„Gefangen auf Zeit“ – ein besonderer Erfahrungsbericht eines besonderen PPP-Projektes

Facility Services für die JVA in Bremervörde

„Einschluss!“ hallt es durch den Gang. Meine Zellentür schließt sich. ­Keine Chance, jetzt hier rauszukommen. Meine Zelle ist Teil der neuen Justizvollzugsanstalt Bremervörde, die am 31. Januar mit den ersten 25 Gefangen­en den regulären Betrieb aufgenommen hat. Die JVA ist das zweite Objekt dieser Art, das im Rahmen eines PPP-Vertrages betrieben wird.

Partner der Öffentlichen Hand in Bremervörde ist die BAM Immobilien-Dienstleistungen GmbH, die die technischen Facility Serices übernommen hat. Für infrastrukturelle Dienstleistungen hat die BAM die Wuppertaler Hectas Facility Services Stiftung & Co. KG verpflichtet. Von der Verwaltung über Versorgungsleistungen für die Gefangenen bis hin zu den Bereichen Sicherheitshilfsdienste und Reinigung zeichnet die Hectas verantwortlich.

Kurz vor den Einschluss waren wir „Gefangenen auf Zeit“ aufgefordert, unser Abendessen auf dem Flur der Station entgegenzunehmen. Zubereitet werden die Mahlzeiten in der anstaltseigenen Küche, in der ein Koch der Dussmann-Gruppe die Fäden in der Hand hält. Im Regelbetrieb werden in der Küche eine Reihe von Gefangenen beschäftigt, über die der Dussmann-Mitarbeiter das Kommando hat. Hectas hat diesen Teil des Auftrages an Dussmann weitergegeben, da das Unternehmen kein eigenes Catering-Angebot vorhält.

Pünktlich nach einer Stunde öffnet sich die Zellentür wieder. Der erste Teil des Probeliegens für Journalisten und interessierte Bürger aus Bremervörde ist um. Unsere Gruppe begibt sich zum Informationsaustausch in die Sporthalle der JVA.

Der Wuppertaler Dienstleister Hectas, der seit 2009 in die Planung und Umsetzung des Projektes eingebunden ist, hat den Auftrag im Wettbewerb mit einer ganzen Reihe namhafter FM-Anbieter gewonnen. Eines der Grundprobleme bei der ­Ausgestaltung von PPP-Projekten für Justizvollzugsanstalten ist die strikte Trennung von hoheitlichen und nicht hoheitlichen Aufgaben. Ein Bereich, in dem diese Trennung besonders spürbar ist, sind die Sicherheitsaufgaben, die der Dienstleister übernimmt. So dürfen die Hectas-Mitarbeiter die Gefangenen in den Gebäuden und im Außengelände begleiten. Die zahlreichen Durchsuchungen der Häftlinge müssen jedoch von Mitarbeitern der Justiz durchgeführt werden. Unproblematisch ist die Steuerung von Besuchern. Als nicht hoheitliche Aufgabe liegt sie ganz in der Hand des Wuppertaler Dienstleisters.

Basis für diese Aufgabenteilung ist eine umfangreiche Beschreibung aller Prozesse innerhalb der JVA, in der Wege und Zuständigkeiten für alle denkbaren Abläufe genauestens abgebildet sind. Wer bringt einen Gefangenen bis zu welchem Punkt in der Anstalt, wer übernimmt dort, was wird erledigt, wer übernimmt wieder und bringt den Gefangenen zurück. Jeder einzelne Schritt ist detailliert beschrieben.

22 Uhr, wieder Einschluss. Eine Nacht ohne Handy, ohne Ausgang steht bevor. Das Fernsehgerät, die einzige Verbindung zur Außenwelt, wird ebenfalls von Hectas betreut. In jeder Zelle findet sich der gleiche Apparat. Fällt einer aus, sorgen die Mitarbeiter des Dienstleisters für Ersatz. Noch flimmert das Bild, die Sender kommen nicht klar, aber ­daran wird noch gearbeitet.

Hätte ich vor dem Einschluss noch ­Zigaretten benötigt, eine Zeitschrift oder eine CD haben wollen, die pri­vaten Dienstleister wären meine Ansprechpartner gewesen. Ein Buch aus der Bibliothek oder ein schneller Besuch beim Frisör – auch hier betreut privates Personal die Gefangenen. ­Abgerechnet wird das über eine Zahlstelle in der JVA, die die Konten der Gefangenen kontrolliert und ebenfalls von privatem Personal gemanagt wird.

7 Uhr, wecken und Aufschluss. Ein kurzer Wink zum Justizmitarbeiter, die Lebendkontrolle war erfolgreich. Jetzt ist wenig Zeit zum Waschen und Anziehen. Meine Zelle ist piksauber. Dafür werden später die Gefangenen selbst sorgen. In fast allen anderen Bereichen des Objektes sorgen Servicekräfte von Hectas für Sauberkeit – mit und ohne Hilfe der Gefangenen, je nach Bereich. Der PPP-Vertrag verpflichtet den Dienstleister, eine bestimmte Anzahl von Gefangenen zu ­beschäftigen. Die Reinigung oder auch die Pflege der Außenanlagen bieten hier Gelegenheit.

