Richtlinie für die dezentrale Luftbefeuchtung

Der Betreiber hat die Verantwortung

Die Luftfeuchtigkeit ist ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung gesundheitlich zuträglicher Atemluft und für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Durch veränderte Ansprüche an die Raumlufttechnik und die Energiebilanz in Gebäuden ist eine geregelte Luftfeuchte mit einer zentralen Luftbefeuchtung in vielen Fällen nicht mehr zu realisieren. Für die als Alternative geeignete dezentrale Luftbefeuchtung gibt es jetzt einen neu definierten Stand der Technik.

In der Praxis ist häufig eine zentrale Befeuchtung über die Raumlufttechnische Anlage (RLT-Anlage) nicht möglich oder nicht gewünscht. Die Betriebskosten und der hohe Wartungsaufwand der Luftbefeuchtung sind oftmals der Grund dafür, dass sie in Zentralklimageräten nicht mehr vorgesehen oder außer Betrieb gesetzt wird. Wenn bauliche Gegebenheiten oder Einwände der Gebäudenutzer diese klassische Befeuchtungsmöglichkeit nicht zulassen, hat sich die dezentrale Direkt-Raumluftbefeuchtung in vielen Anwendungen als gute Alternative bewährt: Dezentrale Befeuchter lassen sich in jedes Gebäude auch nachträglich einbauen. Die gewünschten Sollwerte können individuell an unterschiedliche Raumanforderungen angepasst werden und der Energieverbrauch insbesondere der Hochdruckdüsen-Technik ist im Vergleich zu anderen Befeuchtungsmöglichkeiten sehr gering. Während die zentrale Befeuchtung jedoch hinsichtlich hygienegerechter Planung,
Installation, Wartung, Instandhaltung und Betrieb bereits seit vielen Jahren geregelt ist, fehlte bislang eine solche Regelung für dezentrale Befeuchter. 

VDI 6022 Blatt 6 definiert den neuen Stand der Technik

Die neue Richtlinie VDI 6022 Blatt 6 wurde im Dezember 2013 veröffentlicht und gilt als neuer Stand der Technik für die Luftbefeuchtung durch dezentrale Einzelgeräte. Da von solchen Geräten, z.B. durch ungefilterte Einbringung mikrobiologisch belasteter Atemluft sowie unzureichender Wartung, auch ein besonderes Gefahrenpotential ausgeht, sind gezielte Hygienemaßnahmen zur Gefahrenabwehr unabdingbar. Diese gehören auch in die gesetzlich vorgeschriebene unternehmerische Gefährdungsbeurteilung hinein, die für jeden Arbeitsplatz
zu erstellen ist.  

Die VDI Richtlinie unterscheidet zwischen vorbeugenden und notwendigen Hygienemaßnahmen. Zu den notwen­digen Hygienemaßnahmen gehört die halbjährliche Bestimmung der Keimzahl im Befeuchterwasser. Eine qualifizierte Probenahme an der Systemgrenze zum Raum (z.B. Düsenausgang) muss die Einhaltung der nach VDI 6022 Blatt 6 geforderten Maximalwerte dokumentieren: z.B. Gesamtkoloniezahl < 150 KBE/ml; Legionellen < 100 KBE/100 ml. Sofern unzulässige mikrobiologische Wasserbelastungen bei den Kontrollen ermittelt werden, sind die Reinigungsintervalle zu verkürzen. Grundsätzlich hat der Betreiber bei allen Hygienemaßnahmen die Verpflichtung, den hygienisch sicheren Betriebszustand zu gewährleisten. Dabei ist es in seinem Ermessen, aber auch in seiner Verantwortung, wen er mit diesen Aufgaben betraut, oder ob er sich selber darum kümmert. Je sicherer ein System-Hersteller sein Gerät konzipiert und in diesem Zusammenhang auch die Wartung und Instandhaltung den geforderten Maßnahmen und deren Intervallen anpasst, umso leichter ist es für den Betreiber, die Verantwortung zu übernehmen und das Haftungsrisiko zu minimieren.

