Expo Real 2025
Ernüchterung statt Aufbruchsstimmung? Und einmal mehr eine solide Arbeitsmesse statt Party Zone? „Die Stimmung war heiter bis ehrlich –
die Branche ist in der Realität angekommen“, beschreibt Konstantina Kanellopoulos, Geschäftsführerin der Goldbeck Services GmbH, die Stimmung auf der diesjährigen Expo Real. Und viele der gut 42.000 Teilnehmenden würde dies wohl unterschreiben, denn von überschwänglicher Euphorie war auf der Messe nur wenig zu spüren. Vielmehr beherrschte ein sachlicher Realismus das Stimmungsbild in den Messehallen.
Doch nach drei Messetagen hat sich die Expo Real letztlich doch als unverzichtbare Branchen-Plattform in einem nach wie vor herausfordernden Marktumfeld erwiesen. „Die Messe hat sich gewandelt“, so Aaron Tschörner, Geschäftsführer des Projektentwickler sRed Square. „Weniger Besucher, veränderte Flächennutzungen mit weniger kleinen Ausstellern. Dafür größere Messestände etablierterer Player und mehr Aufenthaltszonen. Was positiv auffällt: Die Branche rückt näher zusammen. Der Austausch ist offener, transparenter und lösungsorientierter. Viele Akteure haben verstanden, dass die aktuellen Herausforderungen nur gemeinsam gelöst werden können und dass ein konstruktiver Dialog wichtiger ist als je zuvor.“
Und nach einer Phase der Unsicherheit zeigt die europäische Immobilienwirtschaft wieder sichtbare Anzeichen der Stabilisierung. Auch wenn noch immer hohe Zinsen, wirtschaftliche Herausforderungen und strukturelle Veränderungen den Markt prägen, so wächst die Bereitschaft, Chancen zu nutzen und Zukunftsthemen aktiv zu gestalten.
Für den Geschäftsführer der Messe München, Stefan Rummel, hat die Expo Real 2025 „eindrucksvoll gezeigt, dass die Immobilienbranche nach einer Phase der Unsicherheit wieder Zuversicht schöpft. Trotz der weiterhin anspruchsvollen Rahmenbedingungen ist eine neue Dynamik spürbar geworden. Das konstruktive Miteinander auf der Messe ist ein starkes Signal für einen Markt, der sich Schritt für Schritt stabilisiert. Gleichzeitig bestätigt es die Bedeutung der Expo Real als zentrale Plattform mit klarem Businessnutzen, auf der internationale Akteure neue Wege gehen.“
Auch aus Sicht der Projektentwickler lässt sich dieser Trend beobachten, wie Ulrich Höller, Geschäftsführender Gesellschafter der ABG Real Estate Group, erläutert: „Die Expo Real 2025 hat meine Einschätzung bestätigt, dass sich der Markt in einer ‚Beruhigungsphase‘ befindet und das Investoreninteresse, wenn auch zögerlich, langsam zurückkehrt. Der offene Austausch über Marktbereinigung, Herausforderungen und Zukunftschancen ist hilfreich, Geschäftsmodelle zu bestätigen, gegebenenfalls anzugleichen und zu justieren.“
Wohnen als zentrale Zukunftsaufgabe
Kaum ein Thema prägte die Messe so sehr wie der Wohnungsmarkt. Im Fokus standen bezahlbarer Wohnraum, neue Baukonzepte und innovative Nutzungsansätze für Bestandsimmobilien. Mit dem neuen Forum „Flexible Housing” und der Expo Real Wohnstudie setzte die Messe wichtige Impulse und präsentierte praxisnahe Lösungsansätze.
