BIM ist in der Planungspraxis angekommen

„100 % der Projekte haben das Potential, mit BIM effizienter zu werden“, sagte Siggi Wernik, geschäftsführender Gesellschafter bei Leon Wohlhage Wernik Architekten und  Vorstandsvorsitzender des buildingSMART e.V., als es um die Frage ging, ob sich Building Information Modeling (BIM) auch für kleinere Projekte und das hierzulande typische kleine bis mittlere Planungsbüro lohnt. Im Laufe des 16. buildingSMART Forums, das am 6. November 2012 in der Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin stattfand, kristallisierte sich einmal mehr heraus: BIM ist in der Planungspraxis angekommen. Weltweit agierende, renommierte Büros arbeiten schon längst damit. Ihre Präsentationen und die Projekte, die sie in Berlin vorstellten, waren ein überzeugendes Plädoyer für die Methode, die auf modellorientierter Arbeitsweise und der Vernetzung aller am Bau Beteiligten basiert. Sie stießen damit auf großes Interesse: mit weit mehr als 200 Teilnehmern war der Kongress ausgebucht.

 

Gleichzeitig zeigte die Veranstaltung, kompetent und unterhaltsam moderiert von Dr. Thomas Welter, Bundesgeschäftsführer des BDA, auf, dass es auch in der Fachwelt nach wie vor Aufklärungsbedarf gibt, wenn es um die durchgängige Nutzung digitaler Bauwerksmodelle im Planungsalltag geht. Als Verein, der sich genau diesen Aspekt auf die Fahnen geschrieben hat, sieht sich der buildingSMART e.V. hier in der Pflicht und agiert. Unter anderem mit der Neuausrichtung des deutschsprachigen Chapters und einer neuen Strategie, die im Frühjahr 2012 aufgesetzt wurde. Zu den Kompetenzen und Leistungen gehören Information und Integration, aber auch die Standardisierung von Prozessen und Strukturen bis hin zur Anwenderzertifizierung. Konsequenterweise stand der diesjährige Kongress unter dem Motto „BIM@Work, Aspekte der digitalen Vernetzung“. 

 

Zuspruch erhielt der buildingSMART dafür sowohl von der Öffentlichen Hand als auch seitens der Berufsverbände. Angesichts von Rahmenbedingungen wie dem Informationsmangel im Frühstadium der Projektentwicklung, wachsendem Zeitdruck auch bei Großprojekten oder heterogenen Planungsstrukturen begrüßte Dr. Veit Steinle vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin, in seinem Grußwort ausdrücklich die Initiative des buildingSMART e.V. hier aktiv zu werden, „um das Bauen in und außerhalb Deutschlands zu gestalten“. Auch Hans-Ullrich Kammeyer, der Präsident der Bundesingenieurekammer, Berlin, lobte den Einsatz von buildingSMART e.V., sich für eine Lösung einzusetzen, die das generalistische, „das ganzheitliche Planen am selben Modell wieder ermöglicht“. Er sieht noch einigen Bedarf in der Aus- und Weiterbildung der Berufsöffentlichkeit, um hier wettbewerbsfähig zu bleiben und bietet dafür aktive Unterstützung an.

Komplexe Projekte erfordern BIM

 

Einer, der BIM schon längst intensiv nutzt, ist Wolf Mangelsdorf, Partner im Büro Happold, London, mit weltweit mehr als 1500 Mitarbeitern. Hier verbindet BIM die verschiedenen Disziplinen – von Architektur über Tragwerksplanung bis zur Haustechnik und auch zur Kooperation mit Herstellern. Alle Beteiligten agieren auf einer gemeinsamen Modellierungsplattform. Nicht zuletzt, um die Baubarkeit hoch komplexer Strukturen wie auch bei Planungen mit Zaha Hadid Architekten oder Ron Arad sicher zu stellen und zu optimieren. „Der Computer erlaubt uns, Geometrien und parametrische Modelle zu entwickeln, die es vor 20 Jahren noch gar nicht gab.“ Für Mangelsdorf ist BIM wichtig für den gesamten Ablauf, von der Konzeption bis zur Fertigstellung, aber auch für Nachhaltigkeit und Energiekonzepte. So konnte die „graue Energie“ eines von Ron Arad geplanten Gebäudes relativ einfach berechnet werden, was letztlich auch die Materialwahl beeinflusste: Stahl ersetzte die geplanten Aluminiumelemente. Einige Tausend Tonnen CO2 konnten gespart werden. Für Happold haben sich die Investitionskosten von BIM amortisiert. Dem vorgezogenen höheren Zeit- und Kostenaufwand in der Planungsphase steht eine große Zeit- und Kostenersparnis während der Zeit des Bauens gegenüber, so Mangelsdorf. Die Londoner haben ihre Hausaufgaben in Bezug auf die BIM Strategie der Britischen Regierung, die besagt, dass integrierte BIM Methoden ab 2016 im öffentlichen Bauen vorgeschrieben sind, bereits gemacht.           

