Im Interview mit Mikko Raikaa

BIM als Schlüssel für Bauprojekte der Zukunft

Was wäre, wenn alle am Bauprozess eines Gebäudes Beteiligten Zugang zu digitalen Plänen, Prozesssteuerung und umfangreichen Datenbanken in einer Cloud hätten? Mit BIM (Building Information Modeling) ist das seit einigen Jahren möglich. Wie intensiv Planer, Ingenieure und Architekten, BIM bereits nutzen, ist von Land zu Land sehr unterschiedlich. Finnland gilt als Vorreiter in Sachen BIM. Mikko Raikaa aus Finnland war selbst in den unterschiedlichsten Rollen an vielen Bauprojekten beteiligt und kennt sowohl die praktische als auch technische Seite der Informationsmodellierung.

Seit Anfang 2023 verbindet der Diplom Ingenieur Theorie und Praxis als Hochschuldozent an der Metropolia University of Applied Sciences in Helsinki.

Die Umsetzung von Bauprojekten mit BIM wird derzeit in vielen Ländern noch sehr unterschiedlich gehandhabt. In Deutschland ist BIM ab dem 1. Januar 2021 für die Vergabe öffentlicher Aufträge verpflichtend. Wie sieht es in den nordischen Ländern aus? Gibt es auch in Finnland eine solche Anforderung?

Raikaa: „Ja, selbst in Finnland gibt es noch viele verschiedene Möglichkeiten, BIM-Projekte zu bearbeiten. Kleinere Wohnbauprojekte werden oft noch in 2D abgewickelt, weil das die vorgeschriebenen Mindestanforderungen sind. Aber alle größeren Wohnhäuser, Bürogebäude usw. werden mit BIM erstellt, da alle Bauherren, Architekten, Planungsbüros und Bauunternehmer, die BIM nutzen, auch alle Vorteile daraus ziehen wollen.

Unsere Regierung hat gerade ein neues Gesetz verabschiedet, das die Verwendung von BIM-Design bei fast allen Gebäudeentwürfen vorschreibt. Sie müssen BIM-Modelle erstellen, um die Baugenehmigung zu erhalten. ­Außerdem nehmen unsere Baugenehmigungsprüfer jetzt BIM-Modelle und fügen diese zu den Stadtmodellen hinzu, wo die Daten für zukünftige Bauherren und Renovierungen zur Verfügung stehen.“

Als Dozent sind Sie Experte für BIM. Wie schätzen Sie das allgemeine Know-how in Finnland zum Thema inzwischen ein?

Raikaa: „Das allgemeine Know-how hier in Finnland ist sehr gut. Wir haben in unserem Land viele Unternehmen, die BIM-Software entwickeln, und wir sind seit langem Spitzenreiter in vielen technischen Bereichen. Alle großen Planungs- und Bauunternehmen haben ihre eigenen BIM-Teams, die ihre eigenen Softwareumgebungen entwickeln und versuchen, die Nutzung von BIM noch besser und einfacher zu machen. Wir haben also viele Experten, die den Entwicklungsmotor am Laufen halten.“

Was steht in Ihren Kursen im Mittelpunkt?

Raikaa: „Mit der BIM-Modellierung kennen sich im Grunde alle neuen Planer und Designer aus oder haben sich zumindest in einem Teil ihres Studiums damit auseinandergesetzt. Das Problem ist, dass sie nur ein minimales Verständnis für die Software bekommen, weil es in der Kürze der Zeit so viele andere wichtige Dinge zu lernen gibt. Aus diesem Grund müssen die Unternehmen die Verantwortung für die eigentliche Software-Schulung selbst übernehmen. So kommt es, dass viele fortgeschrittene Modellierer oder BIM-Koordinatoren auch zeitgleich Ausbilder sind. Das führt dazu, dass es vielen dieser Trainer an pädagogischem Verständnis mangelt und die Schulungen zum anderen nicht vergleichbar sind. Das ist ein wichtiges Thema, das ich jetzt hier an der Metropolia zu beheben versuche.“

Bleiben wir beim Thema Ausbildung. Was ist bei der Arbeit mit BIM besonders wichtig und welche Kompetenzen braucht man?

Raikaa: „Natürlich ist BIM ein zu großes Thema, um es komplett zu überblicken. Aber zum Glück muss man das im Allgemeinen auch gar nicht. Das Wichtigste ist, das BIM-Konzept und den -Workflow des Projekts zu verstehen. Es geht darum, Entwürfe so, wie sie sind, an andere Planungsbeteiligte weiterzugeben. Auf diese Weise können andere bereits in einem frühen Stadium sehen und verstehen, wie gerade der Status ist. Das bietet die Möglichkeit, anderen den Entwurf schon zu zeigen, wenn er noch in Arbeit und unvollkommen ist.

Der Arbeitsablauf sieht in der Regel so aus, dass man zunächst allgemeine Objekte für das gesamte Gebäude erstellt und dann beginnt, diese zu detaillieren und ihnen genauere Formen und Informationen zu geben. Informationen und Details werden während des gesamten Entwurfs- und Produktionsprozesses zu denselben Objekten hinzugefügt, so dass das Objekt alle erforderlichen Informationen erhält. Wenn Sie das BIM-Konzept und seine Rolle in den Projekten verstehen, ist es viel einfacher, damit zu arbeiten, und Sie können wirklich alle Vorteile daraus ziehen.“

Auf welche Fähigkeiten legen Sie bei Ihren Trainings besonders Wert?

