourceneffizienz – mit „Points of Control“ in den Prozessen der Nutzer und Betreiber.

Das Gesamtverständnis für diesen mehrfachen Brückenschlag nennen wir Reengineering.

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