Sonnenschutztechnik erhöht den Nutzerkomfort und sorgt für ­Energieeinsparungen

FACILITY MANAGEMENT-Special
„Gebäudetechnik“

Jeder spricht von energiesparender Beleuchtung oder kostensparender und umweltschonender Heiztechnik. Doch warum nicht die Quelle nutzen, die uns kostenfrei und in großen Mengen Licht und Kraft liefert? ­Jeden Tag erhält die Erde von der Sonne das Zehntausendfache an ­Energie, die der Mensch heute produziert – und das sauber und ohne ­Belastungen für die Umwelt. Mit einem Konzept der bioklimatischen ­Fassaden lassen sich solares Licht und solare Wärme in Gebäuden nutzbar machen.

Das Funktionsprinzip einer bioklimatischen Fassade beruht auf dem Einsatz automatisch gesteuerter Behänge an der Fassade, um den Wärmeaustausch zu regulieren. Der Sonnenschutz reagiert durch seine Sensorik automatisch auf die sich ständig ändernden ­äußeren Bedingungen. Auf diese Weise herrschen immer optimale Licht- und Sichtverhältnisse im Innern, das Raumklima bleibt angenehm, es geht weniger Energie verloren und bei genügend Sonnen­ein­strahlung lässt sich die solare Wärme nutzen. Die wesentlichen Bausteine dieses Konzeptes sind effektives Tageslichtmanagement, effiziente Heiz- und Kühlstrategie sowie natürliche Belüftung auf Basis einer intelligenten Steuerung von Fenstern und Sonnenschutz.

Doch ein nutzerorientiertes Fassadenmanagement kann nur funktionieren, wenn viele unterschiedliche Faktoren in Betracht gezogen werden. Allem voran stehen die Erfordernisse der Personen, die im Gebäude leben und arbeiten. Um für ein optimales Raumklima zu sorgen, ist es entscheidend zu wissen, welchen Beschäftigungen die Nutzer nachgehen und welches Nutzerverhalten dies nach sich zieht. Weitere Einflussfaktoren auf die klimatischen Verhältnisse im Gebäude sind die Nutzung (z.B. als Büro, Hotel etc.), die Fassadenkonstruktion (Doppelhautfassade, Vorhangfassade etc.) ­sowie die Verglasung (Beschichtung, Zwischenraumfüllung und -breite). Sie beeinflussen sowohl die Licht-, als auch die Wärme und Luftdurchlässigkeit.

 

Effektives Tageslichtmanagement

Natürliches Licht ist für das menschliche Auge angenehmer als künstliche Beleuchtung. Studien weisen nach, dass Schüler bei einem Höchstmaß an Tageslicht bessere Noten erzielen[1]. In Büros führt es zu höherer Produktivität und geringeren Fehlzeiten. Das heißt allerdings nicht, dass komplett auf Verschattung verzichtet werden kann. Immer wieder kommt es zu Planungsfehlern, bei denen der Sonnenschutz außer Acht gelassen wird.[2] Denn ungehindert einfallendes natürliches Licht führt je nach Sonnenstand und Positionierung des Arbeitsplatzes im Raum zu ungünstigen Sichtverhältnissen. In der Bildschirmarbeitsverordnung wird daher gefordert, „Fenster … mit einer geeigneten verstellbaren Lichtschutzvorrichtung“ auszustatten, „durch die sich die Stärke des Tageslichteinfalls auf den Bildschirmarbeitsplatz vermindern lässt.“[3] Wieviel Licht in das Gebäude dringt und wie es sich dort in den Räumen verteilt, hängt zunächst von der Größe der Gebäudeöffnungen und der Art der Verglasung ab. Die Fensterelemente müssen groß genug und richtig positioniert sein, damit das Sonnenlicht in den gesamten Raum fallen kann. Transparentes Glas sorgt im Gegensatz zu getönten Varianten für eine qualitativ bessere Beleuchtung. Damit die Vorzüge der natürlichen Beleuchtung ohne störendes direktes Sonnenlicht vollkommen ausgenutzt werden können, sind verstellbare Beschattungselemente unerlässlich. Sie ­tragen dazu bei, Kontraste zu vermindern, Blendung zu vermeiden und eine angenehme Arbeits­atmosphäre zu erzeugen.


