Was bei der Gestaltung von FM-Verträgen zu beachten ist

„Bonus-Malus-System“ oder lieber „Klassik-Vertrag“?

Bei der Gestaltung von FM-Verträgen stellt sich immer wieder die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Bonus-Malus-Regelung anstelle oder zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungsstörungsrechten zu vereinbaren. Von einer Leistungsstörung spricht man, wenn eine Leistung nicht vertragsgemäß erbracht wird, sei es, weil sie überhaupt nicht oder verspätet erfolgt oder mit einem Mangel behaftet ist. Insbesondere der Auftraggeber von FM-Leistungen wird nach effektiven Möglichkeiten suchen, wie er den Auftragnehmer dazu anhalten kann, die Leistungen vertragsgemäß zu erbringen und auf welche Weise er bei Leistungsstörungen Ansprüche gegen den Auftragnehmer schnell und kostengünstig durchsetzen kann.


Anwendung des BGB-Leistungsstörungsrechts

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sieht für schuldrechtliche Verträge verschiedene Regelungen für den Fall einer Leistungsstörung vor. Zum Teil gelten für bestimmte Vertragstypen (z.B. Werk­vertrag) besondere Bestimmungen zur Gewährleistung, während für andere Verträge (z.B. Dienstvertrag) allein das allgemeine Leistungsstörungsrecht zur Anwendung kommt. Welche Rechte bei Leistungsstörungen bestehen, bestimmt sich also zunächst danach, welche Art von Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden ist.

Wegen des Charakters des FM-Vertrages als typengemischter Vertrag, der sowohl Werk- als auch Dienstleistungen zum Gegenstand hat, kann im Rahmen der Vertragsabwicklung schwierig zu beurteilen sein, welche der gesetzlichen ­Regelungen bei einer Leistungsstörung anzuwenden sind. Eine von vornherein eindeutige Zuordnung ist nur möglich, wenn der Vertrag im Ganzen als Werk- bzw. als Dienstvertrag anzusehen ist. In den meisten Fällen wird man jedoch für jede einzelne Leistung bestimmen müssen, welchen Charakter diese hat und welche rechtlichen Folgen sich aus einer Störung dieser Leistung ergeben.

Handelt es sich um eine Werkleistung, bestimmen sich die Rechtsfolgen im ­Falle einer Leistungsstörung nach den §§ 634ff. BGB, die neben einer Verweisung auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht spezielle Regelungen treffen. Das Dienstvertragsrecht kennt hingegen kein eigenes spezielles Leistungsstörungs­recht. Vielmehr kommen ausschließlich die allgemeinen schuldrechtlichen ­Regelungen zu Leistungsstörungen zur Anwendung.

Vorteile eines Bonus-MalusSystems

Das Leistungsstörungsrecht des BGB wird den Bedürfnissen der Vertragspartner eines FM-Vertrages nicht immer ­gerecht, weil die dort vorgesehenen Rechtsfolgen nicht auf die Leistungsbeziehungen in einem FM-Vertragsverhältnis zugeschnitten sind. So geht das Werkvertragsrecht des BGB von einem einmaligen Leistungsaustausch aus, während der FM-Vertrag ein Dauerschuldverhältnis darstellt, zu dessen ­Erfüllung zahlreiche Werk- als auch Dienstleistungen wiederkehrend zu ­erbringen sind. Deshalb tritt etwa anstelle des nach dem Werkvertragsrecht vorgesehenen Rücktrittsrechts bei Mängeln das Recht zur Kündigung. Die Kündigung des gesamten FM-Vertrages wegen eines Mangels entspricht jedoch zumeist nicht den Interessen der Vertragsparteien.

Im Falle der Minderung bei Werkleistungen kann es schon bei der Ermittlung des Minderungsbetrages zum Streit kommen. Nach § 638 Abs. 3 Satz 1 BGB ist die Vergütung in dem Verhältnis ­herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert des Werkes in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde. Zwar kann die Minderung erforderlichenfalls durch Schätzung ermittelt werden, jedoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass bereits die Ermittlung des Minderungsbetrages bei FM-Leistungen streitträchtig und schwierig sein kann. Durch einen von vornherein festgelegten Malus können insofern Unsicherheiten und Streit vermieden werden.

Eine vergleichbare Problematik stellt sich bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Hier wird sich der Auftraggeber von FM-Leistungen oft schwer tun, diesen zu beziffern oder nachzuweisen, dass überhaupt ein Schaden eingetreten ist. Selbst wenn man als (Mindest-)Schaden die für die nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachte Leistung zu viel entrichtete Vergütung ansetzt, so bereitet in aller Regel bereits die Bestimmung der auf den betreffenden Teil der Leistung entfallenden Vergütung Schwierigkeiten. Insoweit kann einem Malus die Funktion eines pauschalierten Schadensersatzes oder ­einer Vertragsstrafe zukommen. Bei Dienstleistungen ist nach der gesetzlichen Regelung eine Vergütungsmin­derung für Schlechtleistungen nicht ­vorgesehen. Es kommt lediglich ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung in Betracht, der jedoch – anders als die Minderung im Werkvertragsrecht – ein Verschulden voraussetzt. Hier eröffnet die Vereinbarung eines Malus also überhaupt erst die Möglichkeit für den Auftraggeber, ­verschuldensunabhängige Ansprüche wegen einer Schlechtleistung des ­Auftragnehmers geltend zu machen.

