IRBau-Konferenz: Bauwirtschaft plant Zukunft

09.06.2017 - Die „Initiative Ressourcenschonende Bauwirtschaft“ (kurz: IRBau) hat sich mit einer gut besuchten Konferenz am 31. Mai 2017 in Berlin erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Inhaltlich ging es um den Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen, nach der Energieeffizienz das große Zukunftsthema für mehr Klimaschutz, schadstofffreie Bauprodukte und den effizienten Einsatz knapper Ressourcen.

 

Energieeffizienz und Klimaschutz beherrschen seit vielen Jahren die Bau- und Industriepolitik. Bislang wurde viel erreicht: der Energieverbrauch pro Quadratmeter sank kontinuierlich; Gebäude können heute sogar mehr Energie erzeugen, als sie selbst verbrauchen. Kaum im Fokus der Öffentlichkeit liegt jedoch das Thema Kreislaufwirtschaft, das bislang eher mit Dosenpfand, Abfalltrennung und gelbem Sack verbunden ist.

Dass beim Recycling noch viel Luft nach oben ist und Politik, Wissenschaft und Bauindustrie Großes vorhaben, zeigte die Konferenz der IRBau.

Im ersten Teil der von Annette von Hagel moderierten Konferenz stellte Rolf Brunkhorst von Schüco International KG die IRBau und ihre Mitglieder vor und nannte als wichtigen Beweggrund für ihre Gründung, dass Recycling im Baubereich trotz hoher Zukunftsrisiken und -potentiale noch viel zu wenig Beachtung fände. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im BMUB, erläuterte im Anschluss die Rahmenbedingungen der deutschen Umweltpolitik beim Übergang zur  modernen Kreislaufwirtschaft. Dazu verdeutlichte er auch den umfassenden Ansatz des deutschen Ressourceneffizienzprogramms. Er begrüßte die Gründung der IRBau und sagte seine Unterstützung sowie die von Gunther Adler, Staatssekretär im BMUB, zu.

 

Matthias Kopp vom WWF Deutschland betonte das richtige Timing bei der Umsetzung von Maßnahmen für eine nachhaltige und effiziente Bauwirtschaft im Rahmen einer Dekarbonisierungsstrategie und plädierte für ein weit reichendes Umdenken zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Prof. Annette Hillebrandt von der Universität Wuppertal forderte Transparenz über die Materialzusammensetzung aller im Bauwesen verwendeten Stoffe zum Umwelt- und Verbraucherschutz und eine erhöhte Produktverantwortung der Hersteller. Das Ergebnis könnte ein „Gebäude-Rohstoff-Pass“ sein. Damit würde ein geplantes „Urban Mining“ ermöglicht. Die in der Immobilie gebundenen Ressourcen könnten nach Ablauf der Nutzungsdauer effizient weiter genutzt werden. Ihre Berücksichtigung als „Recyclingpotenzial“ würde bereits im Entwurfsprozess nachhaltig zur Wertsteigerung von Immobilien beitragen.

 

Auch die von Michael Hölker vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel moderierte, lebhafte Panel Diskussion mit Anja Rosen von der agn Niederberghaus, Thomas Lauritzen von Schüco International KG und Stephan Riemann von GF Lightcycle betonte die Bedeutung von Urban Mining, Wertstoffkreisläufen und neuen Instrumenten für die Bauwirtschaft. Neben fehlenden oder unvollständigen Regeln für eine Kreislaufwirtschaft am Bau sei auch ein Umdenken bei Architekten und Planern sowie den beteiligten Industrie- und Bauunternehmen erforderlich. Ziele sollten eine Orientierung am Lebenszyklus von Gebäuden, ein klares Bewertungsschema nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien, z.B. nach dem Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) oder dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB) sowie der Ausbau von Rücknahme- und Recyclingsystemen in der Bauwirtschaft sein.

 

Im zweiten Teil der Konferenz wies Dr. Markus Beukenberg, Vorstand bei der WILO Gruppe in Dortmund, auf das große Recyclingpotential der technischen Gebäudeausstattung (TGA) hin. Am Beispiel der Wiederverwendung von Magneten aus seltenen Erden, die millionenfach in Pumpen zum Einsatz kommen, wurde deutlich, dass eine Dokumentation der TGA über den gesamten Lebenszyklus für eine nachhaltige und damit erfolgreiche Wiederverwendung der Materialien erforderlich ist. Hier könne die Modellierung der Bauwerksdaten (BIM) künftig entscheidende Beiträge leisten. Prof. Dr. Sabine Flamme von der FH Münster zeigte die aktuelle Situation der deutschen Kreislaufwirtschaft am Bau. Um den Gebäudebestand stärker als Rohstoffquelle nutzen, wäre eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteiligten bereits während der Planungsphase sowie deren Dokumentation notwendig. Herausforderungen für das Recycling stellten vor allem Verbundwerkstoffe und -konstruktionen sowie fehlende Informationen über Inhaltsstoffe in Baumaterialien dar. Begrenzte Entsorgungskapazitäten in Verbrennungsanlagen und auf Deponien würden den Handlungsdruck künftig weiter erhöhen. Kreislauf-Lücken in der Bauwirtschaft müssten geschlossen und neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.

 

Reinhold Rünker vom NRW-Wirtschaftsministerium stufte die „Zirkuläre Wertschöpfung“, eine umfassende Kreislaufwirtschaft mit neuen Wertschöpfungsstufen, als bedeutendes Innovations- und Wachstumskonzept der Zukunft ein. Eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Rohstoffentnahme sei langfristig möglich, wenn Produkte von Anfang an so entwickelt werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus als Werkstoff in einen neuen Produktionsprozess eingehen können. Dabei betonte er die notwendige Verschränkung mit den modernen disruptiven Technologien (Digitalisierung, additive Fertigung, etc.). Manfred Fuchs von der Generaldirektion Unternehmen und Industrie der Europäischen Kommission machte am Ende der Konferenz klar, dass die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen, die Orientierung am Lebenszyklus von Gebäuden neben höherer Ressourceneffizienz und der Vermeidung gesundheitsschädlicher Baustoffe auch für die Arbeit der Kommission hochaktuelle Themen seien. Eine besondere Herausforderung werde es künftig sein, die Informationsdefizite in diesen Bereichen zu verringern. Am Ende der Konferenz traf diese Aussage auf allgemeine Zustimmung.