Zwischen Homeoffice und New Work: Der neue ALDI Nord Campus in Essen

„Auch Büro kann so ALDI sein…“

Anfang März 2022 wurde nach knapp drei Jahren Bauzeit der neue ALDI Nord Campus in Essen-Kray eröffnet. Der rund 100.000 m² große Gebäudekomplex wurde von BAID Architekten aus Hamburg entworfen und ist für die Unternehmensgeschichte des Essener Discounters ein bedeutender Meilenstein. Auf einer Fläche so groß wie 14 Fußballfelder bietet der Neubau eine hochmoderne, agile Arbeitswelt. Ein Arbeitsumfeld, das viel Raum für Kooperation und Kommunikation in neuen Arbeitsweisen bietet.

Damit ist der ALD Nord Campus ein Symbol für den Transformationsprozess der Unternehmensgruppe ALDI Nord: Die neue Heimat der ALDI Einkauf in Essen ist ein wichtiger und notwendiger Schritt in die Zukunft der Unternehmensgruppe als Erfinder des Discounts. Anpassungsfähigkeit ist im Handel besonders in einer zunehmend internationalen und digitalen Welt unerlässlich. Neue Arbeits- und Kommunikationsstrukturen, die einen schnellen und offenen Austausch unter den Abteilungen und Mitarbeitern, Externen und Internen ermöglichen, werden hier in Architektur abgebildet.

Der ALDI Nord Campus besteht überwiegend aus Open Space Büros, Co-Working Flächen und Kommunikations-Hubs für unterschiedlichste Ansprüche. Bei insge­samt rund 1.200 festen Arbeitsplätzen im Hauptgebäude gibt es weniger als 50 Einzelbüros. Ein zentrales Café und das Betriebsrestaurant bieten einen direkten Bezug zu der weitläufigen Parklandschaft mit Wasserbassins, Kräutergarten und Joggingstrecke, die von WES Landschaftsarchitekten entworfen wurde. Ergänzt wird der Bürokomplex um zwei Parkhäuser mit großer PV-Anlage auf dem Dach, einer Kindertagesstätte, einem Pförtner- und einem Sportpavillon.

Moderne Arbeitswelt – Corporate Architecture

Entstanden ist der ALDI Nord Campus im Industriegebiet von Essen-Kray. Auf dem Grundstück hatte ALDI Nord ein riesiges Warenlager betrieben und auf der direkt angrenzenden Liegenschaft steht das bisherige Verwaltungsgebäude, das aktuell saniert und vom „Erfinder des Discounts“ weiter genutzt werden wird.

BAID Architekten setzten sich 2016 mit dem 1. Platz beim geladenen Architektenwettbewerb durch und entwickelten mit ALDI Nord eine differenzierte und elegante Architektursprache, die weit über die Grenzen des neuen Campus hinaus sichtbar ist. „Der Campus wurde entworfen und geplant nach den Erfordernissen und Wünschen eines modernen Unternehmens, vertrauend auf die erfolgreichen Werte und die Zukunft im Blick“, sagt Architektin Jessica Borchardt, Gründerin und Geschäftsführerin von BAID.

Mit dem Entwurf wurde die ursprüngliche Topografie des Grundstücks wieder hergestellt und der etwa 10 m hohe Geländeversprung wurde mit dem Aushub für die Neubauten gestaltet. Aus dieser Modellierung leiteten die Architekten die Leitidee für den gesamten Campus ab: Auf Terrassenebenen ordneten die Architekten die funktional gegliederten Nutzungseinheiten triangelförmig um den Hochpunkt des Campus – einen siebengeschossigen Büroturm – an. BAID reagierten mit ihrem aufgelockerten Campus-Entwurf auch auf das angrenzende, kleinteilige Stadtbild von Essen-Kray und entwickelten zugleich ein neues grünes Quartier: Auf dem Campus werden rund 450 Bäumen neu gepflanzt.

Nachhaltigkeit und Weitsicht

BAID entwickelte für den Campus eine nachhaltige Architektur, die DGNB Gold zertifiziert ist. Entscheidende Nachhaltigkeitsfaktoren sind die große PV-Anlagen auf den Dächern den Parkhäusern, die konsequente intensive Dachbegrünung der Gebäude, die Nutzung der Geothermie über Wärmepumpen, ein Lüftungskonzept mit Wärmerückgewinnung und eine effiziente Grundversorgung des Campus mit Wärme und Strom über einen Fernwärmeanschluss. Besondere Elemente sind die zwei Wasserflächen auf dem Campus, die das anfallende Regenwasser – auch von den Gebäudedächern – auf dem Grundstück sammeln. Dabei steigern die Bassins, die dank ihrer Gestaltung viel mehr als reine Regenrückhaltebecken sind, zugleich die Aufenthaltsqualität auf dem Campus und verbessern gleichzeitig das Mikroklima auf dem Areal deutlich.