Im Interesse des Auftraggebers liegt es, dass es möglichst gar nicht erst zu ­Leistungsstörungen kommt. Ein Anreiz hierzu kann sein, dem Auftragnehmer für eine überdurchschnittlich gute Leistung eine höhere Vergütung zu zahlen (= Bonus). Andererseits kann als Druckmittel vorgesehen werden, dass der Auftragnehmer eine geringere Vergütung erhält, wenn er nicht ordentlich leistet (= Malus). Umgekehrt profitiert der Auftragnehmer von einem vereinbarten Bonus, weil sich dadurch, dass er mehr als die geschuldete Vergütung erhält, ein besonders hoher Einsatz bei der Leistungserbringung auch auszahlt.

Unerlässlich für ein praktikables Bonus-Malus-System ist zunächst, dass die ­geforderte Qualität der Leistungserbringung hinreichend präzise beschrieben wird. Nur wenn klar ist, was als vertragsgemäß gilt, kann eine Abweichung hiervon festgestellt werden. Ein handhabbares Bonus-Malus-System muss darüber hinaus Bestimmungen dazu enthalten, wie nicht vertragsgemäße Leistungen „gemessen“ werden. Außerdem sollte im Vertrag bereits festgelegt werden, durch wen (z.B. externer Sachverständiger) und wie und wann die Leistungen kontrolliert und bewertet werden.

Durch eine entsprechende Gestaltung des Bewertungssystems durch den ­Auftraggeber hat dieser es selbst in der Hand, dass er eine zusätzliche Vergütung in Form eines Bonus nur dann leisten muss, wenn ihm die besonders hohe Qualität der Leistung auch Vorteile ­bietet. So können Abweichungen von der geschuldeten Leistung in wichtigen Bereichen anders gewichtet werden, als in weniger wichtigen Bereichen (z. B. verspätete Leistungserbringung bei sicher­heitsrelevanten Anlagen; Reinigung ­repräsentativer Räume im Vergleich zur Reinigung von Nebenräumen).

Es bietet sich beispielsweise an, die Verfügbarkeit einer Anlage als Parameter für einen Bonus bzw. Malus zu bestimmen. Es kommt dann nur auf das Ergebnis „Anlage läuft“ an und nicht darauf, welchen Grund z.B. ein vorübergehender Ausfall der Anlage hat. Hierdurch besteht ein Anreiz für den Auftragnehmer, die Anlage ausreichend zu warten, instandzuhalten und instand­zusetzen, um das Risiko von Anlagenausfällen zu minimieren und so seine Vergütung in voller Höhe oder einen darüber hinausgehenden Bonus zu ­erhalten.

Sinnvoll ist es auch, die Einhaltung von Reaktionszeiten mit einem Bonus bzw. Malus zu belegen. Selbst bei Auftreten von Fehlern und ggf. Verstreichen der vertraglich vorgegebenen Reaktionszeit besteht so noch ein Anreiz für den Auftragnehmer, seine Leistung möglichst schnell nachzuholen und eine Überschreitung der vorgegebenen Reaktionszeit so gering wie möglich zu halten.

Im Vertrag sollte klargestellt werden, welche Regelungen des BGB-Leistungsstörungsrechts durch das Bonus-Malus-System außer Kraft gesetzt werden und welche neben dem Bonus-Malus-System beibehalten werden sollen. Insbesondere sollte das Kündigungsrecht unberührt bleiben und dem Auftraggeber die Geltendmachung eines über den Malus hinausgehenden Schadens erhalten bleiben.

 

Bonus-Malus-System im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)

Die individualvertragliche Vereinbarung eines Bonus-Malus-Systems ist weitgehend zulässig; Grenzen sind insoweit § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) sowie § 242 BGB (Treu und Glauben), was ­jedoch nur im Extremfall zu bejahen sein dürfte.

Problematisch kann hingegen ein Bonus-Malus-System sein, welches der Auftraggeber in Form allgemeiner Geschäftsbedingungen zum Vertragsinhalt macht. Zunächst einmal muss die Bonus-Malus-Vereinbarung dem Transparenzgebot genügen. Das Bonus-Malus-System muss deshalb so gestaltet sein, dass Voraussetzungen und Folgen für den Auftragnehmer hinreichend klar und verständlich sind. Die Bonus-Malus-Regelung kann darüber hinaus aus verschiedenen Gründen wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam sein. Dies kann etwa der Fall sein, wenn durch den Malus das nach dem Werkvertragsrecht des BGB bei Mängeln bestehende Recht des Auftragnehmers zur Nacherfüllung beschnitten wird. Ein Malus, dem der Charakter eines pauschalierten Schadensersatzes oder einer Vertragsstrafe zukommt, kann unwirksam sein, wenn er auch ohne ein Verschulden des Auftragnehmers verwirkt ist oder er der Höhe nach nicht angemessen ist. Fraglich und in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt ist, ob eine Kompensation eines solchen Malus durch einen Bonus geeignet ist, die AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer entsprechenden reinen Malus-Regelung zu vermeiden.

Um die mit eine AGB-rechtlichen Prüfung verbundenen Unsicherheiten zu vermeiden, ist zu empfehlen, Bonus-Malus-Systeme individualvertraglich zu vereinbaren, den Vertrag mit dem Auftragnehmer also „auszuhandeln“. Insbesondere wegen der AGB-rechtlichen Einschränkungen und der strengen Vorgaben, welche die Rechtsprechung an ein „Aushandeln“ stellt,

sollten Bonus-Malus-Klauseln nicht ohne ­anwaltliche Beratung gestaltet und ­vereinbart ­werden.

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