Raikaa: „Je nach Rolle im Projekt und Designausrichtung gibt es viele Unterschiede und ebenso unterschiedliche Software, die zur Auswahl steht. Bei allen Entwürfen werden mindestens ein paar verschiedene Entwurfs-, Analyse- oder Berechnungsprogramme verwendet. Der Schlüssel ist das Beherrschen der verschiedenen Programme. Es kommt nicht darauf an, alle Programme bis ins kleinste Detail zu kennen. Aber die Kompetenz muss dafür ausreichen, um das eigene Design mit anderen teilen zu können. Die Software ist hier ein Werkzeug ähnlich wie beim Handwerker. Auch dieser muss seine Werkzeuge kennen und wissen, wie sie funktionieren, um sie für die Aufgabe richtig zu nutzen.“

Die Vorteile von BIM liegen auf der Hand: Optimierung und Transparenz von der Planung eines Gebäudes bis zu seiner Verwaltung nach der Fertigstellung. Das bedeutet, dass man eigentlich alles auf einen Blick hat: ­Kosten, Beteiligte, Datenlage. Das ­ermöglicht insgesamt effizientes Arbeiten und die Vermeidung von Fehlern. Gibt es auch Herausforderungen?

Raikaa: „Ja, sie entstehen in der Regel, wenn nicht genügend Zeit eingeplant ist oder die BIM-Ziele des Projekts nicht richtig definiert oder verstanden werden. Aus diesem Grund ist die Rolle des BIM-Koordinators sehr wichtig, denn die betreffende Person soll dem Kunden und dem Bauherrn dabei helfen zu definieren, was benötigt wird und warum. Außerdem fertigt sie den Plan und die Anleitung für die BIM-Modellierung des Projekts an. Und erstellt die Anforderungen an das BIM-Design für die verschiedenen Planungsdisziplinen und Auftragnehmer. Weiterhin sorgt sie für die Erstellung von Kombinationsmodellen und die Integration verschiedener ­Modelle, damit diese zusammenarbeiten. Schließlich überprüft sie  die Modelle, damit diese den Anforderungen und Projektzielen entsprechen.

Nach dem Bau des Gebäudes verfügen wir über eine gute und intelligente Datenbank, die wir für die Gebäudewartung nutzen können. Hier können wir Wartungsanfragen einfach planen und ausführen und viele Sensoren zur Situationserkennung hinzufügen, um aktuelle Daten zu erhalten. Wir haben hier in Finnland bereits einige gute Pilotprojekte, aber die Herausforderung besteht darin, sie nützlicher und verfügbarer zu machen.“

Wir haben jetzt über Ausbildung, Planung, Konstruktion und Software gesprochen. Wie sehen Sie BIM in der Zukunft und was wünschen Sie sich in Bezug auf die BIM-Entwicklung?

Raikaa: „BIM entwickelt sich ständig weiter. Hier in Finnland laufen viele Studien und Entwicklungsprojekte. Heute konzentrieren sich viele auf nachhaltiges Bauen und Entwerfen. Einige Projekte befassen sich auch mit der Frage, wie die BIM-Informationen standardisiert werden sollten und wie wir unsere BIM-Modelle in der Zukunft, sagen wir in den nächsten 50 oder 100 Jahren, speichern können.“

Können Sie uns mehr über Projekte erzählen, an denen Sie derzeit arbeiten?

Raikaa: „Die Projekte, an denen ich derzeit arbeite, befassen sich mit der BIM-Lösung für den Abriss von Gebäuden und für wiederverwendbare Konstruktionen. Zentral sind dabei die Fragen: Wie und warum sollten wir BIM-Modelle für ein Gebäude erstellen, das abgerissen werden soll.

Außerdem starte ich ein Projekt zur Standardisierung der BIM-Schulung, damit alle BIM-Anwender zu Beginn ihrer BIM-Karriere über ähnliche grundlegende Informationen verfügen, unabhängig davon, wo sie studiert haben. Es laufen also eine Menge interessanter Projekte.“

BIM auf der L+B

Die Elektrifizierung und Digitalisierung des Gebäudesektors stehen auf der Light + Building in zahlreichen Vorträgen, Präsentationen und Diskussionsrunden im Mittelpunkt. Ganz praktisch erlebbar ist das Thema BIM auf dem Messestand des BTGA (Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V.) im Portalhaus angrenzend zu Halle 11 auf der Via Ebene am Stand B02. Der Messeauftritt wird hier selbst zum BIM-Modell, so dass Besucherinnen und Besucher die Vorteile der digitalen Planungsmethode live entdecken können. Weitere Treffpunkte für Wissenstransfer und fachlichen Austausch sind die Building Plaza in Halle 9.0 und das Technologieforum des ZVEI (Verband der Elektro- und ­Digitalindustrie) in Halle 12.1.

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