Bett abziehen, Wäsche einsammeln und zusammenpacken – die Gruppe wird zur Wäschekammer geleitet. Auch hier wieder private Kräfte, die sich um die Sauberkeit von Bettwäsche, Handtüchern oder Sportbekleidung kümmern. Danach Frühstück und ausführliche Information über die Behandlung der Gefangenen in der JVA Bremervörde. Um 11 Uhr ist dann die Verabschiedung. Ich bekomme meinen Ausweis und mein Telefon zurück. Die Welt hat mich wieder!

Herr Brüggemann, für den Auftrag in der JVA Bremervörde gab es eine ganze Reihe von Bewerbern. Was hat den Ausschlag für den Zuschlag gegeben?

 

Christian Brüggemann: Insgesamt bewertet war das Angebot sowohl aus architektonischer, wirtschaftlicher und betrieblicher Sicht überzeugend. Bereits mit dem finalen Angebot mussten umfangreiche Konzepte mit Beschreibungen zur späteren Umsetzung abgegeben werden. Ein weiterer Bewertungspunkt war die Vergabe von nennenswerten Aufträgen an Klein- und Mittelständische Unternehmen der Region. Auch hier konnten wir gemeinsam mit unseren Partnern überzeugen.

Die besonderen Aufgaben in der JVA bedeuten auch eine ganze Reihe von Investitionen in das Personal. Ich denke da an besondere Schulungen, ­Praktika oder Hospitationen. Wie hoch war dieser Aufwand?

Brüggemann: Der Aufwand war immens. Sämtliche Mitarbeiter mussten vorab verschiedene Schulungsmodule durchlaufen. So gab es einen allgemeinen Block, der für alle Mitarbeiter ­identisch war, einen Spezialblock – ­zugeschnitten auf das spätere Einsatz­gebiet in der JVA Bremervörde, sowie einen Hospitationsblock in einer anderen JVA in Niedersachsen.

Die hierdurch entstandenen Kosten (Lohn, Fahrt und Unterbringungskosten) mussten bereits im finalen Angebot in Form einer Vorfinanzierung berücksichtigt werden, da das erste Betriebsentgelt erst nach Start der Probephase ausgezahlt wird.

Bei der Personalauswahl hat die JVA ein entscheidendes Wort mitzureden. Wie schwer fällt einem Unternehmen die Abtretung von Entscheidungsbefugnis im Personalbereich?

Brüggemann: Vertraglich ist vereinbart, dass sämtliche eingesetzten Mitarbeiter vom Land Niedersachsen sicherheitsüberprüft werden. Alle Bewerber mussten diesem Vorgehen zustimmen. Hierbei handelt sich um ein normales Prozedere, dem auch staatliche Bedienstete unterworfen sind.

Der regelmäßige Austausch zu Bewerbungen und die gemeinsame Einschätzung derselben unterstreichen die partnerschaftliche Herangehensweise an die Personalrekrutierung.

Die Vorgaben für die Erfüllung ihrer Aufgaben sind sehr stringent. Ist ein solcher PPP-Auftrag mit einem anderen Auftrag vergleichbar?

Brüggemann: Hectas betreut bereits im Rahmen von PPP-Projekten andere Liegenschaften, wie Schulen, Rathäuser und Verwaltungsgebäude. Eine JVA war in dieser Form bislang nicht darunter und hat die Organisation vor neue ­Herausforderung in Bezug auf Planung und Projektierung gestellt. Immerhin betrug die Planungsphase für den Betrieb ab Vertragsunterzeichnung über zwei Jahre.

Hectas ist seit 2009 an diesem Projekt beteiligt. Würden Sie sich vor dem Hintergrund der heutigen Erfahrungen erneut um einen solchen Job ­bemühen?

Brüggemann: Zum damaligen Zeitpunkt war der Umfang des Projektes nur schwer abzuschätzen. Der Reiz von PPP-Projekten ist allerdings immer die lange Vertragslaufzeit und die somit einhergehende Planungssicherheit. Hinzu kommt der Zuwachs an Know-how, den Hectas durch dieses Projekt erreichen konnte. Auch die Entwicklung von Partnerschaften zwischen ­Unternehmen, die bislang nicht mit­einander gearbeitet haben ist ein Resultat dieser langen Vorbereitungsphase.

Nach heutigen Gesichtspunkten würden wir uns sicherlich wieder bewerben – und wir würden gar nicht so viel anders machen.

Der Vertrag läuft über 25 Jahre. Gibt es eine Ausstiegsklausel?

Brüggemann: Jeder Dienstleistungs­bereich (Reinigung, Sicherheit, Verpflegung und Versorgung, Verwaltung, ­Sozialfürsorge, Gesundheitsfürsorge, Gefangenenbeschäftigung) hat einen ­eigenen Vertrag und kann nach zehn Jahren gekündigt werden.

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