Neue Dienstleistungsmodelle für industrienahe Sekundärprozesse

Standardisierte Facility Services
für die Industrie

Standardisierte Sekundärleistungen bieten Industrieunternehmen eine höhere Flexibilität und geringere Overhead-Kosten. Um die Vorteile von Standards effizient zu nutzen, ist eine sorgfältige Produktentwicklung zentral.

Die deutsche Industrie ist der wichtigste Kunde der führenden Facility-Service-Unternehmen in Deutschland. 2013 erwirtschafteten die von Lünendonk beobachteten Unternehmen 27,5 % ihres Umsatzes mit Industriekunden[1]. Lünendonk taxiert das Marktvolumen für Facility Services in Deutschland auf 47,2 Mrd. € [2]. Selbst unter der Annahme, dass Facility Services bei Industrieunternehmen hauptsächlich von den führenden Unternehmen erbracht werden, ergibt sich hieraus ein signifikantes Umsatzvolumen. Die von Lünendonk analysierten Unternehmen erwirtschafteten 2013 insgesamt 13,5 Mrd. €.

Unter die industrienahen Sekundärprozesse fällt ein zweiter bedeutender Business-to-Business-Dienstleistungsmarkt: Mit Industrieservices werden laut Branchenverband WVIS pro Jahr rund 20 Mrd. € am externen Markt erwirtschaftet, Tendenz steigend. Zusammen mit den bisher noch intern erbrachten Leistungen attestiert der Verband ein Marktvolumen von rund 100 Mrd. €.

Im globalen Wettbewerb konzentrieren sich Industrieunternehmen immer mehr auf ihr Kerngeschäft. Sekundär- und Tertiärprozesse – zusammengefasst als Standortdienstleistungen – werden zunehmend durch professionelle Service-Partner erbracht. In Industrieparks ist dies heute schon üblich.

Weitgehende Standardisierungs- und Professionalisierungsprozesse der letzten Jahre hinterlassen Spuren: Die Effizienz und Krisenfestigkeit haben zugenommen, Sicherheits- und Hygienestandards wurden durch den Gesetzgeber angehoben und führten zu einheitlicheren Prozessen. Dies gilt für den Betrieb des Reinraums in der Chip-Herstellung ebenso wie bei Laboren und Produktions- respektive Sauberkeitsanforderungen etwa in der (Petro-)Chemie oder in der Lebensmittelindustrie. Auch Fertigungswerke etwa in der Automobilindustrie sind grundsätzlich miteinander vergleichbar und Arbeitsschutzbestimmungen sind weit verbreitet.

Ebenso verfügen zahlreiche Produzenten über mehrere Standorte mit einem vergleichbaren Immobilienportfolio: Neben den Produktionshallen sind Bürogebäude und Parkraum zu bewirtschaften. 

Niedrigere Overhead-Kosten durch Standards bei Standort-Services

Standort-Services erfüllen individuelle Anforderungen des jeweiligen Werks. Da die Leistungserbringung durch Menschen erfolgt und der Einsatz von technischem Gerät eine untergeordnete Rolle spielt, ist dies wenig verwunderlich. Wenn jede Leistung separat kalkuliert wird, bleiben mögliche Synergiepoten­ziale durch gebündelte Leistungen ungenutzt. Bei komplexen Aufträgen erreichen allein die Overhead-Kosten beträchtliche Summen.

Um Optimierungspotenziale zu heben, bietet es sich an, Standorte miteinander zu vergleichen. Das erfordert eine einheitliche Kalkulationsbasis und eine vergleichbare Leistungserbringung. Eine Organisation der Leistungen in Kom­ponenten und Module ermöglicht es, bei Bedarf Services mit geringem Aufwand in ein bestehendes und erprobtes Dienstleistungsmodell zu integrieren. Erst wenn die Leistungserbringung der unterschiedlichen Gewerke systematisch verzahnt ist, werden Potenziale größtmöglich ausgenutzt und Skaleneffekte kommen deutlicher zum Tragen.

