Gefährdungsbeurteilungen nach Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) sowie EN 81-80

Betreiberverantwortung für Aufzüge

Mehrere Millionen Menschen in Deutschland nutzen tagtäglich weit über 600.000
Aufzuganlagen und Fahrtreppen – Tendenz steigend. Die Hälfte dieser Anlagen ist mittlerweile älter als 20 Jahre und entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik.
Um die Sicherheit von Fahrgästen und Personen, die an der Anlage tätig sind, zu gewährleisten, sehen sich die Betreiber unterschiedlichster Anlagen mit einem komplexen Regelwerk konfrontiert. Im Interview mit der FM-Redaktion gibt Joerg Lassen, Modernisierungsexperte bei Otis Deutschland, Auskunft über die Auswirkungen der BetrSichV und die EN 81-80.

Die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) ist die deutsche Umsetzung der Europäischen Arbeitsmittelrichtlinie 2009/104/EG und regelt in Deutschland die Bereitstellung von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber oder dessen Gleichstellen. Anfang Mai dieses Jahres wurde die aktuellste Version dieser Richtlinie rechtkräftig. Die Betriebssicherheitsverordnung betrifft alle Eigentümer und Betreiber von Aufzugsanlagen in Deutschland. Deshalb wird im Folgenden der Einfachheit halber von „Betreiber“ gesprochen. Als allgemein akzeptierte Prüfliste fungiert, die im Jahr 2016 veröffentlichte Europäischen Norm DIN EN 81-80: 2016. Diese zeichnet unterschiedlichste Risiken auf und bildet einen sehr guten Leitfaden für das Überprüfen verschiedenster Aufzugsanlagen.

Um die Anforderungen zu erfüllen und die Sicherheit der Fahrgäste zu erhöhen, wird eine kompetente Beratung der Betreiber von sogenannten überwachungspflichtigen Anlagen durch unabhängige Experten immer wichtiger. Joerg Lassen, Modernisierungsexperte bei Otis Deutschland, erläutert im Gespräch die Relevanz einer akkuraten ­Gefährdungsbeurteilung.

Herr Lassen, wie wird sichergestellt, dass Aufzugsanlagen in Deutschland unabhängig von ihrem Alter auf dem neuesten und sichersten Stand sind?

Regelmäßige Wartungsintervalle und Überprüfungen sorgen in erster Linie fortlaufend dafür, die Funktionstüchtigkeit und Sicherheit aller Anlagen zu gewährleisten. Darüber hinaus verlangt ­die Betriebssicherheitsverordnung aber auch eine eigenständige Gefährdungsbeurteilung. Einfach gesagt: Ersteres sorgt dafür, dass der Aufzug nach dem Inverkehrbringen sicher und verlässlich funktioniert. Die Gefährdungsbeurteilung wiederum hilft, das technische Optimum zu erreichen. Die europäisch festgelegten Sicherheitsnormierungen ­orientieren sich dabei am Stand der Technik. Unabhängig davon schreitet die Entwicklung der Aufzugstechnologie in riesigen Schritten voran. Moderne Anlagen sind sicher, effizienter und komfortabler in der Nutzung. Eine objektive Gefährdungsbeurteilung verschafft Betreibern einen schnellen und zuverlässigen Überblick über den aktuellen Zustand ihrer Anlagen.

Welchen Nutzen hat eine Gefährdungsbeurteilung für Besitzer und Betreiber von Aufzugsanlagen?

Die Einhaltung verschiedenster Sicherheitsvorkehrungen dient in erster Linie der Sicherheit des Fahrgasts und Personen, die an der Anlage tätig sind. Zudem kann man mit zielgerichteten Modernisierungsmaßnahmen die Lebensdauer verlängern. Die Nachhaltigkeit ist dabei ein wesentlicher Faktor, denn bei vorausschauender technischer Bewertung müssen im Idealfall nachfolgend weniger Teile ausgetauscht werden. Die Kosten- und Planungssicherheit für den Betreiber ist zusätzlich ein sehr wichtiger Aspekt.

Wie können beispielhafte Modernisierungsmaßnahmen aussehen?

Oft reichen schon kleine Verbesserungen und Nachrüstungen, um eine bestehende Anlage wieder zukunftssicher zu machen und Normen einzuhalten. Das Nachrüsten einer Umwehrung auf dem Fahrkorbdach oder das Anbringen einer Leiter in der Schachtgrube zum Beispiel. Beides erhöht die Sicherheit für den Servicetechniker bei Wartungsarbeiten. Die Installation eines Lichtgitters zur Türüberwachung oder einer Frequenzregelung zur Verbesserung der Bündigkeit sind zukunftsorientierte Maßnahmen, welche die Sicherheit für den Fahrgast erhöhen.

Ist die Einhaltung der Betriebssicherheitsverordnung Pflicht?

Ja. Jeder Betreiber muss die auftretenden Gefährdungen an seinen Anlagen beurteilen lassen und gegebenenfalls daraus notwendige Schutzmaßnahmen ableiten. Genau deshalb ist es wichtig, Betreibern beratend zur Seite zu stehen und fach­gerechte Modernisierungen zu ermöglichen.

Wie wird gewährleistet, dass die Beratung tatsächlich unabhängig vom Aufzughersteller stattfindet?  

Wir setzen auf eine objektive Beurteilung. Uns ist es wichtig, dass strenge Qualitätsanforderungen eingehalten werden. Auf der Suche nach einem starken, Partner, der in Sachen fachlicher Kompetenz unseren Ansprüchen entspricht, haben wir uns für eine Zusammenarbeit mit einer extern zertifizierten Prüforganisation entschieden. Diese führt als externer Service-Partner die Gefährdungsbeurteilung eigenständig durch und erstellt eine detaillierte Übersicht identifizierter Mängel oder Optimierungsmöglichkeiten. Darauffolgend kann der Betreiber oder Besitzer einer Anlage sich an das Unternehmen seiner Wahl wenden, um die ggf. vorhanden Abweichungen beseitigen zu lassen.

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