Der 2. Platz: Ein Zukunftsszenario für die automatisierte ­Wartungsabwicklung technischer Anlagen

ipv-Autorenpreis 2018

Der zweitplatzierte Beitrag unseres diesjährigen Autorenpreises geht unter anderem der Frage nach, ob der Mensch in Zukunft nur noch eine Ressource ist, die von der IT disponiert wird?! Der Artikel von David Neurohr und Heiko Filthuth beschreibt dabei ein Szenario für die automatisierte Wartungsabwicklung technischer Anlagen und gibt damit neue Impulse für die zukünftigen ­Entwicklungen im Facility Management.

Neue Impulse für künftige
Entwicklungen im FM

Computer und Software sind heute bei Facility Management-Dienstleistern nicht mehr wegzudenken und erreichen inzwischen auch Handwerker, Reinigungs- und Servicekräfte bei ihrer täg­lichen Arbeit. Die Dokumentation wird zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Aufgaben und die Fehlersuche und -behebung ist bei vielen technischen Anlagen und Geräten nur noch mit Hilfe von IT möglich. Doch wie wird diese Entwicklung weiter verlaufen? Wird der Mensch bald überflüssig – oder von der Technik gesteuert und beauftragt? Wie kann ein künftiges Störmeldeszenario aussehen?

 

Dienstag, 10:15 Uhr

Die Betriebstemperatur der Anlage ist leicht erhöht (1), der Geräuschpegel steigt und die Schwankungen neuralgischer Werte werden größer und häufiger. Verschiedene Sensoren melden ­diese Informationen an eine Gebäude­auto­mationsanwendung, die diese mit den gespeicherten Merkmalen früherer Störungen des gleichen Modells in einer zentralen Datenbank vergleicht und erkennt: Hier ist absehbar mit einer Wartung oder Instandsetzung zu rechnen (2).

Dienstag, 10:20 Uhr

Die Gebäudeautomatisationsanwendung startet automatisch einen Beschaffungsprozess. Eine hinterlegte Leistungsbeschreibung für die Wartung beziehungsweise Instandsetzung wird zusammen mit den Gerätedaten auf einem Beschaffungsportal veröffentlicht (3), um einen Dienstleister zur Durchführung der Wartung zu ermitteln. Das Beschaffungsportal benachrichtigt automatisch für die Leistung infrage kommende Dienstleister über das Vorliegen eines neuen Projektes.

Dienstag, 10:25 Uhr

Auf der Dienstleisterseite vergleicht eine Software das im Beschaffungsportal vorliegende Projekt mit dem Leistungsspektrum und der Verfügbarkeit (4), die sich aus dem eigenen Computer Aided Facility Management (CAFM) ergeben. Leistungsspektrum und Verfügbarkeit passen, die Software des Dienstleisters ermittelt anhand hinterlegter Vorgaben und Zuschläge einen Angebotspreis und bietet automatisiert auf das Projekt.

Mittwoch, 10:21 Uhr

Die Vergabefrist ist abgelaufen. Das ­Beschaffungsportal wertet die Angebote automatisch aus und erteilt dem Bestbieter den Auftrag (5) und den unter­legenen Bietern die Absage.

Mittwoch, 10:30 Uhr

Die Dienstleister-Software nimmt den Auftrag an, stellt ihn in CAFM bereit, beauftragt den Servicetechniker auf ­seinem mobilen CAFM-Client mit der termingerechten Wartung und löst automatisch einen Versandauftrag für die dafür voraussichtlich benötigten Verschleißteile aus (6). Erst beim Auftrag­geber werden Servicetechniker und Teile zusammentreffen.

Kurze Zeit später…

Der Servicetechniker hat die Wartung (7) durchgeführt. Er dokumentiert seine Arbeit und die verbauten Verschleißteile auf seinem mobilen CAFM-Client. Diese Meldung fließt zur Abrechnung an das CAFM des Dienstleisters, dessen Software eine Rechnung generiert und diese im Beschaffungsportal einstellt (8).

