FACILITY MANAGEMENT im Interview mit dem CEO der Siemens-Division Building Technologies

„Infrastructure & Cities“

Der Siemenskonzern agiert seit 1. Oktober dieses Jahres mit nunmehr vier Geschäftsfeldern. Aus Teilen der bekannten Säulen Industry und Energy ist der Siemens-Sektor Infrastructure & Cities gebildet worden. FACILITY MANAGEMENT im Gespräch mit Dr. Johannes Milde, CEO der Siemens-Division Building Technologies über Gründe und Aussichten dieser neuen Unternehmensaufstellung.

Herr Dr. Milde, warum ein vierter Bereich?

Dr. Johannes Milde: Städte auf der ganzen Welt stehen bereits heute vor der großen Herausforderung, dass immer mehr Menschen dort leben. Schon seit 2007 findet sich als die Hälfte der Menschheit in Städten, und diese Zahl steigt stetig an: In 20 Jahren werden es mehr als 60 % sein. All diese Menschen müssen transportiert werden, sie brauchen saubere Luft, Energie und frisches Wasser zum Leben und wollen ein ­sicheres und lebenswertes Umfeld.
In Städten wird bereits heute rund
zwei Drittel der weltweiten Energie verbraucht und bis zu 70 % der weltweiten CO2-Emissionen ausgeschieden. Daraus ergibt sich für Siemens ein bedeutendes Marktpotential. Wir bieten bereits heute Infrastrukturlösungen, die Städten helfen, diese Herausforderungen zu meistern. Integrierte Mobilitätslösungen zum Beispiel helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und den Verkehrsfluss zu optimieren. Ein schönes Beispiel ist London, wo unser integriertes Mobilitätskonzept inklusive Maut- und Tollingsystem den Autoverkehr in der City um 20 % reduziert hat. Gleichzeitig fließt mehr Geld in die Stadtkasse, und der Kohlendioxid-Ausstoß hat sich um 150 t pro Jahr verringert. Darüber hinaus kann mit Hilfe unserer Gebäudetechnik der Energieverbrauch um bis zu 40 % gesenkt werden. In zunehmendem Maß werden Gebäude auch beim Lastausgleich intelligenter Stromnetze wichtig: Die aufgrund der Einspeisung erneuerbarer ­Energien entstehenden Schwankungen müssen intelligent ausgeglichen werden. Das Smart Building wird nicht nur Energie abziehen, sondern sie auch speichern und einspeisen können und wird damit ein wichtiges Element des Smart Grid beim Lastausgleich.

 

Ein wenig vermisse ich ein eigenes Feld namens Energy Contracting.

Dr. Milde: Das Energiespar-Contracting ist seit über einem Jahrzehnt ein fester Bestandteil unseres Angebotes. In Zusammenarbeit mit Siemens Financial Services bieten wir mit dem Energie­spar-Contracting eine Kombination aus Energieberatung, Installationsleistungen und Finanzierung an. Dabei braucht der Gebäudebesitzer keinerlei Erstinvesti­tionen zu tätigen, kann sein Gebäude modernisieren und damit die Energiekosten senken. Die notwendigen Maßnahmen werden über die von Siemens garantierten eingesparten Energie- und Betriebskosten finanziert. Das Energiespar-Contracting schafft dabei eine vierfache Win-Situation: Für den Gebäudebesitzer steigt der Wert seiner Immobilie, für den Gebäudenutzer reduzieren sich die Betriebskosten, Siemens Gebäudetechnik wächst in diesem Geschäft und nicht zuletzt wird die Umwelt entlastet. Seit 1995 hat Siemens in rund 6500 Gebäuden weltweit Energieeffizienzmaßnahmen durchgeführt. Bis heute konnten Kunden dadurch ca. 2 Mrd. € an Energiekosten einsparen. Davon wurde die Hälfte im Rahmen von 1352 Energiesparcontracting-
Projekten mit 4500 Gebäuden erzielt und die Umwelt um rund 9,7 Mio. t CO2 entlastet.

Könnten Sie nicht, Dank der Finanzkraft von Siemens, dieses Angebot enorm pushen?

Dr. Milde: Das tun wir bereits gemeinsam mit Siemens
Financial Services. Es gibt aber auch andere Finanzunternehmen, die gerne in dieses Geschäft investieren wollen, da es risikoarm ist und angemessene Erträge ermöglicht. Das öffentliche Ausschreibungswesen in Europa trägt aber nicht unbedingt zur Beschleunigung bei.

 

Warum taucht nirgends der Begriff Facility Management auf. Scheuen Sie dieses Geschäftsfeld?

Dr. Milde: Facility Management ist ein wichtiges Arbeitsgebiet, um Gebäude optimal zu unterhalten und zu betreiben. Es umfasst sehr viele Disziplinen und viele von diesen –
z. B. die Gebäudereinigung, der Gartenunterhalt oder die Bewachung passen nicht in die Struktur und DNA des Siemens Konzerns. Wir in der Gebäudetechnik von Siemens sind aber sehr daran interessiert, Dienstleistungen im Bereich des technischen Gebäudeunterhalts anzubieten und dafür auch IT-Lösungen zur Verfügung zu stellen. Generell sind technische Fachkräfte knapp und insbesondere in Wachstumsmärkten wie China werden sehr häufig technische vorhandene Infrastrukturen nicht oder ineffizient ­genutzt, weil gut ausgebildete Betriebsfachleute fehlen.
Moderne Remote-Service-Lösungen werden uns hier
weitere Geschäftsmöglichkeiten bieten.

 

In der Division Building Technologies ist umfassendes Know-how zur Gebäudetechnik und zu den dazugehörigen Services gebündelt. Ohne eigenes Geschäftsfeld Facility Management laufen Sie doch Gefahr, hier als Subunternehmer eines FM-Dienstleisters zu agieren?

Dr. Milde: Das mag in manchen Fällen so sein und kann auch sinnvoll sein. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir als Experten für Schutz, Sicherheit und Energieeffizienz mit globaler Präsenz in vielen Fällen diese Leistungen direkt an unsere Endkunden verkaufen können. Hier werden die Anforderungen weiter steigen und wir werden unser Angebot weiter ausbauen. Denkbar ist die Beratung von Immobilienbesitzern, Städten und großen Unternehmen um ihren Gebäudepark effizienter, umweltschonender und kostengünstiger zu betreiben bzw. den Wert zu steigern. Energieeffizienz ist hier ein wichtiger Beitrag, der Unterhalt der technischen An­lagen, die Vermeidung von Unterbrüchen, die Nutzung erneuerbarer Energien und der Möglichkeiten intelligenter Stromnetze nehmen aber an Bedeutung zu – alles sehr Know-how intensive Gebiete, die mit IT und Automatisierungslösungen deutlich ­effizienter umgesetzt werden können.

 

 

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