Der dritte Platz: Ohne Anreiz keine Qualität!

ipv-Autorenpreis 2018

Sarah Volltrauer und Florian Danner schildern in ihrem Beitrag die vertragliche Verankerung von Anreizsystemen in einem Dienstleistungsvertrag als fehlendes Puzzle-Stück einer strategischen Partnerschaft mit einem Systemdienstleister.

Die Einbindung einer unmittelbar qualitätsbezogenen Vergütung und der Wunsch eines Vertragsverhältnisses auf Augenhöhe begleiten Facility Service Vereinbarungen seit jeher. Oftmals scheitern diese Ansätze jedoch an den ungenügend formulierten Bedarfen, den einschränkenden Verträgen oder Leistungsbilder und dem historisch bedingten Misstrauen der Vertragspartner. Es ist Zeit, hier einen Lösungsansatz vorzustellen.

Wenn heutzutage Facility-Services an einen externen Dienstleister vergeben werden, ist es Zeit umzudenken. Die klassischen Auftraggeber (AG)-Auftragnehmer (AN)-Konstellation, vertraglich verankert und auf Grundlage festgelegter Service-Levels und einem entsprechenden Vergütungsmodell, muss überdacht werden.

Einen ersten Schritt liefert die ipv-Zerti-fizierung (Integrale Prozess Verantwortung) und die damit verbundene Sicherstellung der Kompetenzen und Leistungsfähigkeit des AN. Insbesondere das Verständnis hinsichtlich der Aufstellung als Systemdienstleister und der gemeinsamen Verpflichtung zur Einhaltung von Budget, Zeitplänen und Qualitätsstandards stellt eine wesentliche Weiterentwicklung gängiger AG-AN-Verhältnisse dar. Zudem wird festgelegt, dass beide Parteien gemeinsam an der Erreichung eines Ziels arbeiten und der Zielerreichungsgrad offen und transparent mit Hilfe von Kennzahlen (KPIs – Key-Performance-Indicator) gemessen wird. Der Grad der Zielerreichung wird mit einem klassischen Bonus-Malus-System hinterlegt, um „Gutleistungen“ zu belohnen und Minder- oder „Schlechtleistungen“ zu bestrafen.

In der Regel zielen diese Bonus-Malus-Regelungen jedoch nur auf die beiden Vertragsparteien ab und erreichen weder beim Endnutzer auf AG-Seite noch beim Umsetzer auf AN-Seite eine Wirkung.

Deshalb stellt sich die Frage, ob es zielführend ist, das Bonus-Malus-System auf Grundlage kumulierter Zielerreichungen aufzusetzen, da diese Systeme nur auf einen Gesamtabschlag der monatlichen Vergütung abzielen, jedoch oftmals das eigentliche Ziel der Beeinflussung der Qualität verfehlt.

 

Einen Anreiz schaffen und Motivation erzeugen

Auslöser der Qualitätseinbußen sind oftmals die unzufriedenen oder unmo-tivierten Mitarbeiter des AN. Diese verrichten meist nur „Dienst nach Vorschrift“ und verspüren keinen Anreiz, ihre Arbeit bestmöglich auszuführen, ­da sie im Falle einer Bonusausschüttung vorwiegend nicht selbst profitieren.
Zielführend wäre es, ein Anreizsystem auf Mitarbeiterebene in den Vertrag zu integrieren, welches gezielt auf die ausführenden Mitarbeiter wirkt, diese motiviert und zu besserer Arbeitsleistung antreibt.

Natürlich gibt es auf AN-Seite intern Programme und Maßnahmen zur Motivation der Mitarbeiter und moderne Vergütungssysteme, doch fehlt der entscheidende Bezug zum Endkunden, dem AG der Leistungen, und somit der interne Antrieb, sich mit dem jeweiligen AG zu identifizieren und dessen Bedürfnissen ernst zu nehmen. Als Grundlage für die Implementierung eines motivationssteigernden Systems sind die Begriffe Motiv und Anreiz maßgeblich. Jeder Mitarbeiter hat ein Motiv, welches es durch einen Anreiz anzutreiben gilt, um von einer erhöhten Motivation profitieren zu können. Denn umso wichtiger das Ziel für den Mitarbeiter ist und umso wahrscheinlicher es erreicht werden kann, desto motivierter wird der Mitarbeiter sein die Anforderungen vollständig zu erfüllen. Dieser Effekt entsteht natürlich nur bei einem für den Adressaten adäquaten Reiz, welchen es zu bedienen gilt.

Durch die Implementierung eines Anreizsystems kann ein passender Anreiz gesetzt werden, welcher gezielt Bedürfnisse der Mitarbeiter des AN anspricht. Hierbei wird die Leistungsbereitschaft aktiviert und das Handel im Sinne des AG gelenkt und die Leistungsfähigkeit und der Wille der Mitarbeiter des AN gestärkt.