Zeitgleich meldet die Gebäudeautomationsanwendung des Auftraggebers die erfolgreiche Wartung, die sie anhand der veränderten Sensordaten festgestellt hat. Die Beschaffungsplattform gibt darauf die Zahlungsfreigabe (9) zur bereits vorliegenden Rechnung.

Noch ein wenig später …

Die Software des Auftraggebers veranlasst die Zahlung. Zahlungsaus- bzw. Zahlungseingang werden auf beiden Seiten im Electronic Banking automatisch registriert und in der Buchhaltungssoftware verbucht.

 

Nur ein Zukunftsszenario?

Ist dieses Zukunftsszenario nur annähernd zutreffend, so wird sich die Arbeitswelt im Facility Management in den nächsten Jahren weiter gravierend ver­ändern. Dass dem so ist, dafür spricht die schon heute hohe Verfügbarkeit von Sensoren für die verschiedensten Merkmale: Temperatur und Luftgeschwindigkeit, Wasserstand und Lage, Luftqualität und Partikelzahl – dies und noch viel mehr kann elektronisch erhoben und digital übermittelt werden. Auch Datenbanken mit historischen Daten werden bereits verschiedentlich gepflegt. Allein der Abgleich von aktuellen Informationen aus dem laufenden Betrieb mit Vergangenheitsdaten wird vielfach noch nicht routinemäßig und automatisiert genutzt. Hier passende Algorithmen zu entwickeln wird die eine Aufgabe sein, die rechtlichen Frage zu Eigentum und Nutzungsrecht der Daten zu klären eine andere.

Auch auf der IT Seite sind viele Funktionen bereits verfügbar. Software, die Leistungen automatisiert ausschreibt, Portale, die diese Leistungen veröffentlichen und andere Software, die auf hier veröffentlichte Leistungen bietet, ist Nutzern von Handels- und Versteigerungsplattformen wie ebay, myHammer und ihren Marktbegleitern nicht fremd. Gut denkbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis diese und andere Dienstanbieter sich noch stärker auf den B2B-Bereich konzentrieren und schlüsselfertige Dienste anbieten. Die Technologie gibt es bereits. Fallstricke sind auch hier eher rechtlicher Natur, denn ein unterschriebenes Angebot oder einen gegengezeichneten Auftrag wird es zumindest
in klassischer Form nicht mehr geben.

Bleibt noch die Einsatzsteuerung der Techniker. Software für das CAFM und damit verbundene mobile Clients für
die Servicetechniker hat heute jeder FM-Dienstleister im Einsatz. Auch Routenplaner mit Wegeoptimierung, die Mit­arbeiterqualifikationen oder Fahrzeugausstattungen berücksichtigen, gehören bei großen Serviceteams bereits zum Standard. Gelingt es, diese Systeme mit den Marktplattformen zu verbinden, steht dem volldigitalen Prozess wenig entgegen.

Ist also der Mensch in Zukunft nur noch eine Ressource, die von der IT disponiert wird? Nein. Denn bei aller Technik wird es auch und gerade im Facility Management immer Menschen brauchen, die miteinander reden, auf einander eingehen und emphatisch sind für die Bedürfnisse und Nöte des Gegenübers. Was sich jedoch ändern wird, ist die Kompetenz der Dienstleister und ihrer Mitarbeiter. Die IT wird eine immer wichtigere Rolle spielen, ein Vorteil für die Dienstleister, die hier bereits heute gut aufgestellt sind. Menschen werden räumlich und zeitlich flexibler sein müssen, ihre Affinität zur IT wird selbst bei Berufsbildern, die dies heute nicht zum Kern haben, immer wichtiger werden. Und der „Kollege Computer“ wird für den technischen Objektleiter vom reinen Werkzeug zum unverzichtbaren Mitarbeiter werden, ob er das nun will oder nicht. Willkommen in der nahen Zukunft!

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