Der Besuch von Bundesbauministerin Verena Hubertz zeigte, dass die Thematik höchste politische Priorität hat: „Wir müssen Bauen wieder ins Zentrum rücken. Alle sind sich auch einig, egal auf welcher Ebene man mit Menschen spricht, ob mit dem Bürgermeister oder der jungen Familie: Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum. Die Expo Real ist natürlich eine Institution, hier trifft sich die ganze Branche. Vor allem beeindrucken mich die vielen innovativen Lösungen, die hier vorgestellt werden. Und das brauchen wir doch: Neue Antworten in einem Markt, der wieder in Schwung kommen muss.“ Auch auf europäischer Ebene ist der Handlungsdruck groß, wie Eamon Ryan, Vorsitzender im Housing Advisory Board der Europäischen Kommission in Dublin, erklärt: „Europa steht vor einer tiefgreifenden Krise im Bereich des bezahlbaren Wohnraums. Die Bewältigung dieser Krise muss zu einer obersten politischen und wirtschaftlichen Priorität werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass öffentliche und private Finanzmittel Hand in Hand gehen müssen, wenn wir die Herausforderung des bezahlbaren Wohnraums lösen wollen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Plattformen wie die Expo Real weiterhin gezielte Diskussionen über bezahlbaren Wohnraum veranstalten. Die hohe Teilnehmerzahl bei der Podiumsdiskussion, an der ich teilgenommen habe, hat mich sehr ermutigt. Es ist klar, dass dieses Thema für Investoren und Entwickler ganz oben auf der Agenda steht.“
Austausch und neue Impulse
Die Messe bot nicht nur Raum, um bestehende Netzwerke zu vertiefen und neue Projekte anzustoßen – sie machte vor allem deutlich, wie unverzichtbar der persönliche Dialog für die Branche ist, wie auch Kai Mende, CEO von CBRE, betont: „Die Expo Real hat unsere Erwartungen an ihre Rolle als Forum der Branche vollständig erfüllt. Nirgendwo sonst ist es möglich, sich so intensiv auszutauschen, Herausforderungen und Chancen zu diskutieren und das Netzwerk derart effizient zu pflegen. Gerade angesichts des beginnenden neuen Zyklus ist das so wichtig wie nie.“ Auch Städte und Regionen nutzten die Messe gezielt für den Dialog mit Investoren, wie Bernhard Grieb, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Frankfurt GmbH, bestätigt: „Die Expo Real ist eine zentrale Plattform, um Frankfurts Stärken als Wirtschafts- und Immobilienstandort international zu präsentieren. Nach einer herausfordernden Phase sehen wir die Anzeichen für Stabilisierung des Immobilienmarktes und zunehmendes Interesse an Investitionen. Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig die Messe ist: Sie fördert Vertrauen, Austausch und neue Investitionsimpulse.“
Innovation als Treiber
Innovationen und neue Technologien sind zentrale Bausteine für die Zukunft der Branche – von der Dekarbonisierung über digitale Geschäftsmodelle bis hin zur datengetriebenen Projektentwicklung. Das wurde im Bereich „Transform & Beyond” eindrucksvoll deutlich: Über 80 Aussteller, darunter mehr als 50 Start-ups, präsentierten konkrete Lösungen für zentrale Zukunftsfragen und gaben Impulse für die Weiterentwicklung des Marktes. Florian Chan, Geschäftsführer von ChargeGuru, beschreibt den Mehrwert aus Unternehmenssicht: „Die Expo Real ist für uns ein Must-Have-Event, weil sie für uns ein wichtiger Treffpunkt mit den Top-Entscheidern und führenden Stimmen aus der Branche ist. Hier treffen wir alte und neue Gesichter, denen wir auf vielen anderen Events nicht begegnen.“
Perspektiven für die Branche
Die Expo Real war mehr als eine Plattform für Austausch – sie spiegelte den Wandel der Immobilienwirtschaft wider. Christina Mauer, CEO von einwert, bringt es auf den Punkt: „Während auf vielen Panels noch über die Herausforderungen der letzten Jahre gesprochen wurde, haben wir auf der Messe vor allem eines gesehen: Aufbruchstimmung. Die Immobilienbranche ist bereit für Innovation, und sie braucht sie dringender denn je. Die Expo Real hat bewiesen, dass sie mehr ist als eine Messe: Sie ist der Puls der Branche.“
Expo Real Wohnstudie
Die Knappheit an Wohnraum entwickelt sich zur Wachstumsbremse der deutschen Wirtschaft. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Expo Real mit dem Titel „Wohnen im Lebenszyklus“, die zum Start der internationalen Fachmesse für Immobilien und Investitionen am 6. Oktober veröffentlicht wurde. In der vom renommierten Pestel-Institut aus Hannover im Auftrag durchgeführten Untersuchung werden erstmals die aktuellen Zensusdaten zu Haushaltsgrößen, Altersgruppen und verfügbarem Einkommen miteinander verknüpft und wichtige wohnungspolitische Schlüsse gezogen.