Das klassische Anreizsystem trennt dabei in materielle und immaterielle Anreize. Während neben dem Gehalt vor allem Urlaub, Vorsorgen und Versicherungen oder auch Dienstwagen sowie elektronische Ausstattungen zu den materiellen Anreizen zählen, sind die immateriellen Anreize insbesondere der Arbeitsinhalt, Anerkennung, Status, Kommunikation, Führungsstil und Entwicklungsmöglichkeit.

 

Die nicht beachteten Wechsel-Kosten

Häufiger Grund für einen Wechsel des bestehenden AN sind entweder die Unzufriedenheit mit der erbrachten oder oftmals unzureichend beschriebenen oder vereinbarten Leistung, prognostizierte oder zu erwartende Einsparungseffekte durch eine Neuvergabe der Leistungen oder einfach die geänderten Rahmenbedingungen oder Bedarfe des Kerngeschäfts und damit auch die adaptierten Service-Level-Agreements (SLAs) und Inhalte des Facility-Service-Vertrags.

Wenig Beachtung finden im Rahmen der Entscheidungsfindung dabei die mittlerweile sehr transparent darstellbaren Kosten eines Wechsels. Das umfasst die Kosten für die Start-up Phase des neuen AN, zu vergütende oder anderweitig eingepreiste Kosten für die Datenübernahme oder sogar Personal-übernahme, die Aufbereitung und Integration der Berichte, Auswertungen und Steuerungskennzahlen bis hin zu tolerierten Qualitätsverlusten in der ersten Übergangszeit.

Zudem werden die internen und externen Kosten der Vergabe und Implementierung oftmals nicht mit einbezogen. Umso größer ist bei einer Gesamtbetrachtung der Effekt, durch gezielte Maßnehmen zur Sicherstellung der geforderten Qualitäten für möglichst langfristige strategische Partnerschaften zu sorgen.

 

Minderkosten einer Bonuszahlung

Der vielverbreitete Irrglaube, die Ausbezahlung eines Bonus für die Erreichung gesetzter Ziele erzeuge automatisch Mehrkosten auf Seiten des AG, gilt aktuell nur für jene Ausnahmen, die tatsächlich ein Qualitätsniveau von 100 % erreichen. In der Realität hingegen wird ein Erfüllungsmaß von rund 80 bis 85 % akzeptiert oder argumentativ von den AN verteidigt. Vorausgesetzt der AG hat den Bedarf der Nutzer bzw. des Gebäudes direkt in SLAs übersetzt und somit für eine Bestellqualität gesorgt, würde dies eine Minderleistung oder Nichterfüllung der Anforderungen bedeuten und folglich zu einem Produktivitätsverlust oder zu Einschränkungen auf Seiten der Nutzer führen.

Wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich, kann die benötigte Leistung somit entweder über eine scheinbare Überbeauftragung zum wirtschaftlichen Nachteil des AG oder einen zielgerichteten Anreiz in Form eines festgelegten Bonus erreicht werden. Indirekt muss mit einem Bonus auch eine transparente und feingliedrigere Abstufung der Malus-Vereinbarung verbunden sein um ­eine gleichberechtigte und partnerschaftliche Beziehung zwischen AG ­und AN zu erreichen.

 

Anreizbasiertes Dienstleister-Vertragsmodell

Das entscheidende Puzzle-Stück in der Ausgestaltung eines Bonus-Malus-Systems ist neben der erfolgsbezogenen Vergütung des AN also die Integration eines Anreizes oder Bonus für den Mitarbeiter des AN. Beispiele hierfür ist die vom Mindestlohn geprägte Reinigungsbranche und die Ausschüttung einer direkt an die eingesetzten Mitarbeiter gehende Sonderzahlung über ein Konto des AN. Darüber hinaus können in anderen Gewerken Teilnahmen oder Einladungen an Veranstaltungen oder Events, die Vergabe von Beurteilungen oder Arbeitszeugnissen zum Nachweis der eigenen Leistungsfähigkeit in reputationsgeprägten Berufen oder die personenbezogene (nicht unternehmensbezogene) Übertragung erweiterter Aufgaben (im Sinne einer Auftragserweiterung).

 

Der Anreiz bestimmt die Qualität der Leistung

Im Sinne eines langfristigen und vor allem erfolgreichen, partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen AN und AG bedarf es also einer gezielten Implementierung von Anreizen auf allen Ebenen des AN, das gemeinsam gesetzte Ziel zu erreichen. Die Grundlage dafür liegt nicht nur im Vertrag zwischen den beiden Parteien. Vielmehr ist das Verständnis auf Seiten des AG, den Fokus von der Kosteneinsparung oder -optimierung in der Dienstleistung hin zu einer Qualitätssicherung und einer Abdeckung/Erfüllung des Bedarfs, entscheidend. Den aktuellen sowie zukünftigen Bedarf geben dabei das Gebäude und insbesondere die Nutzer und die Unternehmensstrategie vor.

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