FACILITY MANAGEMENT im Gespräch mit Ralph Heiliger

Mehr als nur Gebäudevermessung

Vom „Messen und Zeichnen als Einheit“ bis zur exakten digitalen Vermessung war ein weiter Weg. Das IngenieurTeam2 aus Rheinbach ist seit 25 Jahren dabei, Gebäude architekturgerecht aufzumessen. Dass die Arbeit auch nach dieser Zeit nicht ausgeht, – auch wenn sein Berater beim Arbeitsamt ihm einst davon abgeraten hatte, den Beruf des Vermessungstechnikers zu erlernen, da in wenigen Jahren alles vermessen sei – erläutert Ralph Heiliger im Interview mit der FM-Redaktion.

Herr Heiliger, herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum. Was fasziniert Sie seit über 25 Jahren an der Aufgabe, Gebäude zu vermessen?

Ralph Heiliger: Alles, denn jeder Auftrag ist einzigartig, jedes Gebäude ist einzigartig, sei es eine Burg, eine historische Kirche oder schlicht eine Industrieanlage. Auch die Menschen, mit denen wir zu tun haben – Hausbesitzer, Hausmeister, Mieter, Verwalter, Pförtner – sind einzigartig. Nicht selten erzählen sie uns ihre persönlichen Erfahrungen und gestalten dadurch das Bauaufmaß sehr lebendig. In manchen Häusern spürt man förmlich die Geschichte wie im Schloss Neuhardenberg. Sein Hausherr Carl-Hans Graf von Hardenberg gehörte zum Kreis der Mitverschwörer des Attentats auf Hitler. Im Pelikan-Stammwerk in Hannover fühlten wir uns beim Geruch der Tintenfässer in die Schulzeit versetzt. Kaufhäuser vermessen wir in der Regel nachts; dann umgibt uns bei kundenleerem Ambiente ein ganz besonderes Flair. Das alles ist mehr als nur Vermessen. Es ist aufmerksames Wahrnehmen und Zuhören. Dabei gilt es, den Blick auf das Ziel zu bewahren, stets zu wissen, worum es geht. Denn am Ende wollen wir unseren Auftraggebern Bestandspläne liefern,
die eine belastbare und damit wertvolle Grundlage stellen für ihre Planungen im Bestand, ihr Facility Management oder ihre Immobilienentwicklung.

Welche besonderen Herausforderungen gibt es für die Architekturvermessung heute?

Heiliger: Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Die Geschwindigkeit, mit der Ergebnisse vorliegen, ist für alle Planungsbeteiligten von großer Bedeutung. Stichwort: Intelligentes Vorabzugsmanagement. Normalerweise müssen zuerst alle Messwerte vorliegen, bevor ein Bestandsplan ausgereift das Büro verlässt. Die Kunst der sukzessiven Fertigstellung besteht darin, den Empfänger Schritt für Schritt über die jeweils erreichte Informationsdichte auf dem Laufenden zu halten. Hierfür bedarf es intelligenter Arbeitsprozesse, die abgestimmt sind auf den Just-in-time-Bedarf des planenden Büros. Zum anderen ist das schnelle Verstehen der baulichen Zusammenhänge wichtig. Sicher haben Architekten und Ingenieure ein besonderes räumliches Vorstellungsvermögen. Sie können sich vor dem geistigen Auge den zweidimensionalen Plan als dreidimensionale, räumliche Situation vorstellen. Aber um wie viel mehr wird eine Situation verständlich, die wir dreidimensional in Bewegung wahrnehmen? Wenn wir eintauchen in unterirdische Gewölbekeller, in das Labyrinth ehemaliger Bunker, in das Dickicht sich verzweigender Schächte und Tunnel? Virtuell können wir diese komplexe Geometrie schneller studieren und begreifen als es über zweidimensionale Planzeichnungen je möglich wäre. Voraussetzung sind allerdings digitale Messtechniken, die uns die dritte Dimension als pixeliges 3D-Bild ins Büro liefern wie zum Beispiel das moderne Laserscanning oder die Methode des Structure-from-Motions (SFM), das fotografische Messen mittels Drohnen. 3D-Brillen tun ihr übriges und lassen Planungsthemen in Baubesprechungen anschaulich werden.

Neue Techniken bieten Vorteile. Die Modelle werden
digital. Inwieweit werden Sie und Ihr Team in die Planung beim „Bauen im Bestand“ einbezogen?