„Unsere Studie zeigt, dass ausreichend verfügbarer Wohnraum und funktionierende Wohnungsmärkte als Wachstumsfaktoren für die Wirtschaft stark unterschätzt werden. Den Wohnungsmarkt aktiver zu gestalten, ist nicht nur eine soziale Frage, sondern auch ein dringendes wirtschaftspolitisches Gebot. Die Lösung der Wohnungsfrage ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die Konjunktur in Deutschland wieder Fahrt aufnimmt – ohne Wohnraum wird es auch kein Wachstum geben“, so Claudia Boymanns, Exhibition Director der Expo Real.
Mit der wissenschaftlichen Untersuchung setzen die Messeverantwortlichen einen gezielten Impuls in der Debatte um die Lösung der akuten Wohnungsknappheit. „Der Wohnungsmarkt und insbesondere der akute Mangel an bezahlbarem Wohnraum sind derzeit die zentralen Gesprächsthemen der Immobilienbranche. Davon zeugen auch die vielen Vorträge und Diskussionsrunden in unserem Konferenzprogramm in diesem Jahr sowie unser neues Format Flexible Housing“, so Boymanns weiter.
Wohnraum-Mangel versperrt Zugang zum Arbeitsmarkt
Matthias Günther, Geschäftsführer des Pestel Instituts und Autor der Studie, diagnostiziert in seiner Untersuchung einen gelähmten Wohnungsmarkt, der zunehmend auch den Arbeitsmarkt „erstarren“ lässt: „In Defizit-Regionen, in denen die Nachfrage das Wohnangebot massiv übersteigt, können Haushalte mit niedrigem Einkommen faktisch nicht mehr umziehen, weil die Differenz zwischen Angebots- und Bestandsmieten ein für diese Einkommensgruppe nicht mehr bezahlbares Ausmaß angenommen hat. Und auch die dringend benötigte qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland wird durch die massive Unterversorgung mit Wohnraum stark behindert. Die große Arbeitskräftelücke vieler Industrie- und Dienstleistungsbranchen kann sich dadurch nicht schließen“, erklärt der langjährig erfahrene Wohnungsmarktforscher.
Derzeit fehlen laut der aktuellen Wohnstudie allein in Westdeutschland etwa 1,2 Millionen Wohnungen, wenn man davon ausgeht, dass der Langzeitleerstand nicht mehr angeboten wird. Dieses Wohnraumdefizit muss sich auflösen, um die Mobilität auf dem Arbeitsmarkt wieder anzukurbeln. „Die Lage spitzt sich zu. Es reicht nicht mehr aus, einzelne Segmente zu fördern. Der Wohnungsbau insgesamt muss stimuliert werden, wenn das Wohnungsproblem gelöst werden soll“, sagt Günther. Sowohl der soziale als auch der Wohnungsbau durch Projektentwickler und der Eigenheimbau müssen auf breiter Front belebt werden. Ein großer Schritt könnte gegangen werden, wenn der Staat seine Vorteile in der Refinanzierung an den Wohnungsbau weitergeben würde, und zwar sowohl an den Mietwohnungsbau als auch an den Bau von Eigentumswohnungen, heißt es in der Studie.
Energetische Sanierung
Qualitativ ausgerichtete Förderprogramme allein können das Problem nicht lösen. Förderungen, die gegenüber den in Deutschland ohnehin schon sehr hohen Standards ‚noch bessere‘ Wohnungen bauen lassen, seien in dieser Situation nicht zielführend. „Es sollte auch egal sein, ob die Gebäude aus Beton, Stahl oder Holz sind – Hauptsache ist, dass die Wohnungen gebaut werden. Sonst gibt es keine positive wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland“, erklärt Studienautor Günther. „Ein wesentlicher Bestandteil der Transformation des Gebäudesektors liegt in der Deckung des nach der Sanierung verbleibenden Energiebedarfs durch regenerative Quellen. Die Kosteneffizienz der Umstellung auf alternative Systeme der Wärmebereitstellung – zu nennen ist insbesondere die Wärmepumpe – ist weit höher als eine sehr anspruchsvolle energetische Sanierung. Die Bestandssanierung darf nicht aufgegeben werden, aber die zu erreichenden Standards hinsichtlich des Wärmebedarfs sind zu hinterfragen.“
