Neue Aufzüge für das Telefunken-Hochhaus Berlin

Modernisieren nach Plan

Im Berliner Telefunken-Hochhaus wurden die Aufzugsanlagen Schritt für Schritt saniert, ohne dass es zu merklichen Einschränkungen für die Nutzer kam. Hohe Wartungs- und Energiekosten sowie fehlende Ersatzteile für die in die Jahre gekommenen Anlagen führten zu der Entscheidung.

Das heute denkmalgeschützte Telefunken-Hochhaus ist ein Pionier des vertikalen Bauens in Berlin. Von 1958 bis 1960 am Ernst-Reuter-Platz als „Haus der Elektrizität“ errichtet, war es das erste Gebäude der Hauptstadt mit mehr als 20 Stockwerken. Entsprechend leistungsstark ist die Aufzugstechnik ausgelegt.

Seine Funktion als Sitz der AEG-Tochter Telefunken brachte dem Hochhaus den immer noch gebräuchlichen Namen ein, obwohl seit langem der Schriftzug der Technischen Universität Berlin an der Fassade prangt. Verschiedene Fachbereiche, Zentraleinrichtungen, die Telekom Innovation Laboratories sowie industrielle Partner wie die Daimler AG finden in der Architektur-Ikone Westberlins Platz. Im 20. Obergeschoss des Gebäudes betreibt das Studentenwerk zudem eine öffentlich zugängliche Cafeteria. Eine Aufzugsgruppe mit vier Anlagen sorgt in dem traditionsreichen Hochhaus für reibungslose vertikale Mobilität. Mit einer Nutzlast von je 1350 kg befördern die Aufzüge die zahlreichen Nutzer über insgesamt 21 Etagen. Ein fünfter Aufzug, ursprünglich für Lasten konzipiert, steht seit einigen Jahren zusätzlich als Feuerwehraufzug zur Verfügung.

Aufzugsplaner beauftragt

In zwei Umbauphasen zwischen 2005 und 2007 wurden mehrere Etagen des ­
in die Jahre gekommenen Hochhauses komplett umgestaltet. Weitere Sanierungsmaßnahmen beispielsweise am Brandschutz oder an der Westfassade folgten. Ab 2014 kamen die Aufzüge in den Fokus des Gebäudemanagements. Obwohl in den 90er Jahren die Aufzüge mit Mikroprozessor-Steuerungen und Antriebsregelungen mit statischen Umformern umgerüstet wurden, stammten elektromechanische Komponenten wie Haupt-Antriebe und Türantriebe) noch aus den 1960er Jahren und entsprachen längst nicht mehr dem Stand der Technik. Die TU Berlin beauftragte „Liftmanagement Ingo Eichberger“, ein unabhängiges Planungsbüro für Aufzüge und Fahrtreppen, mit der Modernisierung. Eichberger erstellte ein detailliertes Leistungsverzeichnis und führte eine öffentliche Ausschreibung durch, die der Berliner Hersteller Schindler für sich entscheiden konnte. „Ausschlaggebend war nicht allein der Preis, sondern auch die Leistungsfähigkeit des Unternehmens“, berichtet Ingo Eichberger. „Schließlich war es mit Förderhöhen über 70 m und einem komplexen Bauablauf ein anspruchsvolles Projekt.“

Modernisieren, bevor es zu spät ist

Eine der größten Herausforderungen bei derart in die Jahre gekommenen Aufzügen ist die Ersatzteilversorgung. Gehen Komponenten kaputt, kommt es häufig zu längeren Ausfällen, weil Teile nur schwer zu beschaffen oder gar nicht mehr verfügbar sind. „Insbesondere bei stark frequentierten Gebäuden wie dem TU-Hochhaus ist eine Modernisierung solcher Oldtimer sinnvoll, bevor es zu spät ist“, rät Ingo Eichberger. Hinzu kommen geringere Wartungskosten, da moderne getriebelose Antriebe praktisch wartungsfrei sind.