Der Inbegriff für nachhaltiges Bauen ist für Architektin Jessica Borchardt jedoch, wenn ein Gebäude seinen Nutzern lange verlässlich dient und nicht bereits nach ein paar Jahrzehnten ersetzt werden muss, da es nicht mehr zur Unternehmensstruktur passt. Daher plant das Büro all seine Projekte mit größtmöglicher Weitsicht und legt die Gebäude möglichst flexibel und anpassungsfähig an.

Beim ALDI Nord Campus steht bereits eine erste, von Anfang an mitgedachte Erweiterung kurz vor der Übergabe. Als besonders herausfordernd erweist sich bei solchen wachsenden Projekten die Vorhaltung der zusätzlichen Kapazitäten für Lüftung, Klima, Kommunikation. Da die begrünte Dachlandschaft von Installationen freigehalten werden sollte, sorgt nun ein erweitertes Untergeschoss für die notwendigen Versorgungseinrichtungen der Haustechnik. Zusammen mit dem geplanten Umbau der Bestandszentrale finden perspektivisch bis zu 2.000 Mitarbeiter auf dem Campus Platz.

„Das moderne Gebäude erfüllt hohe Nachhaltigkeitsstandards und bietet genug Platz für alle Mitarbeiter von ALDI Nord – ein wichtiger Schritt, um als Arbeitgeber die zeitgemäßen Erwartungen an einen modernen und interessanten Arbeitsplatz zu erfüllen“, betont Torsten Janke, Geschäftsführer der Albrecht KG und als Bauherr verantwortlich für den ALDI Nord Campus.

Spontane, zufällige Begegnungen

Die gesamte Gestaltung des ALDI Nord Campus bildet eine zeitgemäße Unternehmenskultur in Architektur ab, in der die Kommunikation und der Austausch untereinander im Mittelpunkt stehen. Die große Plaza in der Mitte des Bürokomplexes ist dabei das Herzstück. Um den Luftraum, der sich über bis zu fünf Geschosse erstreckt, gruppieren sich mit den sogenannten Kommunikations-Hubs zahlreiche Angebote für spontane Meetings. Über und durch die Plaza führen alle Verkehrswege – jeder bewegt sich notwendigerweise durch die Plaza. Auch der Hauptzugang zum Bürokomplex führt direkt in den zentralen Knotenpunkt.

„Horizontal und vertikal mit der zentralen Plaza verbunden, ermöglicht unsere Architektur zwangsläufig zufällige Begegnung und barrierefreien Austausch über alle Bereiche“, erklärt Jessica Borchardt.

Konstruktion und Formensprache

Die Plaza ist stützenfrei ausgeführt und wird von einem riesigen, filigran gegliederten Glasdach üppig belichtet. Ihr direkt angegliedert sind die wichtigsten Zusatzangebote für die ALDI Mitarbeiter: der Hörsaal, das Mitarbeiterrestaurant und das Café. Beide gastronomischen Einrichtungen verfügen durch die übergroßen Glasschiebetüren über einen direkten Zugang zu den terrassierten Außenterrassen an den beiden Seen. Zwischen den einzelnen Gebäudeteilen öffnet sich die Plaza mit ihren offenen Glasflächen zu allen Seiten in die Parklandschaft. Blickfänger in der Plaza sind die beiden vertikalen Grünwände, die das Mikroklima und die Akustik in dem großen Luftraum merklich verbessern. Gleichzeitig sorgen diese im Zusammenspiel mit zahlreichen Akustikmaßnahmen, die alle Wand und Deckenflächen einschließen, für eine angenehme Atmosphäre.

Die Grundrissform der Plaza ist die prägende geometrische Figur für den gesamten Campus. Die signethafte Formensprache mit abgerundeten Drei- bzw. Vielecken zieht sich durch alle Gestaltungselemente, von den Grundrissen des Empfangs- und Sportpavillons und der Kita, bis hin zu raumprägenden Elementen wie Oberlichtern, Fenstern oder Objekten in den Gebäuden.

Die Hamburger Architekten konzipierten das Gebäude als Stahlbetonskelettbau mit einer klassisch-modernen Bandfassade aus vorgehängten weißen Aluminiumelementen. „Die geschwungenen Baukörper präsentieren sich durch ihre elegante Form als modernes Haus unserer Zeit“, sagt Jessica Borchardt. Die horizontalen Geschossdecken springen vor und stärken die lineare Anmutung. Raumhohe Fensterelemente mit einer Dreischeibenisolierverglasung bieten eine optimale Tageslichtausbeute für die Büroflächen.