Optimal gelenktes Tageslicht

Fassadensteuerungen lassen sich per Sonnenstandsverfolgung so programmieren, dass die Lamellen von Jalousien immer für das richtige Maß an Tageslicht sorgen, ohne Blendungen zuzulassen. Durch den exakten Lamellenwinkel ist es auch möglich, Licht in dunklere Raumbereiche zu leiten. Allerdings stehen Nutzer- und Betreiberbedürfnisse unter Umständen im Widerspruch zueinander, weil die visuellen Bedürfnisse des einzelnen nicht mit dem Gesamtkonzept übereinstimmen. Im Sommer etwa will der Betreiber vermeiden, dass zuviel Tageslicht und damit Sonnenwärme ins Innere der Räume gelangt, um die Kühllast niedrig zu halten. Der Nutzer hingegen möchte per lokaler Bedienung für mehr natürliche Beleuchtung sorgen. Die Lösung ist hier ein Kompromiss. Denn es gibt die Möglichkeit, einen maximalen Wendewinkel über die zentrale Steuerung festzulegen. Wie weit der Nutzer gegensteuern kann, ist abhängig von der Programmierung der Anlage. Der Betreiber kann also den für sich relevanten Mittelweg zwischen ökonomischen Interessen und individuellem Nutzerkomfort definieren – ohne den Blendschutz zu vernachlässigen. Ebenfalls notwendig ist die Schlagschattenberechnung. Hohe und verwinkelte Konstruktionen oder umliegende Gebäude werfen zu unterschiedlichen ­Tages- und Jahreszeiten Schatten auf ­andere Gebäudeteile und beeinfussen so die Sichtqualität. Diese Parameter ­lassen sich in die Programmierung ebenso integrieren wie die Steuerung des Sonnenschutz nach einzelnen Fas­sadenabschnitten.


Effiziente Heiz- und Kühlstrategie

Außerhalb der Arbeitszeiten oder bei Abwesenheit muss der Sonnenschutz tagsüber keine Blendschutzfunktion erfüllen. Während dieser Zeit können solare Gewinne zum Heizen des Gebäudes verwendet werden. So spart der Betreiber Heizkosten. Das ist auch der Fall, wenn sich der Sonnenschutz abends rechtzeitig schließt. Er wirkt dann isolierend und verringert die Wärmeverluste durch das Fenster.

Sommerlicher Arbeitskomfort ist vor allem eine Frage der Raumkühlung. Eine zentrale Rolle spielen dabei zunächst die Fenster. Je nach Beschaffenheit des Glases dringt mehr oder weniger Sonnenenergie von außen nach innen durch. Maßgeblich dafür ist der g-Wert, der Gesamtenergiedurchlassgrad. Je geringer der Wert, desto weniger Sonnenwärme gelangt ins Haus. Das ist beispielsweise bei reflektierendem Glas der Fall. Hier liegt der g-Wert bei circa 0,49, im Gegensatz zu einer klaren Doppelverglasung, die einen g-Wert von etwa 0,76 aufweist. Im Sommer wirkt sich eine Verglasung mit niedrigem g-Wert also vorteilhaft für das Raumklima aus. Im Winter jedoch hat sie den Nachteil, dass die solare Energie nicht optimal zum Wärmen der Innenräume genutzt werden kann. Die Lösung besteht in einer Verglasung mit einem etwas höheren g‑Wert in Verbindung mit einem automatischen Sonnenschutz. Diese Kombination blockiert im Sommer bis zu 90 % der Sonnenenergie. Der Gesamtdurchlassgrad g liegt dann bei nur 0,1. Bis zu 35 % Energieeinsparung pro klimatisiertem Bereich lassen sich hier erzielen. Die Investitionssumme liegt bei 200 bis 280 € pro Fenster. 40 % Einsparpotenzial liegen vor, wenn der automatisierte Sonnenschutz funktional an die Wärmeregulierung des Gebäudes gekoppelt ist. Hier sind die Investitionskosten mit 220 bis 300 € pro Fenstereinheit nur geringfügig höher anzusetzen. Auch eine Studie der European Solar Shading Organization (ES-SO) kommt zu dem Schluss, dass dynamischer Sonnenschutz ein aktives Kühlsystem überflüssig machen kann oder die benötigte Maximalleistung und dadurch die Investitions- und Wartungskosten reduziert. Laut Ergebnissen dieser Studie lässt sich die benötigte Kühlenergie sogar um 80 % verringern. Wichtig dabei: Der Sonnenschutz muss außen liegen, damit die solare Energie schon vor dem Durchlass ins Innere abgeblockt wird. Bei innenliegenden Elementen ist die Kühlwirkung wesentlich geringer. Durch die Programmierung von ­reduzierten Wendewinkeln bei Jalousien wird zudem verhindert, dass die Nutzer durch manuelle Bedienung zu viel Sonnen­energie ins Rauminnere lassen und die Kühllast sich erhöht.