            
Etwas anders arbeiten die Ateliers Jean Nouvel (AJN), Paris. Nouvel setzt noch auf die Trennung von Entwurf und BIM Umsetzung. Trotzdem: „Komplexe Projekte erfordern BIM.“ Für Brian Wait, AJN, der sich nicht als „BIM Guru“ sieht, steht das außer Frage. Bei Projekten wie dem National Museum Quatar mit der kristallinen Struktur einer Wüstenrose arbeitet AJN zusammen mit externen BIM Spezialisten wie Tobias Nolte, Gehry Technologies (GT), am zentralen Datenmodell in der Cloud. Denn hinter dem, was hier auf den ersten Blick einfach scheint, verstecken sich höchst komplexe Gebilde, die ohne 3D-Modellierung kaum und schon gar nicht wirtschaftlich umsetzbar wären.

 

Tristram Carfrae von Arup Australia machte seine ersten BIM Erfahrungen in 2003, im Zusammenhang mit den Planungen für den Water Cube in Peking. Das dreidimensionale parametrische Datenmodell bot ihm die einzige Möglichkeit, alle relevanten Daten der beteiligten Planer und Gewerke zu integrieren: Design, Architektur, Statik, Haustechnik, Lichttechnik bis hin zur Materialauswahl für die Hülle, die u.a. Lichteinfall und Geräuschpegel beeinflusst. Carfrae war fasziniert davon: Abstimmungsprobleme, die sich normalerweise erst im Verlauf des Bauprozesses ergeben, konnten bereits in der Planungsphase erkannt und anhand des 3D-Modells gelöst werden. Noch während der Formfindung und in der Konzeptionsphase konnte der Entwurf immer wieder optimiert werden. Was nach mehr als 25 Iterationen schließlich zu der Lösung führte, mit der das Planungsteam den Wettbewerb für sich entscheiden konnte.

 

„Nichts anders als BIM“ macht Fabian Scheuerer, designtoproduction, Zürich. Sein Unternehmen entwickelt digitale Modelle als Grundlage für die maschinelle Produktion von Präzisionsbauteilen. Beispielsweise für Shigeru Bans Holzkonstruktion des neuen Centre Pompidou in Metz. Dessen netzartige Struktur ist inspiriert vom traditionellen chinesischen Strohhut mit einem Tragwerk aus 1.800 unterschiedlichen Brettschichtholzträgern. Gefragt war seine Arbeitsweise auch für die mehrfach gekrümmte Dachkonstruktion des Konzerthauses im norwegischen Kristiansand von ALA Architects. Bei „file to factoring“ geht es um Genauigkeit, auch wenn am Ende alles ganz einfach aussieht. Eine CNC-Maschine, die im Maßstab 1:1 produziert, braucht, so Scheuerer, parametrische Daten mit einer extrem hohen Planungstiefe. Voraussetzung dafür ist auch für ihn BIM: der komplett integrierte modellorientierte Ansatz und die intensive Kommunikation aller Beteiligten. Dass die Projekte auf seinem Tisch heute immer komplexer werden, sieht er entspannt, denn: „wir werden ja auch immer besser“.

  

Interessante Parallelen zum schlanken Kreuzfahrt-Schiffbau und zur Vorfertigung par excellence zog Matthias Hartmann, Meyer Werft Akademie. Die Werft hat einige Rekorde aufzuweisen: So steht Europas längstes Fließband für die Kabinenfertigung in Papenburg. Und jährlich werden hier drei Theater gebaut. In Zeiten immer kürzerer Bauzeiten bei gleichzeitiger Kostenoptimierung sind Lean Management und der kontinuierliche Verbesserungsprozess längst selbstverständlich. Dabei geht es insbesondere um die Identifikation der erforderlichen Teilaufgaben beim Planen und Bauen der Schiffe, die tagesgenau definiert werden. So wird der Gesamtprozess transparent, präzise steuerbar und deutlich wirtschaftlicher, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben. Viele Prozesse sind weitgehend automatisiert. Und nichts geht ohne eine optimierte Taktung, intensive Kommunikation, koordinierten Informationsaustausch und permanentes Reporting.      

 

 

Die Planungs- und Bauprozesse verändern sich, ebenso wie sich die Berufsbild der daran Beteiligten weiter verändern wird. Ihre Zusammenarbeit spielt dabei eine wesentliche Rolle. Gerade in Deutschland, wo eher kleinere Büros dominieren, die ihre Wettbewerbsfähigkeit mit BIM und über Kooperationen erhöhen können. Über Innovation durch ein "Miteinander" sprach auch Irja Wichert von Exalead, Mainz in ihrem Vortrag über Kommunikation, Kollaboration und Koordination. Das sind Softskills, die auch bei BIM im Mittelpunkt stehen. Und die sich - wie der schnelle, direkte Informationsaustausch - für die neue, Socialmedia erfahrene Generation möglicherweise einfacher und selbstverständlicher gestalten.

 

Die Technik und die Methode dafür stehen auf jeden Fall bereit. Und der buildingSMART e.V. ist hoch motiviert: für 2013 sind unter anderem verschiedene BIM Projekte, weitere Anwendertage mit Fokus auf die Praxis sowie ein internationaler Kongress in Deutschland geplant. „Wenn buildingSmart die Normierung von BIM über Zertifizierungen wie DIN und ISO erreicht hat, geht es weiter mit BAM (Building Assembly Model) für die Bauphase und BOOM (Building Operation Optimization Model) für die Betriebsphase des Gebäudes“, sagt buildingSMART Vorstand Siggi Wernik, für den BIM derzeit erst der Anfang ist.

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