Dieses Konzept stellt hohe Anforderungen: Es bedarf eines Service-Partners mit einer hohen Kompetenz in Gebäude- und Produktionstechnik sowie langjähriger Erfahrung im industriellen Umfeld mit hoher Eigenleistungstiefe.

Standardisierte Services erfordern ein entwickeltes Leistungsprodukt

Systematische Standortdienstleistungen erfordern Know-how auf mindestens zwei Ebenen: Das Handwerk für Gebäudetechnik und Industriemaschinen ist ebenso Grundvoraussetzung wie Service-Management. Es gilt, die speziellen Anforderungen der Produktionsprozesse an die Standort-Services genauso zu berücksichtigen wie die Organisation und den Professionalisierungsgrad der Schnittstelle(n) zum Kunden. Eine hoch integrierte Leistungserbringung mit wenigen Schnittstellen zum Kunden wird für Frustration und Enttäuschung sorgen, wenn der Einkauf und die Steuerung von Leistungen beim Kunden dezentral erfolgen.

Eine systematische Produktentwicklung ist Voraussetzung für den angestrebten Mehrwert. Sie muss standardisieren, wo dies möglich ist, darf aber den Bedarf an Individualität nicht vernachlässigen. Bei der Definition der Komponenten sind Erfahrung und ein klares Konzept entscheidend. Wenn die Effizienzvorteile einer Standardisierung geringer sind als der hierdurch resultierende Verlust an Flexibilität, ist nichts gewonnen.

Entwicklungskosten werden auf mehrere Schultern verteilt

Ein Produkt zu entwickeln ist aufwendig. In der Automobilindustrie kostet die Entwicklung eines neuen Modells – sprich: Produkts – oft einen hohen Millionenbetrag. Mit Ausnahme weniger Liebhaber – und hier spielt Emotion eine große Rolle – wäre kein Käufer bereit, diese Kosten zu tragen, wenn Sie vollständig in den Preis eines Autos einflössen. Ein Dienstleistungsprodukt ist zwar in der Entwicklung günstiger, die Mechanismen sind indes ähnlich: Die Produktentwicklung rentiert sich mit mehrfacher Anwendung für alle beteiligten Parteien.

Dieses Modell spielt seine Vorteile insbesondere dann aus, wenn der Auftraggeber auf geringe Fixkosten in der eigenen Organisation – und damit auf Flexibilität – setzt, um Schwankungen in der Auslastung besser abfedern zu können. Eine erfolgreiche Zusammenarbeit wird indes ohne ein fachliches Verständnis auf Augenhöhe nur schwer möglich sein. Wenn es in der Zusammenarbeit klemmt, ist dafür oft ein Mangel an Kommunikation verantwortlich. Nur wenn auf beiden Seiten das Fachwissen um Prozesse und Anforderungen vorhanden ist – also das Handwerkszeug –, kann Vertrauen entstehen.

Fazit

Standardisierte Standort-Services sind ein neues Dienstleistungsmodell, das Professionalisierungsprozesse der Kunden unterstützt. Der Markt für Industrieservices in Deutschland ist im Vergleich zu dem für Facility Services weniger weit entwickelt. Die Anzahl der Gesamtdienstleister ist überschaubar und die auf der Lünendonk-Liste vertretenen Unternehmen zeichnen sich durch einen hohen Spezialisierungsgrad aus. Zudem stehen viele Anwenderunternehmen noch am Beginn der Auslagerung von Prozessen, die die gelbe Linie überschreiten. Auf der anderen Seite beginnt die Trennung von Industrieservice und Facility Service langsam an Bedeutung zu verlieren. Die eingangs dargestellten Potenziale für zusätzliche Fremdvergaben bedürfen auch eines passenden Service-Konzepts, um für eine Fremdvergabe in Betracht zu kommen.

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