Sauberes Trinkwasser erfordert mehr als nur einen Instandhaltungs- und Hygieneplan

VDI 6023 zur Trinkwasserhygiene

Im September 2022 ist die aktualisierte Richtlinie VDI 6023 zur Trinkwasserhygiene erschienen. Neben technischen Details regelt die Neufassung auch Inhalte der dazugehörenden Schulung. Neu sind auf der technischen Seite konkrete Anforderungen an Probenahmestellen, Anforderungen an die Betriebsanleitung sowie zur Vorbereitung eines Instandhaltungs- und Hygieneplans nach VDI 3810 Blatt 2*VDI 6023 Blatt 3.

Diese Doppelrichtlinie beschreibt den Betrieb und die Instandhaltung im Detail. Zudem widmet sich die Richtlinie VDI 6023 erstmals der Hygiene in Lieferketten: „Ein Bauteil einer Trinkwasser-Installation mag alle technischen Anforderungen erfüllen, doch wird es auf der Baustelle unter hygienisch bedenklichen Bedingungen gelagert oder eingebaut, kann die Hygiene in der Gesamt­installation kompromittiert werden“, führt Thomas Wollstein aus, der beim Verein Deutscher Ingenieure e.V. (VDI) den Fach- und Richtlinienausschuss im Bereich der Trinkwasserhygiene betreut.

 

Ein Richtlinienbündel für die Trinkwasserhygiene

Doch das Regelwerk für gesundheitlich unbedenkliches Wasser ist komplexer: Technische Vorschriften für die Umsetzung von Installationen finden sich unter anderem in DIN 1988, DIN EN 806, DIN EN 1717 und in der Trinkwasserverordnung. Das Gesamtbild bildet keine dieser Normen ab. „Eine in VDI 6023 beschriebene Schulung bündelt die Inhalte einer ganzen Reihe von Regelwerken“, erklärt Thomas Wollstein. „Wer Trinkwasser-Installationen plant, errichtet oder betreibt, kommt nicht an ihr vorbei“, so Wollstein weiter. Die entsprechenden Schulungen müssen alle wichtigen Aspekte berücksichtigen.

 

Überarbeiteter Trinkwasserhygiene-Führerschein

Was hat es mit dem VDI-Partnerschulungsmodell auf sich und wie verbindlich ist es? Zunächst muss man wissen, dass die Schulung jetzt in einem eigenen Blatt, nämlich in VDI-MT 6023 Blatt 4, beschrieben ist. „MT steht für Mensch und Technik. Es geht also um Dinge, die zwar nicht technischer Natur sind, aber in einem engen Zusammenhang mit der Technik stehen“, erklärt Physiker Wollstein. Die Regelsetzer schlagen mit dieser Einteilung einen neuen Weg zugunsten einer verbesserten Benutzerfreundlichkeit ein, der sich bereits bei anderen Richtlinien bewährt hat. Inhaltlich hat der Richtlinienausschuss in der Neufassung tiefergehende Details festgelegt. Sie sind zwingend Gegenstand der Schulung, bilden Vorgaben und Regeln aus allen für die Trinkwasserhygiene relevanten Normen ab und lassen das Gesamtbild der Trinkwasserhygiene erkennen. Durch diese Vorgehensweise ist ein übersichtlicher und vollständiger Lehrplan entstanden, dessen Inhalte in einer Abschlussprüfung abgefragt werden. „Absolventinnen und Absolventen der Schulung erhalten nach dem erfolgreichen Abschluss einer Multiple-Choice-Prüfung eine VDI-Urkunde, mit der sich Qualifikation und Befähigung dokumentieren lassen“, erläutert Thomas Wollstein. Da die Schulungsinhalte komplex sind, ist eine weitere Bedingung für den Erhalt einer VDI-Urkunde eine geeignete Einstiegsqualifikation. Thomas Wollstein ergänzt: „Die Schulung baut auf dieser Einstiegsqualifikation auf. Eine fachfremde Person ohne Vorwissen könnte ihr wahrscheinlich nicht folgen.“

 

Zielgruppengerechte Schulungen

Um genauer auf verschiedene Zielgruppen und deren Bedürfnisse einzugehen, ist die Schulung in drei Kategorien unterteilt: Die Kategorie A richtet sich an Ingenieure, Techniker und Meister der Sanitärtechnik und berücksichtigt deren planerische Aufgaben an Trinkwasser-Installationen. Für Fachkräfte, die die Trinkwasser-Installation ausführen, etwa Handwerker mit einer sanitärtechnischen Grundqualifikation, ist die Kategorie B vorgesehen. Daneben gibt es erstmals eine dritte Gruppe, die mit der Schulung der neuen Kategorie FM angesprochen werden soll. Denn die Mitarbeiter im FM stehen an vorderster Front, wenn es darum geht, ein Gebäude zu betreiben. „Ähnlich wie ein Brandschutzhelfer muss diese Personengruppe eingreifen, sobald es ein Problem gibt. Dafür ist es notwendig, das hygienerelevante Problem überhaupt zu erkennen. Je nach Problem gilt es dann aber, einen Fachbetrieb zu beauftragen, statt selbst eingreifen“, erklärt Wollstein.