Windschutz verringert Kühlbedarf

Da Außenbehänge zum Schutz vor Beschädigung durch Windlasten rechtzeitig nach oben gefahren werden müssen, kann es neben schlechteren Sicht­verhältnissen für die Nutzer auch zu ­erhöhtem Kühlbedarf im Sommer kommen. Viele Steuerungssysteme aktivieren bei „Windalarm“ die Behänge des gesamten Gebäudes, obwohl die Windlasten häufig nur an einzelnen Fassadenteilen auftreten. Sonnenschutzsteuerungen sind in der Lage, nur die Behänge des jeweils von übermäßiger Windlast betroffenen Fassadenteils zu steuern. Alle anderen bleiben geschlossen. Diese Funktion wird steuerungstechnisch über Windrichtungsmessung und die Möglichkeit nach Windrichtung variierender Windschwellwerte ­erreicht.


Automatische Lüftung durch ­Sonnenschutz und Fenster

Natürliche Lüftung erfüllt im Rahmen des bioklimatischen Konzepts eine wichtige Funktion. Sie verringert den Klimatisierungsbedarf und senkt dadurch insbesondere bei warmem Wetter den Energieverbrauch durch Klimaanlagen. Damit das funktioniert, sollte der Sonnenschutz am Tag mit einer nächtlichen Lüftung gekoppelt sein. Dafür sorgen beispielsweise gekippte Fenster und geöffnete Behänge. Die ­lassen sich per Steuerungszentrale und Timer abends mühelos und zuverlässig in eine Lüftungsposition bringen. So werden die Innenräume abgekühlt und morgens dauert es länger, bis die Temperatur wieder ansteigt. Das angenehme Raumklima entsteht also auf ­natürlichem Weg verringert ebenfalls die Kühllast.


Künstliche Beleuchtung und ­automatischer Sonnenschutz

Unter Sichtkomfort- wie Energiesparaspekten ist eine aufeinander abgestimmte Steuerung von künstlicher Beleuchtung und Sonnenschutz wünschenswert. Außerdem lassen sich durch eine optimale Nutzung des Tageslichts Energiekosten für künstliche Beleuchtung verringern. Die Aufwendungen dafür können in bestehenden Büro- und Verwaltungsbauten bis zu 50 % des Gesamtenergieverbrauchs ausmachen[4]. Über Bewegungsmelder wird ermittelt, ob sich Personen im Raum befinden. In diesem Fall wird über Sensoren die beste Kombination von Sonnenschutzposition und künstlichem Licht ermittelt. Ist niemand im Raum, schaltet sich das Licht aus. Je nach Tages- und Jahreszeit fahren die Behänge automatisch nach oben oder unten. Die Hersteller Philips und Somfy arbeiten derzeit an einem solchen Konzept.


Weniger Emissionen

Die Fakten zeigen, dass es sich in jedem Fall lohnt, intelligente Sonnenschutztechnik einzusetzen. Der Nutzerkomfort erhöht sich nachweislich und die Betriebskosten des Gebäudes können gesenkt werden. Zudem leistet sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag auf dem Weg, die Emissionen der Industrieländer bis zum Jahr 2050 auf ein Viertel des heutigen Werts zu senken (EU-Beschluss vom 14.12.2006) und damit die unumkehrbaren Folgen des Treibhauseffekts einzuschränken.

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