Nur qualifiziertes Personal

Alle Personen, die im Zusammenhang mit Planung, Installation, Betreiben und Instandhaltung der Luftbefeuchtungs­anlage eingebunden sind, müssen sich
in unterschiedlichen Kategorien weiterbilden: Inhaber und Betreiber einer Befeuchtungsanlage müssen mindestens nach Kategorie C unterwiesen werden. Monteure, Instandhaltungs- und Reinigungspersonal benötigen eine B-Qualifizierung. Hygienerelevante Aufgaben bei Planung, Errichtung, Inbetriebnahme und Hygieneinspektionen dürfen nur von A-Qualifizierten übernommen
werden. Das Ausstellen von Prüfbescheinigungen und Bewertung von Raumluftqualität ist den VDI-geprüften Fach­ingenieuren RLQ (Raumluftqualität) vorbehalten. Das bedeutet in der Praxis, dass Befeuchtungsanlagen nur von mindestens B-qualifiziertem Personal installiert und in Betrieb genommen werden dürfen. Zusätzlich muss ein A-Qualifizierter die hygienerelevanten Aufgaben, die mit der Installation und Inbetriebnahme einhergehen, verantwortlich übernehmen. Sofern Hersteller, Errichter oder Wartungsfirmen kein derart qualifiziertes Personal zur Verfügung haben, verstoßen sie gegen den Stand der Technik.
Der Betreiber, der sich über die notwendige Qualifikation nicht informiert und die Aufgaben trotzdem vergibt, geht das Haftungsrisiko dafür ein.

Neu: Zertifizierung eingebauter Systeme

Alle Geräte sind durch den Hersteller oder Inverkehrbringer auf ihre Funktion, Betriebssicherheit und Hygiene zu überprüfen. Der Prüfumfang ist in der VDI 6022 Blatt 6 festgelegt und bildet die Grundlage für die Produktzertifizierung (Basis-Zertifizierung). Materialprüfungen auf relevante Schadstoffe, Emissionskammer-Untersuchungen, mikrobiologische Untersuchungen, Messungen der Befeuchterleistung und vieles mehr müssen von den Baumustern durchlaufen werden. Das bereits im Markt eingeführte Prüfzeichen „Optimierte Luftbefeuchtung“ der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) ist dabei Voraussetzung. Sobald ein Hersteller die Basisprüfung erfolgreich bestanden hat, können die eingebauten Systeme in der Praxis durch die VDI-geprüften Fachingenieure RLQ vor Ort geprüft und mit einer VDI Prüfbescheinigung versehen werden.

Zum Umfang der Vor-Ort-Prüfung beim Anwender gehören umfassende mikrobiologische Keimuntersuchungen, die Bewertung der Wartungsintervalle,
Messungen der Luftemissionen sowie die Prüfung der Raumnutzung, des Anlagenstandortes und der Anlagenkomponenten. Diese Prüfungen werden mindestens halbjährlich im Rahmen einer Folge-
Zertifizierung wiederholt.

Weniger Haftungsrisiko

Durch die Zertifizierung nach VDI 6022 Blatt 6 kann der Anlagenbetreiber auf ein umfassendes Prüfungsszenario vertrauen, das es in dieser Form für dezentrale Befeuchter noch nicht gab. Die VDI Prüfbescheinigung dokumentiert nach außen, dass die eingebaute Anlage hinsichtlich Hygiene und Betriebssicherheit tatsächlich dem aktuellen Stand der Technik entspricht. Betreiber und Arbeitgeber kommen dadurch ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, bei der Umsetzung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen den aktuellen Stand der Technik zu berücksichtigen. Das Haftungsrisiko reduziert sich auf ein Minimum, da die Einhaltung der VDI  Richtlinie die wissentliche oder vorsätzliche Nichteinhaltung des anerkannten Stand der Technik ausschließt. Bei der Haftungsbeurteilung durch Gutachter oder vor Gericht erhält die VDI Richtlinie juristisch dadurch indirekt Gesetzescharakter.

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