Zwar sei die Schulung nicht zwingend vorgeschrieben, sagt Thomas Wollstein, dennoch geht der Lehrgang für alle Beteiligten in Bauwesen, Handwerk und der Facility Services mit Vorteilen einher: Nicht nur können sie sicher sein, dass ihr Wissen auf dem neuesten technischen Stand ist. Vielmehr bietet insbesondere die Urkunde einen Wettbewerbsvorsprung bei Ausschreibungen, da sie die Expertise auf aktuellem Stand belegt. Auftraggeber können sich umgekehrt, wenn sie Fachkräfte für Arbeiten an Trinkwasser-Installationen suchen, dank des Zertifikats ein klareres Bild von der Qualifikation machen. Nicht zuletzt bei juristischen Auseinandersetzungen könne der Nachweis über den Besuch der Schulung die gebührend sorgfältige Auswahl belegen, sagt der VDI-Experte.

Den Unterricht halten jeweils Fachleute mit nachgewiesener und vom VDI überprüfter Expertise. Die Dozenten, Ingenieur oder Techniker, sind ausschließlich für technische Inhalte zuständig. Den Teilbereich Hygiene übernehmen Personen mit vertieften Mikrobiologiekenntnissen, etwa Ärzte oder Mikrobiologen oder von den Kammern bestellte Sachverständige speziell für Trinkwasserhygiene. Zu den qualitätssichernden Maßnahmen des VDI gehört es zudem, dass Vertreter des Vereins stichprobenartig und unangemeldet die Kurse besuchen.

 

Der Klimawandel heizt unser Trinkwasser auf

Thomas Wollstein rechnet mit einer hohen Nachfrage nach der Schulung gemäß VDI 6023. Trotz der Möglichkeit zu Online-Unterricht stand während der Pandemie lange Zeit vieles still. Gleichzeitig explodierte vorübergehend der Bedarf an Bau- und Handwerkerleistungen. „Es ist damit zu rechnen, dass es nun zu Nachholeffekten kommt. Mit einer rechtzeitigen Anmeldung zur Schulung lassen sich lange Wartezeiten vermeiden“, schätzt der VDI-Experte. Ihm ist es ein Anliegen für die Thematik, welche die Gesundheit der Menschen betrifft, zu sensibilisieren. „Trinkwasser ist ein Lebensmittel. Von daher ist jede Trinkwasser-Installation eine Art Lebensmittelverpackung“, meint er. Ohnehin werde es in Zeiten von Klimawandel und steigenden Temperaturen zukünftig immer mühsamer werden, die technischen Vorgaben einzuhalten. Rohre, die unter von der Sonne aufgeheiztem Asphalt verlaufen, benachbarte sich erhitzende Stromleitungen, die auch das Trinkwasser erwärmen: Die Wassertemperatur bei den vorgeschriebenen maximal 25 Grad zu halten, sei in Zukunft zunehmend mit Herausforderungen verbunden. Die neue Richtlinie VDI 6023 und die darin beschriebene Schulung helfen, diese komplexe Aufgabe zu bewältigen.

Richtlinienreihe VDI 6023 „Hygiene in Trinkwasser-Installationen“

Die VDI 6023 gilt für alle Trinkwasser-Installationen auf Grundstücken und in Gebäuden (einschließlich mobiler Anlagen, z.B. auf Wasserfahrzeugen). Sie gibt Hinweise für die Planung, Errichtung, Inbetriebnahme, Nutzung, Betriebsweise und Instandhaltung aller Trinkwasser-Installationen. Aus der Reihe sind Blatt 1 und 4 im September neu als Weißdruck erschienen:

Blatt 1: Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung

Blatt 2: Gefährdungsanalyse

Blatt 4: Qualifizierungen für Trinkwasserhygiene

Die Richtlinienreihe erhalten Sie beim Beuth Verlag online unter: www.beuth.de/go/vdi-6023

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