Vergabepraxis beeinflusst
Technikstandards

„Im Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Auftraggebern muss die TU die Serviceleistungen für die Aufzüge regelmäßig neu ausschreiben“, erläutert Eichberger. Das wiederum beeinflusste die Auswahl von Anlagenteilen wie Antriebe oder Türsteuerungen. „Wir haben Komponen­ten ausgeschrieben, die über Zulieferer am freien Markt zu bekommen sind und von möglichst vielen Aufzugsunternehmen sicher beherrscht werden können.“ Für die Techniker bei Schindler bedeutete diese Vergabepraxis, dass sie nicht einfach auf einen konzerneigenen Serienaufzug zurückgreifen konnten. Doch das kommt bei Modernisierungsprojekten im Hochhaus-Bereich ohnehin selten in Frage. Unterschiedliche Fabrikate und Technikgenerationen in den Bestandsgebäuden fordern ein hohes Maß an Flexibilität, das ein Aufzugsbauer wie Schindler tagtäglich beweisen muss.

Förderkapazität analysiert und gesteigert

Als weitere Zielsetzung der Aufzugsmodernisierung galt es, die Förderkapazität der Aufzüge zu steigern. Eichberger und sein Team setzen dabei zunächst auf verschiedene Analysetechniken. Mit Papier, Bleistift und Stoppuhr zählten sie Aufzugsnutzer und ermittelten Wartezeiten bzw. Kabinenumlaufzeiten. Softwaresimulationen ergänzten die ermittelten Daten und unterstützen die Planer bei der Entwicklung der optimalen Lösung. Auch der technische Fortschritt half mit: „Gruppensteuerungen sind heute viel intelligenter und können Fahrtwünsche effektiver bedienen“, weiß Ingo Eichberger. Schon allein durch Austausch der alten Steuerungen konnte die Kapazität der vier Aufzüge gesteigert werden. Zudem gilt der von Schindler verwendete Algorithmus als einer der effektivsten der Branche. Nicht zuletzt konnten schnellere Öffnungs- und Schließzeiten durch die Modernisierung der Türantriebe erreicht werden.

Lift-Monitoring-Software
überwacht und steuert

Um die Aufzüge im Betrieb besser überwachen zu können, installierten die Techniker ein Lift-Monitoring-System. Es besteht aus einem PC-Arbeitsplatz und zeigt den Haustechnikern der TU, wo sich welcher Aufzug befindet und ob Störungen vorliegen. Über das System lassen sich auch die anzufahrenden Haltestellen beeinflussen. Finden beispielsweise Sonderveranstaltungen in der Caféteria in der 20. Etage statt, könnten die Aufzüge so eingestellt werden, dass eine Fahrt von der Eingangsebene dorthin nicht durch einen Ruf in einer der Zwischenetagen unterbrochen wird. Auch Diagnosedaten und Nutzungsstatistiken stellt die Software zur Verfügung.

Aufzüge gewinnen Energie

Nicht nur die Förderkapazität, auch die Energieeffizienz ist bei den modernisierten Komponenten deutlich besser. Zusätzliche Ersparnisse bringt die Energierückspeisung. Gerade bei Aufzügen mit hoher Nutzungsdauer, zu denen auch die Anlagen des Telefunken-Hochhauses zählen, lohnt sich die Technologie, bei der überschüssige Brems- und Beschleunigungsenergie mittels Wechselrichter zurückgewonnen wird. Eine Energieberechnung durch die Schindler-Ingenieure führte zu einer jährlichen Ersparnis von 5441 kWh und einer Amortisation der höheren Investitionskosten bereits nach etwas mehr als einem Jahr. So erreichen die modernisierten Anlagen die höchste Energieeffizienzklasse A nach VDI 4707. Als Besonderheit ist die Technik so ausgelegt, dass gewonnene Energie eines Aufzugs von den übrigen drei in der Gruppe direkt genutzt werden kann. Üblich ist die Rückspeisung direkt ins Netz, weil dies einfacher zu realisieren ist.

Längere Bauzeit, weniger
Beeinträchtigungen

Für ein Gebäude wie das Telefunken-Haus mit einer hohen Anzahl von Nutzern sind funktionierende Aufzüge unverzichtbar. Aus diesem Grund mussten die Schindler Techniker schrittweise vorgehen. Nur jeweils einer der vier Aufzüge wurde aus der alten Gruppensteuerung herausgenommen, komplett modernisiert und in die neue Steuerung eingebunden. Dann kam die nächste Anlage an die Reihe. „Zwar dauerten
die Arbeiten auf diese Weise rund ein Jahr, dafür lief dank des Einsatzes der Firma Schindler alles glatt und ohne größere Beeinträchtigungen für die Studierenden“, resümiert Aufzugsplaner Eichberger.

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