Bei der Innenraumgestaltung wurde nach dem Motto „schlicht und klar“ gehandelt und sich auf vergleichsweise wenige, aber durable Materialien und Oberflächen beschränkt: es dominieren Glas, helle Wände und Decken, in den Büroräumen liegt akustisch wirksamer und robuster Teppichboden in verschiedenen Graustufen und in den Verkehrswegen und in der Plaza wurde ein heller Terrazzoboden gegossen. Als Kontrast zu den enormen Dimensionen der offenen Bereiche wurde zur Steigerung der Behaglichkeit mit großflächigen und wegen der Akustik mit mikroperforierten Holzflächen gearbeitet. Möblierungen und Dreieck-Leuchten im CI-Blau von ALDI Nord lockern als Schmuckfarbe hier und dort die Gestaltung gezielt auf.

 

 

Veränderungen der Arbeitswelt

Nicht erst seit der Pandemie, aber durch deren Auswirkungen deutlich beschleunigt, ändert sich die Arbeitswelt grundlegend. Waren bisher alle Mitarbeitenden in Präsenz und man konnte sich fachlich (und privat) wie selbstverständlich austauschen, wurde dieser direkt menschliche Kontakt in weiten Bereichen ins Digitale übertragen. Mit allen Vor- und Nachteilen.

Positiv ist sicherlich zu bewerten, wie tiefgreifend und zügig die privaten Unternehmen sich auf diese Herausforderungen eingelassen haben und jeweils passende Konzepte entwickelt haben. Die Videokonferenz gehört selbstverständlich zur täglichen Arbeit und macht so manche Dienst­reise überflüssig. Andererseits bietet die Gewährung von Homeoffice und Remote Work neue Herausforderung für die Koordination und Organisation des Büroalltags. Neben den arbeitsorganisatorischen Anpassungen kann auch der auf Austausch und Spontanität setzende Teil des Berufsalltags durch die Reduzierung direkter Kontakte davon betroffen sein.

Für die Bauherren und Architekturschaffende ergeben sich daraus neue Fragestellungen, die in die Planung von neuen Bürogebäuden und die Umplanung des Bestands einfließen müssen.

Die meisten Unternehmen werden in einer jeweils passenden Form an der Gewährung von Homeoffice festhalten. Allerdings ist den Verantwortlichen auch klar geworden, dass bestimmte, eine gewisse Kreativität erfordernde Tätigkeiten, eine gemeinsame Präsenz erfordern. Auch der Zusammenhalt der Teams, die Bindung an das Büro oder das Unternehmen, der gegenseitige Austausch – und manchmal einfach die Tatsache, einfach unter Menschen zu sein – haben wieder an Bedeutung gewonnen. Und insbesondere die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist remote in vielen Bereichen schlicht nicht zu leisten.

Wie auch immer das individuell für das jeweilige Unternehmen entwickelte Konzept im Detail aussieht, ringen doch alle Arbeitgebenden, ob groß oder klein, um möglichst viel Verweilzeit im Büro. Dafür müssen Gründe geschaffen werden.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 05/2022

Vorschau

Workplace „Auch Büro kann so ALDI sein…“? Anfang März wurde nach knapp drei Jahren Bauzeit der neue ALDI Nord Campus in Essen-Kray eröffnet. Der rund 100.000 m² große Gebäudekomplex wurde von...

mehr

ALDI Nord und Viessmann: Gemeinsames Energieprojekt

07.03.2017 - Dem Kunden im Lebensmitteleinzelhandel frische Produkte anbieten und dabei das Klima schonen: Dieses Ziel verfolgen die beiden Unternehmen ALDI Nord und Viessmann mit einem Projekt, das...

mehr

Kötter Unternehmensgruppe: Autarke Energieversorgung am Campus Essen

Die Energiekrise und die daraus resultierende Frage nach der Versor­gungs­sicherheit bereiten Poli­tik, Bürgern und Wirtschaft immer grö­ße­re Sorgen. Kunden und Mitar­bei­ter der Kötter...

mehr
Ausgabe 05/2020 HPP Architekten

Neue Arbeitswelten am RWE-Campus in Essen

Auf dem neuen RWE-Campus werden zukünftig rund 3.000 Menschen in den Bereichen erneuerbare Stromerzeugung, konventionelle Erzeugung und Handel arbeiten. Gemeinsam mit Lang & Cie. Rhein-Ruhr aus Köln...

mehr
Ausgabe 5/2012 Change-Management für neue Arbeitswelten am Beispiel ­Vodafone Deutschland

Wenn Unternehmens- und Bürokultur harmonieren

Die Arbeitswelt befindet sich im Umbruch; heutige Büroarbeit ist freier, selbstbestimmter und komplexer geworden. Dass aus starren Abteilungen ­zunehmend flexible Prozess- und Projektteams werden,...

mehr