Heiliger: Vor 25 Jahren haben wir davon geträumt, wir könnten den Baubestand dreidimensional vermessen und nach Belieben Grundrisse und Schnitte daraus ableiten. Zwar war und ist die Vermessung nach wie vor dreidimensional, wir messen stets x-, y- und die z-Koordinate. Aber die Auswertung dieser 3D-Daten beschränkte sich bis wenigen Jahren noch auf die zweidimensionalen Planprojektionen; das Messen vollzog sich direkt in der Grundriss- oder Schnittebene. Wollten wir an anderer Stelle noch einen Schnitt, mussten wir erneut vor Ort messen. Das war aufwendig und teuer. Mit dem Laserscanner und seinen pixeligen 3D-Messbildern hat sich vieles verändert.
Wir messen nicht mehr in einzelnen Projektionsebenen, sondern wir vermessen den gesamten umgebenden Raum. Buidling Information Modeling (BIM) als Dokumentationsmethode kommt genau zur richtigen Zeit, um die Vorteile des 3D-Scannens mit den Vorteilen der 3D-Dokumentation zu verbinden.

Grundrisse, Schnitte und Ansichten leiten sich inzwischen tatsächlich aus dem 3D-Modell ab. BIM hat sich zur Plattform entwickelt, die nicht nur die Bauwerksgeometrie, sondern darüber hinaus weitere Gewerke vorhält. Der Bestand umfasst ja auch Elektro, Klima, Heizung, Lüftung. Sie zählen zur Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) und wollen im Bestand ebenso dokumentiert sein. Unabdingbar damit verbunden ist die Kooperation mit gewerkspezifischen Fachingenieuren. Sie geben der geometrischen Erscheinung ihre Eigenschaft. Darum geht es letztlich beim Bauen im Bestand: um die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Gewerke. Sie ist längst zum Standard geworden.

In welchen Bereichen außer der Denkmalpflege und der Bauforschung sind Sie noch aktiv?

Heiliger: Denkmalpflege und Bauforschung sind interessante Spezialgebiete. Sie erfordern Kenntnisse in historischen Bauweisen und Architekturformen. Es sind Anforderungen an eine Dokumentation, die über den Anforderungen des gewöhnlichen Planens im nichtdenkmalgeschützten Bestand hinausgehen. Beiden aber ist eines gemein: Der Bestandsplan muss stimmen, er muss die gebaute Wirklichkeit maßlich-geometrisch exakt wiedergeben und seine Konstruktion erklären. Daneben gibt es aber auch die Anforderungen des Facility Managements. Es betrachtet den Baubestand mehr aus wirtschaftlicher Perspektive. Hier spielen die TGA, das Inventar und vor allem die Flächen eine zentrale Rolle. Das Halten & Entwickeln von Immobilien stellt schließlich Anforderungen an die Verfügbarkeit und Verlässlichkeit von Bestandsinformationen: Der Sachbearbeiter will das, was er für seine Arbeit braucht, auch direkt finden. Welche Pläne liegen für welchen Bauabschnitt vor? Genügen diese Pläne den Anforderungen an das Planen im Bestand? Er will Ordnung in seinen Datenbestand. Hier helfen wir mit Qualitätsgutachten. Sie geben Auskunft über die Verwertbarkeit vorhandener Archivpläne. Unser Softwareprodukt „SmartDocsys“ sorgt dafür, dass er in einer geordneten Gebäudedatenbank gezielt seine Informationen abgreifen kann. Die „2“ im Firmennamen deutet auf diese Kombinationsleistung: „Architekturvermessung und Informationssysteme“.

Inwieweit können Sie softwareseitig ihre Daten an die folgenden Planungsprozesse übergeben? Gibt es überhaupt noch Schnittstellenprobleme an dieser Stelle?

Heiliger: Man kann trefflich darüber streiten, welches CAD-System das bessere ist, oder welches BIM-System künftig als Standard gilt. Um eines kommt man jedoch nicht herum: Anzuerkennen, dass das dwg-Format bei CAD-Zeichnungen das vorherrschende Datenaustauschformat ist. Die Marktpräsenz des dwg-Formats ist für uns quasi eine Gewähr für einen optimalen Datenaustausch mit allen am Planungsprozess Beteiligten. Ob BIM eine ähnliche Entwicklung im Markt durchläuft, ob sich IFC wirklich als Standard-Datenaustauschformat etabliert, bleibt abzuwarten. Zurzeit wird – so mein Eindruck – bei BIM eher auf den direkten Datenaustausch zwischen den herstellerspezifischen Systemen gesetzt. Es scheint derzeit allein die Gewähr dafür zu bieten, dass an der verteilten Dokumentation von Baubestand viele Fachdisziplinen mitwirken können, ohne dass die Datenkonsistenz Gefahr läuft auseinanderzubrechen.

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